# taz.de -- Die Wahrheit: Remis im Geschlechterspiel | |
> „Frauen an die Macht!“, lautet eine historische Parole. „Quare, quare, | |
> quare“, fragten da schon die alten Römer und T.C. Boyle hat die Antwort. | |
Bild: Ganz vorn auf der Jolle der Macht: Kleopatra Taylor | |
Die Parole „Frauen an die Macht!“ ist so alt wie die Macht, mindestens aber | |
so alt wie die Frau. Also nicht die Frau als eine konkrete Person, sondern | |
als Art. Oder Sorte? Soziales Konstrukt! Begriffslogisch setzt sie – die | |
Parole – erst einmal voraus, dass Frauen keine Macht haben. Denn wozu | |
sollte man etwas fordern, das man schon hat? | |
Ein Blick in die Vergangenheit, sei es ins Pleistozän, sei es in die | |
Antike, zeigt: Frauen gab es, Macht gab es, aber die einen kamen mit dem | |
anderen gar nicht erst in Berührung. Im Pleistozän sowieso nicht, da war | |
frau wegen zahlloser Eiszeiten mit Frösteln komplett ausgelastet. Doch auch | |
im wohltemperierten Rom: nur Konsuln und Quästoren, Senatoren und Cäsaren – | |
nichts als Männer, soweit das Auge blickt, und es blickt scharf! | |
„Wieso, weshalb, warum?“, darf man fragen beziehungsweise „Quare, quare, | |
quare?“, wie es der an Sprachspielereien wenig interessierte Lateiner | |
formuliert. Die Antwort lautet: Frauen hatten bescheiden zu sein und Kinder | |
zu gebären, das war das Leitbild, so stand es im Koalitionsvertrag, und | |
beides nicht nur, wenn es sie danach gelüstete, sondern fortlaufend | |
beziehungsweise immer wieder. | |
Wer zehn Kinder auf die Welt und diese zumindest hälftig durch den | |
Blockflötenunterricht bringen wollte, der hatte überhaupt keinen Sinn für | |
Macht oder die Frage, ob der Frühling eine geeignete Zeit war, um | |
Südfrankreich zu erobern oder irgendwo in Palästina einen Aquädukt zu | |
errichten. Mussten die Männer machen, und zwar allein. Allenfalls ein „Und | |
nichts überstürzen! Lasst Euch ruhig Zeit!“ riefen die Frauen den in die | |
Fremde ziehenden Haushaltsvorständen nach, mehr Einfluss nahmen sie nicht. | |
## Tote Konkurrenz | |
Wobei das so ganz nicht stimmt. Machte sich eine römische Oberschichtmutter | |
Hoffnungen darauf, dass ihr Sohn zum Kaiser ausgerufen werden könnte, | |
mischte sie gegen ebenfalls auf den Thron schielende Neffen, Halbbrüder und | |
Onkel gern kräftig mit, auf typisch weibliche Weise selbstverständlich, | |
also empathisch, kooperativ, solidarisch und so weiter, sowie: bescheiden. | |
Tot war die Konkurrenz am Ende trotzdem, aber das lässt sich halt manchmal | |
nicht vermeiden. | |
Nicht immer mussten Frauen aus dem Hinterzimmer heraus ihre Macht spielen | |
lassen; mitunter standen sie auch als IHK-geprüfte Machtfachwirtinnen ganz | |
vorn auf der Jolle: Hatschepsut und Kleopatra, Isabella von Kastilien und | |
Elisabeth I., Maria Theresia und Katharina die Große. Um nur einige Role | |
Models zu nennen. Im Ganzen fiele ihre Bilanz wohl gemischt aus, | |
vergleichbar mit Werder Bremen in der Bundesliga: Siege und Niederlagen | |
halten sich die Waage, dazu jede Menge Unentschieden, an die man sich eine | |
Stunde nach Abpfiff schon nicht mehr erinnern kann. | |
## Luft nach unten | |
Andererseits immerhin Werder Bremen! Und nicht SV Irgendwas 07 oder Hertha | |
BSC! Schlussfolgern lässt sich daraus allenfalls: Ob durch „Frauen an die | |
Macht“ irgendetwas besser werden würde, ist ungewiss. Sehr viel schlechter | |
aber auch nicht, weil nach unten kaum noch Luft ist, jedenfalls wenn man | |
sich so umhört. Es käme auf einen Versuch an! | |
Als einmal ein Fernsehteam den amerikanischen Schriftsteller T. C. Boyle, | |
der hier erstmals seit bestimmt 20 Jahren in einem deutschsprachigen Medium | |
nicht als „Kultautor“ bezeichnet wird, in seinem großen, rumpeligen | |
Holzhaus an der kalifornischen Küste besuchte, ihn dort über Tage hinweg | |
nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Einkaufen, Kochen, Wäsche | |
waschen, Holzhacken, Heizen und so weiter filmte und ihm schließlich | |
irgendwann die Frage stellte, wo eigentlich seine Frau die ganze Zeit sei | |
und was die so mache, antwortete er: „Wenn sie den ganzen Tag auf dem Sofa | |
liegt und Pralinen futtert, hat sie schon genug um die Ohren!“ | |
Dieser Karriereweg steht Frauen natürlich weiterhin offen. Und T. C. Boyle? | |
Der sah, unmittelbar nachdem er diesen Satz in die Kamera gesagt hatte, | |
ausgesprochen zufrieden aus. Hatte er doch allen, die ihn immer noch nicht | |
als „Kultautor“ bezeichnen mochten, subtil gezeigt, dass sie sich ins | |
Abseits manövrieren werden. | |
16 Feb 2024 | |
## AUTOREN | |
Robert Niemann | |
## TAGS | |
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