# taz.de -- Twitter, Musk, Macht: Tritt Musk nun zurück? | |
> Musk fragte die Twitter-Community, ob er als Chef zurücktreten soll. | |
> Dabei weiß er um die Probleme dieses pseudodemokratischen Werkzeugs. | |
Bild: Die Zukunft von Twitter unter Elon Musk bleibt ungewiss | |
[1][Der Superreiche Elon Musk] hat in der Nacht auf Mittwoch [2][auf | |
Twitter geschrieben], dass er als Chef der Plattform zurücktreten werde, | |
„sobald jemand närrisch genug ist, den Job zu übernehmen“. Danach würde … | |
nur die Teams leiten, die sich um Software und Server kümmern. Noch am | |
Sonntag hatte Musk gesagt, dass es bisher keine*n geeignete*n | |
Nachfolger*in gebe – worauf hin sich einige Menschen direkt ins Spiel | |
brachten, [3][etwa Edward Snowden]. | |
Auch würde Musk mit der Aufgabe seines Postens als „Head of Twitter“ nicht | |
automatisch seine ganze Macht abgeben. Denn er ist vor allem Eigentümer des | |
Unternehmens und hat damit weitreichenden Einfluss auf die Führung der | |
Geschäfte. Wer nun also denkt, die digitale Öffentlichkeit auf der | |
Plattform sei den immer (rechts)populistischer agierenden Musk bald los, | |
ist vermutlich etwas zu optimistisch. | |
## Die Sache mit den „Umfragen“ auf Twitter | |
Musks Äußerung ist eine Antwort auf eine [4][Umfrage, die er selbst am 19. | |
Dezember auf Twitter gestartet hatte] und in der er öffentlich fragte, | |
[5][ob er als Chef von Twitter zurücktreten solle]. 57,5 Prozent der über | |
17 Millionen Stimmen standen am Ende bei „Ja“. Bei diesen | |
Pseudo-Abstimmungen auf [6][Twitter] gibt es jedoch immer wieder die | |
gleichen Probleme, die sie zu nichtrepräsentativen Umfragen machen. | |
Nicht alle Menschen, die auf der Plattform aktiv sind, beteiligen sich an | |
Umfragen, bekommen sie überhaupt zu sehen. Zudem können Menschen mehrere | |
Benutzer*innenkonten auf der Twitter haben – wie bei den meisten | |
Social-Media-Plattformen. Hinzu kommt die Gefahr von orchestrierten | |
Aktionen unterschiedlicher, oft aber rechter Intressengruppen, die dabei | |
gelegentlich auch Bots zuhilfe nehmen, also Accounts, die nicht menschlich | |
sind. | |
Musk weiß sehr gut um diese Probleme. Und er reagiert auf Menschen, die | |
noch weitere Probleme sehen, weil sie Verschwörungsglauben anhängen. So | |
etwa Kim Dotcom, einer der wichtigsten Internetgestalten der frühen 2000er | |
Jahre, die vor allem durch seine illegalen Streamingangebote Bedeutung | |
erlangte. [7][Dotcom schrieb auf Twitter]: „Es ist unklug, eine Umfrage wie | |
diese durchzuführen, wenn du gerade der Nummer-eins-Feind des Deep States | |
bist.“ Dotcom zeigt dabei klaren Verschwörungsglauben auf. Der „Deep State… | |
habe die größte Bot-Armee auf Twitter und würde diese gegen Musk einsetzen. | |
„Die Mehrheit (der Menschen) glaubt an dich“, so Dotcom. Außerdem hoffe er, | |
dass die Umfrage eine Falle sei, mithilfe derer Musk alle Menschen findet, | |
die gegen ihn sind. Musk bezeichnete diesen Vorschlag als „interessant“, | |
ebenso wie die Idee eines anderen Users, nur noch solche Nutzer*innen an | |
Umfragen teilnehmen zu lassen, die ein kostenpflichtiges Twitter-Abo | |
abgeschlossen haben. Der User geht davon aus, dass so nur noch Menschen, | |
keine Bots mehr an Umfragen teilnehmen könnten. | |
Obwohl Musk weiß, welche Probleme es mit Umfragen gibt, startet er immer | |
wieder Umfragen, mutmaßlich um Entscheidungen, die er bereits selbst | |
getroffen hat, pseudodemokratisch abnicken zu lassen. So hatte er etwa | |
schon vor seinem Twitter-Kauf im Oktober angekündigt, dass der Account des | |
ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump entsperrt werden würde, wenn er | |
Twitter-Chef wird. Trumps Account war wegen Desinformation und des | |
Verbreitens von Hass, insbesondere im Zuge des gewaltsamen Versuchs, am 6. | |
Januar 2021 das US-Kapitol zu stürmen, gesperrt worden. Später, als er dann | |
Twitter für 44 Milliarden Dollar gekauft hatte, ließ Musk tatsächlich | |
darüber abstimmen. Das Ergebnis: Trump soll zurück. | |
Und er ließ auch darüber abstimmen, ob jene [8][Journalist*innen, die Musk | |
erst vor Kurzem auf Twitter sperren ließ], wieder freigeschaltet werden | |
sollen. Diese Journalist*innen hatten im Vorfeld kritisch über Musk und | |
Twitter berichtet. Nach lautem Protest unterschiedlicher Medienhäuser, aber | |
auch von Politiker*innen und Institutionen ruderte Musk zurück und gab | |
die Konten wieder frei. Er zeigte mit der Aktion jedoch abermals, welche | |
Gefahr davon ausgeht, wenn eine für die Meinungsbildung wichtige Plattform | |
des Gedankenaustauschs ideologisch von einer einzelnen Person gesteuert | |
wird. | |
## Stress von Tesla | |
Auch im Falle der Umfrage zum Rücktritt dürfte die Entscheidung von Musk | |
schon vorher festgestanden haben. Zum einen hatte er bereits vor der | |
Übernahme des Chef-Postens gesagt, dass dies nur eine Übergangslösung sei. | |
Erst vergangenen Montag hatte er erkärt, dass er davon ausgehe, dass er | |
seine Arbeitszeit bei Twitter reduziere und die Führung abgebe. | |
Zum anderen – so die Vermutung von vielen Beobachter*innen – hat Musk | |
vermutlich Druck vom Elektroautohersteller Tesla und der Satellitenfirma | |
SpaceX bekommen. Denn auch diese Unternehmen führt Musk und Tesla steckt | |
seit Wochen in einer Krise, die Aktien sind stark gesunken. Manche | |
Aktionäre von Tesla haben sich öffentlich beschwert, wie wenig Zeit Musk | |
für den Autohersteller aufbringt – wegen Twitter. | |
Musk hatte Twitter Ende Oktober widerwillig für 44 Milliarden Dollar | |
gekauft. Im Frühjahr hatte er den Kauf angekündigt, sich mit Twitter | |
geeinigt, wollte dann aber doch zurückrudern. Wegen einer Abmachung mit | |
Twitter wäre das aber nur nach einem Gerichtsverfahren möglich gewesen, bei | |
dem Musk keine großen Chancen zugestanden wurden. | |
Direkt nach seiner Übernahme hat Musk einige fragwürdige Entscheidungen | |
getroffen. So hat er die Führungsrige direkt entlassen, kurze Zeit später | |
[9][über die Hälfte der Belegschaft], auch im Technikbereich. Zudem hat er | |
die Zahl der Server abgebaut. Dass er nun genau diese Teams übernehmen | |
will, wirkt umso abstruser. Zusätzlich zu wirtschaftlichen und technischen | |
Veränderungen kommen einige, die starke gesellschaftliche Auswirkungen | |
haben, wie die bereits erwähnten Account-Sperren, Änderungen im | |
Moderationsverhalten und damit verbundene stärkere Präsenz von rechten | |
Accounts und Aktionen. | |
21 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Elon-Musk-und-Twitter/!5900644 | |
[2] https://twitter.com/elonmusk/status/1605372724800393216 | |
[3] https://twitter.com/Snowden/status/1604628658852970496?cxt=HHwWgIC-9e7Q5MQs… | |
[4] https://twitter.com/elonmusk/status/1604617643973124097 | |
[5] /Umfrage-zu-Chefposten-bei-Twitter/!5903234 | |
[6] /Twitter-/-X/!t5008995 | |
[7] https://twitter.com/KimDotcom/status/1604810383646027776 | |
[8] /Twitter-sperrt-Journalistinnen/!5903025 | |
[9] /Ex-Twitter-Mitarbeiter-ueber-Entlassungen/!5897107 | |
## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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