| # taz.de -- Zum Tod des Skandalkardinals George Pell: „Pell goes to hell“ | |
| > Kardinal George Pell, einst Nummer drei im Vatikan, ist tot. Der | |
| > Australier war wegen Kindesmissbrauchs verurteilt, später aber | |
| > freigesprochen worden. | |
| Bild: Kardinal George Pell während des Prozesses gegen ihn wegen Kindesmissbra… | |
| Sydney taz | Der australische Kardinal George Pell ist im Alter von 81 | |
| Jahren in Rom gestorben. Seinen Tod bestätigte der Erzbischof von Sydney, | |
| Anthony Fisher, in der Nacht auf Mittwoch auf seiner Facebook-Seite. Pell | |
| sei am Dienstagabend nach Komplikationen infolge einer lange geplanten | |
| Hüftoperation gestorben, berichtete unter anderem das vatikaneigene | |
| Medienportal „Vatican News“. | |
| Kardinal Pell sei „atemberaubend arrogant“, „gefühllos“ und „brutal�… | |
| hatte Richter Peter Kidd 2018 den Charakter des höchsten Katholiken | |
| Australiens zusammengefasst, als er diesen wegen Kindesmissbrauchs zu sechs | |
| Jahren Haft [1][verurteilte]. Es war eine Charakterisierung, die wohl jeden | |
| Menschen treffen würde, insbesondere einen Geistlichen. Nicht Pell. Seine | |
| fast zwei Meter hohe Statur sackte nicht etwa in sich zusammen. Im | |
| Gegenteil: der Kardinal demonstrierte weiter Dominanz und Macht, so wie er | |
| das seit Jahrzehnten getan hatte. Selbst in der Niederlage hatte er die | |
| Kontrolle. | |
| Als ranghöchster Vertreter der katholischen Kirche war er [2][zu sechs | |
| Jahren Haft verurteilt] worden, weil ihm vorgeworfen worden war, er habe | |
| 1996 als Erzbischof von Melbourne zwei jugendliche Chorknaben in einer | |
| Kathedrale belästigt. Er saß 404 Tage im Gefängnis. | |
| Dann kam der Schock, der unter Überlebenden sexuellen Missbrauchs durch den | |
| Klerus bis heute nachhallt: 2020 wurde Pell nach einer Berufungsverhandlung | |
| [3][freigesprochen]. Das Argument dieses Gerichts war, dass die | |
| Geschworenen, die Pell verurteilt hatten, nicht in Betracht gezogen hätten, | |
| er könne unschuldig sein. Auch gab es Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines | |
| psychisch belasteten Zeugen. | |
| ## Pell hatte großen Einfluss auf konservative Politik | |
| Unschuldig aber war Pell zumindest nicht in seinem Amt als führender | |
| Funktionär der katholischen Kirche. 2017 hatte eine Regierungskommission | |
| festgestellt, dass der Obergeistliche bereits in den siebziger Jahren von | |
| sexuellem Missbrauch durch seine Priester wusste, aber nichts dagegen | |
| unternommen hatte. Stattdessen verschob er die mutmaßlichen Kinderschänder | |
| von einer Gemeinde zur anderen, von einem potenziellen Opfer zum nächsten. | |
| Pell hatte entsprechende Vorwürfe immer zurückgewiesen. Doch der Druck der | |
| Öffentlichkeit wurde so groß, dass eine Untersuchung eingeleitet werden | |
| musste. Kein einfacher Entscheid gegen einen Mann, der fast bis zum Ende | |
| einen überragenden Einfluss auf die australische Politik hatte, ganz | |
| besonders auf deren konservative Seite. | |
| Was Pell sagte, floss in das Denken und Handeln konservativer Politiker | |
| ein. Für nicht wenige war er geistiges und geistliches Oberhaupt. Und am | |
| Schluss ein Märtyrer. | |
| Abtreibung beschrieb Pell als schlimmer als Mord. Homosexualität | |
| verurteilte er aufs Schärfste, als unnatürlich und als Sünde. Trans | |
| Menschen schien er zu verachten. Und er war ein vehementer | |
| Klimawandelleugner, der auf internationalen „Skeptiker“-Kongressen gefeiert | |
| wurde wie Jesus. | |
| ## „Karriere vor die Sicherheit der Kinder gestellt“ | |
| Was viele Australierinnen und Australier befremdete, war die Kälte, die er | |
| gegenüber Missbrauchs-Opfern und deren Angehörigen zeigte. Kein Verständnis | |
| für deren Leiden, für deren Bitten um Wiedergutmachung. Er fürchtete einzig | |
| um den Ruf der Kirche. | |
| Es muss kaum erstaunen, dass in den Stunden nach Bekanntwerden seines Todes | |
| die wenigen Zeichen von Trauer von der rechten Seite der australischen | |
| Politik kamen. Der frühere Premierminister Tony Abbott, selbst einst | |
| katholischer Priesteranwärter, bevor er in die Politik wechselte, | |
| bezeichnete die Vorwürfe gegen Pell und seine Inhaftierung als „moderne | |
| Form der Kreuzigung“. | |
| Sonst reagierte Australien mit einer Mischung aus Mitgefühl für die | |
| Angehörigen Pells, Gleichgültigkeit, Schadenfreude und purer Verachtung für | |
| den 81-jährigen. LGBTQI-Organisationen erinnerten daran, dass Pell | |
| homosexuellen Katholiken die Kommunion verweigert hatte. | |
| Der Autor und Pell-Experte David Marr meinte, Pell sei zwar hoch | |
| intelligent gewesen und habe es in die höchsten Stufen der katholischen | |
| Kirche geschafft. Aber er habe dabei „die Karriere vor die Sicherheit der | |
| Kinder“ gestellt. Eine Journalistin warnte, der Tod Pells könne bei | |
| Missbrauchsopfern weiteres Trauma auslösen. Die Stimmung in den | |
| australischen Sozialen Medien fasste am besten ein Kommentar auf Facebook | |
| zusammen: „Pell goes to hell“ – Pell fährt zur Hölle. | |
| 11 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Urs Wälterlin | |
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