# taz.de -- Vier Jahre zur Probe: Gibts den auch im Schnupper-Abo? | |
> Egal ob Fitnessstudio oder Hörbücher, unsere Kolumnistin fällt auf jedes | |
> Probeabo rein. Ihren Kanzler muss sie aber noch eine ganze Weile | |
> behalten. | |
Bild: Ein Plakat zur Bundestagswahl 2021 von Olaf Scholz | |
Ich bin einer dieser Menschen, die zum Beifang von Abo-Aktionen gehören. An | |
keinem kostenlosen Schnupper-, Kennenlern- und Probe-Abo komm ich vorbei, | |
ohne zuzuschlagen. Ich gehöre aber eben zu der Prozentzahl, die immer | |
pauschal abgezogen wird, wenn bei Aktionsende gezählt wird, wie viele Abos | |
endgültig abgeschlossen wurden. Es ist jene Prozentzahl, die jene Leute | |
beziffert, die vergessen haben zu kündigen, es aber noch tun werden, sobald | |
sie merken, dass sie vergessen haben zu kündigen. | |
[1][Zum Beispiel zahle ich seit Oktober monatlich 36 Euro an ein | |
Fitnessstudio], in das ich bis heute keinen Fuß gesetzt habe. Erst kürzlich | |
entdeckte ich, dass ich zahlendes Mitglied eines Unternehmens für | |
körperliche Ertüchtigung bin, als ich zufällig mal in meinem Konto nachsah, | |
was da so ganz grundsätzlich los ist. Schlagartig erinnerte ich mich daran, | |
irgendwann irgendwo ein Häkchen im Internet gesetzt zu haben, wo | |
„Freitraining im Fitness-Hub“ dahinterstand und drunter was | |
Kleingedrucktes. | |
Meistens enden meine kostenlosen Abos so. Also damit, dass noch drei bis | |
sechs Monatsbeiträge fällig werden, ohne dass ich die Ware überhaupt in | |
Anspruch nehme. Weil eigentlich habe ich ja gar keine Lust, ins | |
Fitnessstudio zu gehen, gar keine Zeit, die Hörbücher eines zweiten | |
Hörbuch-Accounts zu hören und die täglichen Rezepte eines Starkochs | |
nachzukochen. Man kann ihnen aber gar nicht entkommen. | |
Wie die winzigen Stückchen Käse oder Brot, die auf Zahnstocher gepiekst auf | |
Ladentheken stehen und der kostenlose Vorgeschmack auf sündhaft teures Zeug | |
sind, verfolgen einen die Schnupper-Abo-Angebote für | |
Wasserkästenlieferungen, Internetspiele oder Gemüsekisten. Alles ist im Abo | |
erhältlich, alles auch erst mal zum Reinschnuppern. Und das Konzept | |
Schnupper-Abo ist durchaus überzeugend. Schließlich kaufe ich ja auch kein | |
Sofa, wenn ich nicht vorher probegelegen habe, kein Kleid, das ich nicht | |
vorher anprobiert habe. Leider kann man einen Arzt nicht erst mal | |
probeoperieren lassen, bevor man ihm erlaubt, an einem rumzuschnibbeln. | |
Aber was ist mit der Politik? Verfolgt die nicht auch längst das Konzept | |
Schnupper-Abo? Und ist das eigentlich eine gute Idee? | |
Es gibt recht viele Wähler, die wünschten, sie könnten ihre Wahl so | |
widerrufen wie die Bestellung einer Ware, die einem nach Ansicht doch nicht | |
gefällt. Eine Legislaturperiode funktioniert ja tatsächlich wie ein | |
Schnupper-Abo: Wenn einem nicht gefällt, was man gewählt hat, macht man | |
nach vier Jahren woanders sein Kreuz, gibt die Ware nach Ansicht zurück. | |
Nicht wenige aber, darunter Leute, die was von Demokratietheorie verstehen, | |
meinen, vier Jahre seien viel zu kurz. Politiker könnten sich null | |
entfalten, weil sie sich eigentlich ständig im Wahlkampf befinden müssen, | |
also im ständigen Schnupper-Abo-Aktions-Modus. Anstatt der Sache | |
angemessene Entscheidungen zu treffen, entschieden Politiker das, was sie | |
populär verkaufen könnten, damit die Wähler ihre Bestellung nicht | |
rückgängig machten. Beobachten lässt sich das zurzeit gut bei allen | |
Beteiligten des Wiederholungswahlkampfs in Berlin. | |
Ist es nun richtig, dass sich Politiker wie eine Abo-Abteilung ständig | |
bei den Wähler*innen melden, um sie mit irgendwelchen | |
Schnäppchenangeboten davon zu überzeugen, ihre Bestellung nicht zu | |
widerrufen? Wie wäre es mit Scholz im Schnupper-Abo? Könnte es sein, dass | |
ein gewisser Politikverdruss von diesem Schnupper-Abo-Modus kommt, der | |
einem ständig irgendwas verkaufen will? | |
Sicherheitshalber sollte man auf jeden Fall öfter die Kontoauszüge checken. | |
Nicht, dass man wieder aus Versehen was angekreuzt hat, für das man später | |
einen hohen Preis zahlt. | |
4 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Warten-aufs-Handy-Paket/!5903419 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
## TAGS | |
wochentaz | |
Olaf Scholz | |
Fitnessstudio | |
Kolumne Geraschel | |
Kolumne Geraschel | |
Kolumne Geraschel | |
Kolumne Geraschel | |
Empörung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Auslandsreisen als Insta-Story: Wir sind alle Opa Walter | |
Der Nachbar aus dem Südhessischen klärte bei Reisen die Daheimgebliebenen | |
gerne über Land und Leute auf. Manche Politiker erinnern mich an ihn. | |
Korruption, Investitionsstau, Niedriglöhne: Deutschland, einig Bananenrepublik | |
Filz, das war mal Markenzeichen der CDU/CSU. Jetzt mischt auch SPD vorne | |
mit. Deutschland ist auf dem Weg, Europas abgewetztes Sofa zu werden. | |
Warten aufs Handy-Paket: Nur noch zwanzig Stops | |
Unserer Autorin wurde das Handy geklaut. Nun versucht sie, ohne Handy ein | |
Handy zu kaufen – und verfolgt gebannt die DHL-Lieferung im Live-Tracker. | |
Tabu-Themen am Arbeitsplatz: Höhenangst in Vorwurfskaskaden | |
Reizthemen vermeiden, ist bei Freundschaften und in Kneipen manchmal von | |
Vorteil. Aber ein Verbot am Arbeitsplatz wie beim Facebook-Konzern? | |
Empörend. |