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# taz.de -- Regierungskrise in Israel: Netanjahu kramt in der Trickkiste
> Nach einem Urteil, das die Entlassung von Israels Innenminister fordert,
> sucht Netanjahu nach Auswegen. Kommt Arie Deri durch die Hintertür
> zurück?
Bild: Premierminister Netanjahu (re.) mit Innenminister Deri
Tel Aviv taz | Das Oberste Gericht Israels hat die Entlassung von Innen-
und Gesundheitsminister [1][Arie Deri] gefordert. Der Chef der
ultraorthodoxen Schas-Partei sei nicht für ein Ministeramt geeignet, weil
er im vergangenen Jahr wegen Steuervergehen zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt worden sei, befand das Gericht am Mittwoch. Am Donnerstag
forderte Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara Regierungschef Benjamin
Netanjahu auf, dem Urteil Folge zu leisten und Deri aus dem Kabinett zu
entlassen.
Das Urteil ist keine Überraschung, doch es bringt Netanjahu in die
Bredouille. Deri ist einer seiner wichtigsten Koalitionspartner. Dieser
kündigte an, die Entscheidung nicht zu akzeptieren: „Wenn sie die Tür vor
uns zuschlagen, werden wir durchs Fenster wieder einsteigen. Wenn sie das
Fenster schließen, werden wir durch die Decke einbrechen, mit Gottes
Hilfe.“
Nur wenige Wochen nach Amtsantritt ist Netanjahu nun eingekeilt zwischen
dem Obersten Gericht und seinen Koalitionspartnern. Auf Hochtouren muss er
jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um eine Lösung zu finden.Dass er das
Urteil ignoriert, ist nicht ausgeschlossen, gilt aber als nicht sehr
wahrscheinlich.
Stattdessen könnte die Regierungskoalition versuchen, Deri durch legale
Manöver zurück in die Regierung zu holen. Im Gespräch ist etwa, Deri den
Posten eines „alternierenden“ Ministerpräsidenten zu geben, was bedeutet,
dass er Netanjahu zu einem späteren Zeitpunkt als Regierungschef ablösen
würde.Doch auch dieser Schritt würde wohl wieder vor dem Obersten Gericht
landen.
## Abhilfe durch Justizreform
Für viele der Optionen, mit denen Deri ins Kabinett zurückgeholt werden
könnte, müsste die geplante Justizreform noch erweitert und verschärft
werden. Sie stößt in der Bevölkerung, in der Opposition und unter
Rechtsexpert*innen ohnehin auf Widerstand und hat eine [2][Welle von
Protesten] losgetreten.
Der umstrittenste Punkt ist die sogenannte Überstimmungsklausel, die Israel
in Richtung eines illiberalen politischen Systems wie in Ungarn oder Polen
brächte. Die Klausel würde es dem Parlament ermöglichen, das Gericht zu
überstimmen, wenn dieses ein Gesetz als grundgesetzwidrig zurückweist.
Diese geplante Klausel könnte möglicherweise auch auf das jüngste Urteil
des Gerichts angewandt werden, wobei bislang völlig unklar ist, ob sie auch
rückwirkend greifen wird.
Am vergangenen Samstag hatten sich 80.000 Israelis in Tel Aviv versammelt,
um gegen die Pläne zu demonstrieren. Nach den neuen Auseinandersetzungen im
Fall Deri dürften die Proteste, die von nun an jeden Samstag stattfinden
sollen, noch größer werden.
Deri durch die Hintertür wieder in die Regierung zu holen, wird Netanjahu
zudem zwingen, sich auf eine Auseinandersetzung mit den Gerichten
einzulassen. Das hat er, gegen den ein Gerichtsverfahren wegen
Korruptionsvorwürfen läuft, bislang zu vermeiden versucht.
19 Jan 2023
## LINKS
[1] /Regierungsbildung-in-Israel/!5897406
[2] /Proteste-gegen-Justizreform/!5906107
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Benjamin Netanjahu
Israel
Justizreform
Israel
Palästina
Kolumne Der rote Faden
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