| # taz.de -- Die Wahrheit: Unter adligen Erbsen | |
| > Vor dem Entscheid zur Rückübertragung von Vermögenswerten an die | |
| > Hohenzollern. Ein Insider-Report aus dem Preußen-Haus. | |
| Bild: Preußenprinz und Gattin auf ihrer Hochzeit 2011 | |
| Eine schattige Allee, prächtige Villen, mit weißem Marmorkies belegte | |
| Auffahrten – hier wohnt Georg Friedrich Prinz von Preußen (46), Ururenkel | |
| des letzten deutschen Kaisers und Oberhaupt des Hauses Hohenzollern. Wir | |
| betätigen die Klingel, nahezu geräuschlos öffnet sich das eiserne Tor, das, | |
| wie wir später erfahren, aus im deutsch-französischen Krieg erbeuteten | |
| Rouladennadeln geschmiedet wurde. | |
| Wir gehen unter alten Bäumen entlang, an der Eingangstür empfängt uns der | |
| Prinz persönlich. „Wie Sie sehen, empfange ich Sie persönlich“, sagt er | |
| lächelnd. „Damit Sie erkennen, dass ich überraschend sympathisch wirke! | |
| Erwähnen Sie in Ihrem Beitrag doch bitte den augenfälligen Kontrast von | |
| altem Baumbestand und meiner frisch barbierten Erscheinung!“ | |
| Zwei junge, gleichwohl ausgewachsene Deutsche Doggen jagen an uns vorbei, | |
| mehrmals toben sie kreuz und quer durch die Eingangshalle. Einige mannshohe | |
| barocke Vasen gehen dabei zu Bruch, von einem Sockel stürzt die Büste von | |
| Kaiser Wilhelm II. zu Boden und zerschellt. | |
| ## Waidgerechte Schüsse | |
| „Das sind Auguste und Viktoria, die absoluten Lieblinge meiner Frau!“, sagt | |
| der Prinz sanft, greift nach einer Pistole und bereitet dem ausgelassenen | |
| Treiben mit zwei waidgerechten Schüssen ein Ende. „Nun ja, Doggen halten | |
| bei uns nie lange. Freunde nennen mich übrigens ‚Kaiserliche Hoheit‘!“, | |
| erklärt er, nachdem er das Personal angewiesen hat, für das Ehrenbegräbnis | |
| von Auguste und Viktoria den gesamten europäischen Hochadel einzubestellen, | |
| um dann zu ergänzen: „Aber Freunde habe ich nicht!“ | |
| Wir schlendern durch mehrere prachtvolle Räume mit kostbaren Möbeln, | |
| Gemälden und Teppichen. „Wie Sie sehen, wurde uns alles genommen“, | |
| erläutert der Prinz. „Okay – das ist englisch und bedeutet so viel wie all | |
| right –, wir schlafen nicht unter der Brücke, aber viel mehr als gesicherte | |
| Armut ist es nicht! Deshalb ist es nur gerecht, wenn wir das, was uns | |
| gestohlen wurde, in vollem Umfang zurückfordern!“ | |
| Könnten die Enteignungen etwas damit zu tun haben, dass Kronprinz Wilhelm | |
| als Hitler-Groupie eifrig bei der SA mitturnte? Georg Friedrich schüttelt | |
| den Kopf und erzählt einen Witz aus alten Zeiten: „Frage: Wie hoch ist der | |
| IQ der Kaiserlichen Familie? Antwort: 115,2 – wenn man den aller Mitglieder | |
| addiert!“ | |
| Wir lachen pflichtschuldig. Unser Gastgeber legt nach: „Mein Urgroßvater, | |
| der Kronprinz, war die Komma zwei. Der hielt die SA doch für eine | |
| Trachtengruppe und Hitler für den stellvertretenden Kostümwart! Und dafür | |
| sollen wir jetzt bestraft werden? Niemals, sage ich. Ich will alles zurück! | |
| Die Schlösser, die Kutschen, die Messerbänkchen. Und die Wachteleierbecher | |
| aus purem Porzellan!“ | |
| Die Monarchie auch? | |
| Für einen Moment wirkt der Prinz verdutzt. „Keine schlechte Idee“, murmelt | |
| er dann. „Ich fordere nicht die Wiedereinführung der Monarchie, sondern | |
| ihre Rückübertragung …“ | |
| Versonnen blickt er auf die Pistole, die er noch immer in der Hand hält. | |
| „Ein Geschenk von Großfürst Simsalabim dem Fünften. Ich habe sie gern | |
| dabei, wenn ich mit Journalisten spreche. Wo waren wir stehen geblieben?“ | |
| Vor einem aktuellen Familienfoto. Der Prinz mit seiner Familie und | |
| Dutzenden Verwandten. Gut, dass unser Gastgeber nicht weiß, was wir beim | |
| Anblick dieses buckligen Auflaufs denken. | |
| ## Genpool ohne Orchideen | |
| „Ich weiß genau, was Sie denken!“, sagt er aufgeräumt. „115,2! Aber wis… | |
| Sie: Ich denke ja dasselbe! Doch was erwarten Sie, wenn der Genpool seit | |
| Hunderten von Jahren unverändert ist? Wenn Sie immer nur Erbsen miteinander | |
| kreuzen, dürfen Sie keine Orchideen erwarten. Satz des Pythagoras! Aber | |
| kommen Sie doch bitte mit auf die Terrasse! Von dort aus kann man sehr gut | |
| die Stallungen stehen, in denen ich später meine Mätressen halten werde, | |
| artgerecht natürlich, mit Auslauf und Kletterfelsen. Nun los, Sie haben | |
| gewiss noch viele kritische Fragen vorbereitet! Die verflüchtigen sich doch | |
| viel besser an der frischen Luft!“ | |
| Die haben wir in der Tat, doch bevor wir die Gelegenheit ergreifen können, | |
| lässt sich Georg Friedrich unvermittelt auf den Boden fallen und schlägt | |
| einen Purzelbaum. „Die Prinzenrolle!“, erläutert er, noch auf dem Boden | |
| sitzend. „Einer muss sie schließlich übernehmen!“ Und dann verschwindet e… | |
| Purzelbaum um Purzelbaum schlagend, in den Weiten des Parks und lässt uns | |
| ratlos zurück. | |
| Und diesem Herrn von preußisch blauem Blut soll ein Riesenschatz übertragen | |
| werden? Diesem Tiefkühlgemüse aus dem Hause Hohenzollern? Der Alte Fritz | |
| hätte seinem nachkommenden Prinzlein nur eine Wahl gelassen: die | |
| Karrenstrafe. Steine ziehen, bis zum Abwinken. Wie meinte schon Immanuel | |
| Kant: „Der ehrliche Mann wählt den Tod, der Schelm aber die Karre.“ | |
| 8 Feb 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Niemann | |
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