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# taz.de -- Super Bowl der Footballspieler: Anwerfen gegen Anwürfe
> Beim größten Sportereignis in den USA, dem Super Bowl, wird über
> Diskriminierung diskutiert. Immerhin: Die Quarterbacks beider Teams sind
> schwarz.
Bild: Kansas City gegen Philadelphia: die Quarterbacks Patrick Mahomes (l.) und…
Unter den erwarteten rund 100 Millionen Fans, die sich am kommenden
[1][Sonntag den Super Bowl] anschauen, wird Doug Williams ganz zweifellos
einer der entspanntesten sein. „Mir ist es relativ gleich, wie das Spiel
ausgeht“, sagte der frühere Champion jüngst in einem Interview mit dem
Sportportal The Athletic. „Ich habe jetzt schon gewonnen.“
Williams’ Triumphmoment kam bereits am vorletzten Sonntag, nachdem die
Kansas City Chiefs den Sieg gegen die Cincinnati Bengals und somit ihren
Finaleinzug klargemacht hatten. „Ich muss gestehen, ich hatte Wasser in den
Augen“, sagt der 67 Jahre alte 120-Kilo-Mann. Noch bevor er den Fernseher
ausschaltete, rief Williams seinen alten Kumpel „Shack Harris“ an und sagte
nur drei Worte: „Wir haben zwei.“ – „Ja, wir haben zwei“, erwiderte H…
während er ebenfalls mit den Tränen rang.
Die Rührung der beiden Männer entsprang einer historischen Begebenheit, die
für sie beide eine tiefe persönliche Bedeutung hat. [2][Doug Williams war
1988 der erste schwarze Quarterback], der einen Super Bowl gewann. Shack
Harris lief 1969 erstmals als schwarzer Quarterback in einer
NFL-Stammformation auf. An diesem Sonntag nun stehen sich mit Patrick
Mahomes und Jalen Hurts erstmals in der NFL-Geschichte zwei schwarze
Quarterbacks im Super Bowl gegenüber.
Doch die Freude für Williams, der noch immer als Berater in der NFL tätig
ist, ist nicht ungetrübt. Die Tatsache, dass es 35 Jahre seit seinem Erfolg
gedauert hat, bis zwei schwarze Quarterbacks im größten Spiel des Jahres
auf dem Platz stehen, stimmt ihn nachdenklich. Gerade einmal 11 der 32
Quarterbacks in der Liga sind schwarz. Der Gesamtanteil schwarzer Spieler
beträgt hingegen 70 Prozent. „Mindestens die Hälfte der Quarterbacks müsste
schwarz sein“, findet Williams.
## Fragen der Führungsstärke
Die Quarterback-Frage ist eine der Kernfragen in der Diskussion darum, wie
rassistisch der Footballsport eigentlich noch ist. Obwohl die Mehrheit der
Spieler Afroamerikaner sind, sind sie in Führungspositionen weiterhin
deutlich unterrepräsentiert. Lediglich drei Cheftrainer sind schwarz.
Sieben Afroamerikaner arbeiten als Manager bei den 32 Mannschaften. Auf
einen schwarzen Teambesitzer wartet der Football weiterhin.
Der Quarterback ist immer der Leiter und Lenker auf dem Platz. Es ist also
eine Führungsposition. Und die traut man bis heute nur begrenzt schwarzen
Spielern zu. „So viele Jungs haben nie eine Chance bekommen“, sagt Doug
Williams. „In der Liga herrschte immer die Mentalität – wir wissen nicht,
ob ein schwarzer Mann uns anführen kann.“
Davon kann Jalon Hurts, die große Offenbarung dieser Saison, ein Lied
singen. Schon seit seiner Collegekarriere muss er sich trotz seines
überragenden Talents mit Misstrauen gegenüber seinen Führungsqualitäten
herumschlagen. Im Finale um die Collegemeisterschaft im Jahr 2018 wurde er
erst in der Halbzeit eingewechselt. Ein Affront, dem er mit bemerkenswertem
Gleichmut begegnete.
Und als die Eagles ihn 2020 rekrutierten, rebellierten die Fans und die
Reporter vor Ort. Niemand traute ihm zu, die Kapitänsrolle auszufüllen.
Erst in dieser Saison reiht sich langsam die Sport-Community von
Philadelphia hinter ihm ein. Sein Jahresgehalt von 1 Million Dollar ist für
einen Spieler seines Kalibers jedoch noch immer ein Spott.
Die Quarterback-Frage ist freilich eng an die Trainerfrage geknüpft. „Es
gibt jetzt endlich eine junge Generation an Trainern, die Zutrauen in die
Führungsqualitäten schwarzer Spieler haben“, meint Williams. Doch der
Wandel ist zäh und noch lange nicht abgeschlossen. So hat sich die NFL im
Zuge ihrer Bemühungen, ihr tendenziell rassistisches Image aufzubessern, im
Jahr 2021 selbst dazu verpflichtet, für jeden Trainer- oder Managerposten
mindestens einen Angehörigen einer Minderheit zur Vorstellung einzuladen.
Mehrere Trainer und Trainerkandidaten berichteten jedoch, dass die
sogenannten Vorstellungsgespräche eine Farce seien. Die Besetzungen stünden
lange vor diesen Pseudobewerbungen fest.
## Angebote ans „Heartland“
Eine ähnlich fragwürdige Figur machte die NFL jüngst bei der Auszahlung von
Entschädigungen für ehemalige Spieler, die während ihrer Footballkarriere
traumatische Hirnverletzungen erlitten. Bei der Überprüfung kognitiver
Fähigkeiten, die über etwaige Ansprüche entscheiden sollte, wurden
getrennte Maßstäbe für schwarze und weiße Spieler angelegt. Die Parameter,
die von minderer geistiger Leistungsfähigkeit bei Afroamerikanern ausgehen,
stammen aus dem Dunkel einer zutiefst rassistischen Ära. Praktischerweise
sparten diese Tabellen der NFL jedoch auch einen Haufen Geld.
All das hinterlässt den Eindruck einer Liga, die sich gerade genug zu
Fragen der sozialen Gerechtigkeit bekennt, um Medien und Werbepartner nicht
zu verprellen, aber doch nicht so sehr, um die vorwiegend weiße
Anhängerschaft aus dem „Heartland“ bei der Stange zu halten. Einen
Eindruck, den Kenner der NFL teilen.
So hat der Sportkolumnist Dave Zirin in seinem Dokumentarfilm über die NFL
„Behind the Shield“ eindrucksvoll den tief sitzenden systemischen Rassismus
der NFL dargelegt, an dem auch „Social Justice“-Initiativen der Liga in der
Folge von Black Lives Matter vor zwei Jahren nichts ändern können. Seit in
Amerika Millionen gegen den Mord an George Floyd protestierten, bemüht sich
die Liga redlich, politisch aufgeklärt zu wirken. Man gibt Millionen Dollar
für lokale Initiativen aus, „die tiefen sozialen Probleme der USA“ zu
lösen. Es wird in großen Lettern „End Racism“ auf den Rasen geschrieben,
und die Halbzeitshow des letzten Super Bowl stand mit Snoop Dogg und Dr.
Dre ganz im Zeichen der HipHop-Kultur.
Zirin überzeugt das alles jedoch nicht sonderlich. „Das ist die alte
‚Zuckerbrot und Peitsche‘-Taktik“, sagt er. „Die gibt es, so lange es
Bosse und Arbeiter gibt.“ Zirin mag den in sauber abgesteckten Grenzen
erlaubten Athletenaktivismus nur im Zusammenhang mit dem anhaltenden
Berufsverbot für Colin Kaepernick sehen. Der schwarze
Super-Bowl-Quarterback, der mit seinem Kniefall vor sechs Jahren eine
globale Politisierung von Profisportlern auslöste, findet bis heute keine
Anstellung in der NFL.
Zirin glaubt, dass er auf diese Weise einen unschätzbaren Wert für die Liga
besitzt. „Er ist als mahnendes Beispiel unbezahlbar.“ Die Botschaft an die
anderen Spieler ist: Ihr dürft euch eine Parole auf den Helm schreiben,
wenn ihr ansonsten brav seid. Wer sich hingegen zu weit aus dem Fenster
lehnt, dem ergeht es wie Kaepernick.
Am systemischen Rassismus des Footballs ändert all das für Zirin nichts. An
der grundlegenden Dynamik etwa, dass weiße Besitzer zur Erbauung vorwiegend
weißer Fans vorwiegend schwarze Körper brutal aufeinander losgehen lassen,
habe sich nicht wirklich grundlegend etwas gewandelt. Darin ist der
Football, die amerikanischste aller Sportarten, wahrhaftig ein Abbild der
amerikanischen Gesellschaft. Im Kern ist die Attraktion des Sports nach wie
vor die Gewalt. In seinen Ursprüngen im späten 19. Jahrhundert war der
Football als Erziehungsmittel für junge Männer der Oberschicht gedacht,
denen die Erfahrung des Bürgerkriegs und der gewaltsamen Eroberung des
Westens fehlte. Im Football sollten sie durch die Gewalterfahrung zu
Männern werden. Der Preis dafür waren regelmäßige Todesfälle auf dem Feld.
Afroamerikaner waren bis nach dem Zweiten Weltkrieg weitestgehend von dem
Sport ausgeschlossen. Die „Redskins“ genannte Mannschaft aus Washington
weigerte sich gar bis 1962, schwarze Spieler zu beschäftigen. Doch seither
hat man entdeckt, dass die schwarzen Athleten dem Spektakel durchaus
zuträglich sind. Man kann sich an der Gewalt, der beliebtesten
Konfliktlösungsstrategie Amerikas, ergötzen, ohne dass weiße Körper in
Gefahr geraten. Die Feldherrenposition, also die des Quarterbacks, bleibt
hingegen nach Möglichkeit für weiße Spieler reserviert.
Die Frage, ob sich daran nun etwas geändert hat, weil am Sonntag zwei
schwarze Quarterbacks auflaufen, ähnelt ein wenig der Frage, ob bei der
Ermordung von Tyre Nichols in Memphis in der vergangenen Woche Rassismus im
Spiel war, obwohl die Polizisten, die ihn tot geprügelt haben,
Afroamerikaner waren. Das Spektakel der Gewalt bleibt das gleiche, die
Institution ist ungeachtet der Akteure rassistisch.
Auf die Ermordung von Nichols hat die NFL mit einem Statement des Bedauerns
reagiert. Bei der Super Bowl wird der Vorfall wohl nicht thematisiert. Es
sei denn, die Spieler knien bei der Hymne nieder, wie das einst Colin
Kaepernick tat. Es wäre eine Überraschung, denn in der NFL wird nicht mehr
gekniet. Der Einzige, der bei der letzten Super Bowl niederkniete, war
Eminem während der Halbzeitshow. Die NFL gab hinterher großzügig bekannt,
die Geste habe sie nicht weiter gestört.
Ebenso die Show vorm großen Spiel am Sonntag. An der Fliegerstaffel, die
überm Stadion die Macht der USA demonstriert, nehmen weibliche Piloten
teil, um den Beitrag von Frauen zum US-Militär zu würdigen. Weniger
martialisch wird die Flugshow dadurch nicht.
11 Feb 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Super_Bowl
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Xf2x3GI9y-g
## AUTOREN
Sebastian Moll
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