| # taz.de -- Justiz und Klimaproteste: Eine Blockade und zwei Urteile | |
| > Für die gleiche Aktion gibt es am Amtsgericht Freiburg einen Freispruch | |
| > und eine Geldstrafe. Wieso, erklären die Richter:innen in ihren | |
| > Urteilen. | |
| Bild: Klimaaktivisten bei einer Blockade in Freiburg | |
| Freiburg taz | Dass die Strafbarkeit von [1][Sitzblockaden der Letzten | |
| Generation] von der Justiz nicht einheitlich gesehen wird, zeigen zwei | |
| Urteile, die das Amtsgericht Freiburg veröffentlicht hat. Für die gleiche | |
| Blockade bekam ein Teilnehmer einen Freispruch, ein anderer Teilnehmer eine | |
| Geldstrafe. | |
| Es war eine der ersten Blockaden in Freiburg. Am 7. Februar setzten sich | |
| morgens im Berufsverkehr 13 Aktivist:innen auf eine Brücke und | |
| blockierten den Verkehr über eine Stunde lang. | |
| Mehr als ein halbes Jahr später gab es am Amtsgericht Freiburg die ersten | |
| Gerichtsverhandlungen. Am 21. November wurde ein heute 31-jähriger | |
| NGO-Mitarbeiter [2][freigesprochen]. Das Urteil sorgte bundesweit für | |
| Aufsehen. Nur einen Tag später bekam ein 29-jähriger Lehramtsstudent eine | |
| Geldstrafe wegen Nötigung in Höhe von 40 Tagessätzen à 10 Euro aufgebrummt. | |
| Grund für die Divergenz: Es urteilten zwei unterschiedliche | |
| Richter:innen mit [3][unterschiedlichen Rechtsansichten]. Jetzt wurden | |
| die Begründungen veröffentlicht. | |
| Entscheidende Frage bei der Nötigung ist die „Verwerflichkeit“. Dabei kommt | |
| es auf das Verhältnis von Zweck und Mittel an. Bei Blockaden lautet die | |
| Frage: Ist die Versammlungsfreiheit höher zu bewerten als die | |
| Fortbewegungsfreiheit der Autofahrer:innen? Als Zweck der Blockade wird | |
| dabei aber nicht der Klimaschutz gesehen, sondern ganz abstrakt das | |
| „kommunikative Anliegen“, denn die politischen Fernziele einer Versammlung | |
| dürfen bei der Bewertung keine Rolle spielen. Das ist klare Vorgabe des | |
| Bundesverfassungsgerichts, das die Versammlungsfreiheit vor allem als Recht | |
| unbeliebter Minderheiten sieht. | |
| ## Behinderung und Versammlungszweck | |
| Bewertet wird stattdessen, ob der Versammlungszweck und die ausgelöste | |
| Behinderung in einem stimmigen Verhältnis stehen. Und hier unterschieden | |
| sich die beiden Urteile fundamental. So wurde der Freispruch damit | |
| begründet, dass Autofahrer „maßgeblich für den CO2-Ausstoß verantwortlich | |
| und damit Teil der Klimaproblematik“ seien. Die Blockade sei daher „nicht | |
| verwerflich“, so die Begründung des Freispruchs. | |
| Das zweite Urteil hielt diese Verknüpfung dagegen nicht für ausreichend. Es | |
| sei nur eine „zufällige Auswahl“ von Autofahrern blockiert worden „ohne | |
| Ansehung des genutzten Fahrzeugs und seines jeweiligen Emissionsausstoßes“. | |
| Letztlich gehe es um die Behinderung der Autofahrer „um der Behinderung | |
| selbst willen“. Diese „Instrumentalisierung“ der Autofahrer sei | |
| „verwerflich“, so die Begründung der Verurteilung. | |
| Der freisprechende Richter sagte schon im Gerichtssaal, es sei ihm bewusst, | |
| dass er hier eine Minderheitsmeinung vertrete. Auch die Staatsanwaltschaft | |
| hatte sofort angekündigt, dass sie Rechtsmittel einlegen werde. Beide | |
| Urteile sind noch nicht rechtskräftig. | |
| 6 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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