Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jugend protestiert in Mongolei: Gegen Korruption mit Kohle
> In der Hauptstadt Ulan Bator protestieren junge Menschen gegen massiven
> Kohleschmuggel nach China. Das setzt Regierung und Parlament unter Druck.
Bild: Ein Demonstrant schwenkt am 5. Dezember vor dem Regierungspalast die mong…
Berlin taz | Auf dem Sukhbaatar-Platz im Zentrum der mongolischen Hauptadt
Ulan Bator demonstrieren seit letztem Sonntag täglich mehrere hundert bis
einige tausend junge Menschen bei Temperaturen von unter minus 20 Grad
gegen Korruption, Perspektivlosigkeit und Wirtschaftskrise. Am Montag
hatten einige Demonstranten versucht, in den Regierungspalast einzudringen,
wurden aber von den Sicherheitskräften gestoppt.
In dem massiven Gebäude sind die Büros des Staatspräsidenten, des
Regierungschefs und das Parlament untergebracht. Bis zu 13 Polizisten
wurden verletzt, als die Demonstranten überraschend Absperrgitter
niederrissen, wie Aufnahmen vom Platz in den sozialen Medien zeigten.
Am Montagabend war das Parlament zu einer Online-Sitzung zusammengekommen
und hatte sogar über die Verhängung des Ausnahmezustands mit dem Nationalen
Sicherheitsrat diskutiert, der aus Präsident, Parlamentssprecher und
Premierminister besteht. Doch am Ende wurde entschieden, den
Ausnahmezustand vorerst nicht zu verhängen. Da hatte sich der Protest auf
dem zentralen Platz zunächst weitgehend aufgelöst.
Doch gehen die Proteste weiter. Premierminister Luvsannamsrain Oyun-Erdene
von der dominierenden Mongolischen Volkspartei (MVP) sprach am Mittwoch
eine Stunde direkt mit den Demonstran:innen auf dem Platz. Seine
Aufforderung, der Regierung zu vertrauen, die massive Korruption beim
Export von Kohle nach China aufzuklären und Verantwortliche zu belangen,
konnte aber die Gemüter nicht beruhigen. Und am Donnerstag demonstrierten
mehr Menschen als an den Tagen zuvor, am Wochenende könnten es noch mehr
werden.
## Massiver Widerspruch in der Statistik des Kohlehandels
Vor zwei Monaten war bekannt geworden, dass die südlich der Mongolei
gelegene Volksrepublik China nach ihrer Handelsstatistik viel mehr Kohle
von dort importiert als die offiziellen mongolischen Ausfuhrzahlen angeben.
Entsprechende Gerüchte über massiven mongolischen Kohleschmuggel kursierten
schon seit Jahren.
Bis zu 385.000 Tonnen Kohle sollen am mongolischen Fiskus vorbei exportiert
worden sein, hauptsächlich vom Bergbauunternehmen Erdenes Tavan Tolgoi. Da
solche Mengen aus dem staatlichen Berbau nur mit großem logistischen
Aufwand exportiert werden können, wird dahinter ein millionenschweres
Korruptionsnetzwerk aus Bergbaumanagern, Transportunternehmern und Zöllnern
mit guten Verbindungen in die Politik vermutet.
Über Tage kursierten Informationen, dass die Regierung die Namen von 20 bis
30 beschuldigten Personen nennen wollte, berichtet Benedikt Ivanovs der
taz. Er leitet das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Ulan
Bator und beobachtet die lokale Politik. Doch als die Regierung dann aber
doch keine Namen nannte, habe dies die Proteste ausgelöst, so Ivanovs. Die
Demonstranten fordern Namen, Aufklärung und die Auflösung des Parlaments.
Hintergrund der Proteste seien die angespannte wirtschaftliche Lage und die
geringen beruflichen Perspektiven junger Menschen bei gleichzeitiger
Empörung über die Selbstbedienung von Politikern. Erst habe die Mongolei
stark unter der Corona-Pandemie gelitten, dann trafen die Auswirkungen von
Moskaus Krieg gegen die Ukraine das zwischen Russland und China gelegene
Land schwer. Mittlerweile beträgt die Inflation mehr als 15 Prozent.
## Jugend sucht Perspektiven und Gerechtigkeit
„Die jungen Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie und seine
Institutionen“, fürchtet Ivanovs. „Sie erleben, dass der natürliche
Reichtum des Landes ungleich verteilt ist.“ Dass es jetzt sogar im Winter
zu Protesten komme, sei sehr ungewöhnlich, normalerweise werde vor allem im
Frühsommer protestiert. So habe sich schon im April bei Demonstrationen die
Unzufriedenheit gezeigt. Organisierte Kräfte seien hinter den Protesten
jetzt jedoch noch nicht zu erkennen.
Die extrem dünn besiedelte Mongolei mit nur 3,2 Millionen Einwohnern, von
denen die Hälfte in der Hauptstadt leben, ist zwischen Russland und China
eingeklemmt. Wurde das sozialistisch regierte Land bis zum Ende der
Sowjetunion politisch von Moskau bevormundet, gehen heute 86 Prozent seiner
Exporte nach China, die Hälfte davon Kohle. Drei neue Eisenbahnlinien
sollen den Handel mit China weiter forcieren. Zugleich bleibt die Mongolei
von russischen Energielieferungen abhängig.
Das Land habe sich seit Anfang der 1990er Jahre recht erfolgreich
demokratisiert, bilanziert Ivanovs. Doch der [1][Rohstoffreichtum], der die
wirtschaftliche Transformation des einstigen Agrarstaates erst möglich
mache, berge von Klimagefahren bis Korruption seine ganz eigenen Probleme.
8 Dec 2022
## LINKS
[1] /Deutsche-Rohstoffstrategie/!5627978
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Mongolei
Schwerpunkt Korruption
Protest
Kohle
Schwerpunkt Korruption
Mongolei
Mongolei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Korruptionsskandal im EU-Parlament: Kaili soll Steuern hinterzogen haben
Seit Sonntag sitzt die suspendierte Vizepräsidentin des EU-Parlaments im
Gefängnis. Offenbar ermitteln auch griechische Behörden gegen sie.
Präsidentschaftswahl in der Mongolei: Macho mit Traditionsbewusstsein
Ukhnaa Khurelsukh ist neuer Präsident der Mongolei. Er zeigt sich auch mal
mit nacktem Oberkörper und Jagdgewehr. Sein Vorbild ist offensichtlich.
Präsidentschaftswahl in der Mongolei: Urnengang inmitten der Coronawelle
In der Mongolei dürfte die regierende Volkspartei die Präsidentschaftswahl
gewinnen. Das könnte Folgen für das demokratische Gleichgewicht haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.