# taz.de -- Böllerverbot an Silvester in Berlin: Den Knall noch nicht gehört | |
> In seltener Eintracht fordern Grüne und Polizeigewerkschaft ein | |
> Böllerverbot in Berlins Innenstadt. Die Innensenatorin will nur drei | |
> Verbotszonen. | |
Bild: Rumms: Silvester am Mehrinplatz in Kreuzberg | |
BERLIN taz | Böllern verbindet – das gilt nicht nur für die, die es an | |
Silvester mit den Nachbarn um die Wette krachen lassen, sondern auch für | |
jene, die das Spiel mit dem Feuer grundsätzlich ablehnen. In Berlin haben | |
sich nun in seltener Eintracht die Grünen und die Gewerkschaft der Polizei | |
(GdP) für ein weitgehendes Verbot von privatem Feuerwerk zum Jahreswechsel | |
ausgesprochen. | |
Dieses Verbot sollte innerhalb des S-Bahnrings gelten, sagte GdP-Sprecher | |
Benjamin Jendro der taz. Diese Vorgabe sei klar und für jeden verständlich. | |
„Wir hatten im letzten Jahr in Berlin mehr als 50 Böllerverbotszonen, die | |
weder kontrollierbar waren noch wirklich nachvollziehbar für die | |
Bürgerinnen und Bürger.“ Der grüne Innenexperte Vasili Franco unterstützt | |
das: Es brauche klar erkennbare Grenzen, wo Verbotszonen endeten. „Das wäre | |
mit der Regelung eines Verbots innerhalb des S-Bahnrings möglich“, so | |
Franco zur taz. | |
Die letzten beiden Jahreswechsel waren von der Coronapandemie überschattet. | |
Der Bund hatte den Verkauf von Feuerwerkskörpern, die nicht für Menschen | |
unter 18 Jahren freigegeben sind, untersagt. Darüber hinaus hatte Berlin | |
2021 mehr als 50 Böllerverbotszonen ausgewiesen, die für jene galten, die | |
noch Reserven gebunkert oder welche aus dem Ausland (illegal) importiert | |
hatten. Die sonst übliche Dauerbeböllerung in der Silvesternacht fiel | |
deutlich dezenter aus. | |
Ziel der Verbote war auch, die Krankenhäuser nicht noch stärker zu | |
belasten. Auch ohne neue Coronawelle sei diese Begründung aktuell: | |
„Angesichts des Dauer-Ausnahmezustandes beim Rettungsdienst gilt dieses | |
Argument dieses Jahr erst recht“, sagt Franco. | |
## Mehrheiten für ein Böllerverbot | |
Dass Verbote in dieser Hinsicht etwas bringen, haben die letzten beiden | |
Jahreswechsel gezeigt, betont Franco. „Es gab an Silvester deutlich weniger | |
Notrufe und Einsätze sowie deutlich weniger verletzte Einsatzkräfte. Wir | |
haben also den konkreten Nachweis, welche positiven Folgen ein Böllerverbot | |
hat.“ Das zeige sich auch in Umfragen: „In der Bevölkerung gibt es eine | |
zunehmende Mehrheit für ein solches Böllerverbot für Privatpersonen.“ | |
Auch bei der GdP sieht man diesen Mentalitätswandel: „Die Bereitschaft, | |
aufs Böllern an Silvester zu verzichten, ist in den letzten Jahren immer | |
weiter gewachsen“, sagt Sprecher Jendro. Vielleicht komme man in „ein paar | |
Jahren“ dahin, dass es ausschließlich organisierte Veranstaltungen dafür | |
gibt. | |
Doch so weit ist es längst noch nicht. Die für ein bundesweites | |
Verkaufsverbot zuständige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dies für | |
2022 bereits abgelehnt. Dieses wirksamste Mittel für ein Ende der privaten | |
Knallerei, unter anderem von den Berliner Grünen und von Umweltverbänden | |
gefordert, ist damit – zumindest vorerst – vom Tisch. | |
Auch in der Innenverwaltung von Senatorin Iris Spranger (SPD) plant man mit | |
deutlich weniger Auflagen als in den vergangenen beiden Jahren. Bleibt es | |
dabei, könnte erstmals seit dem Jahreswechsel 2019/20 wieder umfassend | |
geknallt werden, außer im Bereich der Silvesterfeier am Brandenburger Tor | |
und den aktuell drei von der Innenverwaltung geplanten | |
Pyrotechnikverbotszonen. Letztere werden mit dem Allgemeinen Sicherheits- | |
und Ordnungsgesetzes (Asog) begründet. Sie sollen am Alexanderplatz, im | |
Schöneberger Steinmetzkiez und in Alt-Moabit eingerichtet werden. Dies | |
teilte Thilo Cablitz, Sprecher der Innenverwaltung, auf taz-Anfrage mit. | |
## Verbotszonen haben sich bewährt | |
Cablitz verwies darauf, dass sich die bereits in früheren Jahren | |
ausgewiesenen Böllerverbotszonen am Alexanderplatz und im Steinmetzkiez | |
„bewährt“ hätten. Hier sei es in den vorherigen Jahren immer wieder zu | |
Feuerwerksverletzungen, körperlichen Auseinandersetzungen, Angriffen auf | |
Rettungs- und Einsatzkräfte bis hin zu Landfriedensbrüchen gekommen. Ganz | |
spruchreif seien die drei Verbotszonen aber noch nicht. Die | |
„Abstimmungsprozesse“ zwischen Innenverwaltungen und Polizei liefen noch, | |
so der Sprecher. | |
Den Grünen reichen diese drei Zonen nicht aus. „Die Ausweitung der | |
Böllerverbotszonen auf weitere Bereiche wäre sinnvoll, sei es die | |
Sonnenallee, am Gesundbrunnen oder die Frankfurter Allee“, sagt Vasili | |
Franco. Noch besser sei natürlich ein generelles Böllerverbot innerhalb des | |
S-Bahn-Rings. | |
Das könnte die Berliner Polizei „selbstverständlich“ nicht flächendeckend | |
kontrollieren, gibt GdP-Sprecher Jendro zu. Aber es wäre ein Anfang, dass | |
„alle Menschen verbindlich wissen, dass wenn sie Pyrotechnik in diesem | |
Bereich zünden, sie Grenzen übertreten und im Zweifelsfall zur Kasse | |
gebeten werden“. | |
Wird es also noch eine Ausweitung der Verbotszonen geben? Die | |
Innenverwaltung verweist darauf, dass dies – etwa mit Verweis auf das | |
Infektionsschutzgesetz – aktuell nicht möglich sei. Bei der GdP gibt man | |
dennoch die Hoffnung nicht auf. Man habe das Thema bereits im November | |
angesprochen und sei daher „vermutlich Behördenleitung und Politik etwas | |
voraus“ gewesen. Aber: „Die Gespräche laufen.“ | |
9 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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