# taz.de -- Politischer Islam in Österreich: Ein Fehlschlag namens Luxor | |
> Österreichs Sicherheitsbehörden scheitern mit ihrem versuchten Schlag | |
> gegen den politischen Islam. Auch der Politologe Farid Hafez wurde nun | |
> entlastet. | |
Bild: Entlastet: Der Politikwissenschaftler Farid Hafez | |
Wien taz | Terroristische Vereinigung, staatsfeindliche Verbindung, | |
kriminelle Organisation, Terrorfinanzierung und Geldwäsche: All dies warf | |
man in Österreich vor zwei Jahren einer Reihe von muslimischen Verdächtigen | |
vor. Doch was als Schlag gegen den politischen Islam geplant war, hat sich | |
als Blamage für Österreichs Innenministerium entpuppt. | |
Wie am Dienstag bekannt wurde, haben die Behörden vergangene Woche auch die | |
Ermittlungen gegen eine der zentralen Figuren im Fokus der | |
Verfassungsschützer eingestellt. Es handelt sich um den | |
Politikwissenschaftler Farid Hafez, der als Autor des sogenannten | |
[1][Islamophobie-Reports] bekannt wurde und als Gastautor in der | |
Vergangenheit auch [2][für die taz] geschrieben hat. | |
Bei der „Operation Luxor“ waren am 9. November 2020 österreichweit rund 70 | |
Büros und Wohnungen von Personen durchsucht worden, die der | |
[3][Muslimbruderschaft] angehört oder ihr nahegestanden haben sollen. Sie | |
wurden verdächtigt, in die Planung von terroristischen Aktionen verwickelt | |
zu sein. | |
Inzwischen hat das Oberlandesgericht Graz, das mit der Prüfung der | |
Operation betraut wurde, die Razzien teilweise als rechtswidrig | |
qualifiziert. Gegen 31 der mehr als 100 Verdächtigen mussten die | |
Ermittlungen eingestellt werden. Die Entlastung von Hafez, der inzwischen | |
an der Georgetown University in Washington D.C. lehrt, ist nun der | |
Höhepunkt des behördlichen Scheiterns. | |
## Propagandaaktion der ÖVP | |
Verantwortlich für die „Operation Luxor“, die heute als Propagandaaktion | |
der konservativen ÖVP gesehen werden muss, ist der damalige Innenminister | |
und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer. Die Razzien fanden eine Woche nach | |
den [4][Terroranschlägen vom 2. November 2020] in Wien statt. | |
Die Operation war allerdings keine Reaktion auf den Terroranschlag. | |
Vielmehr waren die wochenlangen Planungen für sie ursächlich dafür, dass | |
die Verfassungsschützer keine Ressourcen hatten, um konkreten Hinweisen auf | |
eine bevorstehende Terrortat nachzugehen. Das stellte eine | |
Untersuchungskommission 2021 fest. Die Information des slowakischen | |
Geheimdienstes, dass ein einschlägig vorbestrafter Islamist in Bratislava | |
versucht hatte, Munition für eine Kalaschnikow zu kaufen, versandete in den | |
Kanälen der österreichischen Nachrichtendienste. | |
Um die „Operation Luxor“ war es zuletzt still geworden. Das | |
Innenministerium konnte keine Ermittlungsergebnisse kommunizieren – weil es | |
keine gab. Das Oberlandesgericht Graz konnte „kein Substrat“ erkennen, das | |
den Verdacht tragen würde, Hafez „habe sich als Mitglied an einer | |
terroristischen Vereinigung (insbesondere der Hamas), kriminellen | |
Organisation oder an einer auf Österreich bezogenen staatsfeindlichen | |
Verbindung beteiligt, derartige Personenverbindungen sonst auf irgendeine | |
Weise unterstützt oder terroristische Aktivitäten finanziert“, so der | |
Gerichtsbeschluss. Gegen 75 Personen wird noch ermittelt. Verhaftet wurde | |
niemand. | |
## Studien aus der Türkei bezahlt | |
Was der promovierte Politikwissenschafter Hafez aus dem | |
oberösterreichischen Ried im Innkreis in seinen Berichten als | |
„islamfeindlich“ einstuft, mag erstaunen: etwa ein Kommentar in den | |
Salzburger Nachrichten, in denen Muslime zur Gleichbehandlung von Töchtern | |
und Söhnen aufgefordert werden. | |
Hafez stieß sich auch am gesetzlichen Verbot von islamistischen | |
Terrorsymbolen und an Warnungen, unter Flüchtlingen könnten sich auch | |
IS-Kämpfer befinden. Bezahlt wurden manche Studien des Professors vom | |
türkischen Thinktank Seta, der als Propaganda-Organ von Staatspräsidenten | |
Erdoğan gilt. | |
Allerdings, so das Oberlandesgericht Graz, handele es sich bei den | |
Anschuldigungen um eine „Ansammlung bloßer Andeutungen, um Gerüchte und | |
Mutmaßungen.“ Hafez selbst vermutete im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal | |
am Mittwoch, dass er mundtot gemacht werden sollte, weil viele Politiker, | |
allen voran die der ÖVP, in seinen Berichten nicht gut weggekommen seien. | |
Seine Kinder seien noch immer traumatisiert vom gewaltsamen Eindringen | |
schwer bewaffneter Agenten der Spezialpolizei um 5 Uhr früh. | |
11 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.setav.org/de/tag/islamophobie/ | |
[2] /Farid-Hafez/!a54689/ | |
[3] /Repression-in-Aegypten/!5783766 | |
[4] /Terroranschlag-in-Wien/!5726039 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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