Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Doping in Kenia: Komplexe Verbrechen
> Kenia hat ein massives Dopingproblem. Allein in diesem Jahr wurden 60
> Leichtathlet:innen wegen der Einnahme leistungssteigernder Mittel
> gesperrt.
Bild: Nun für fünf Jahre gesperrt: Purity Rionoripo, in Paris wurde sie 2017 …
Ababu Namwamba hat's nicht leicht dieser Tage. Der Jugend- und
Sportminister Kenias war in diesem Oktober kaum in sein neues Amt gewählt
worden, da musste er schon die ersten Brandherde löschen. Bei einem Treffen
[1][mit Fifa-Präsident Gianni Infantino] erörterte er die Aufhebung des
Banns, unter dem Kenia momentan im Weltfußball steht.
Kenianische Regierungsvertreter hatten sich in unzulässiger Weise ins
Fußballgeschäft eingemischt. Kurz darauf schlichtete Namwamba in einem
ausufernden Streit innerhalb des nationalen Rugby-Verbandes. Doch die
heikelste Herausforderung sollte auf den 46-jährigen in den USA
ausgebildeten Anwalt für Menschenrechte erst noch warten – die regelrechte
Doping-Explosion in Kenias wichtigster Sportart: der Leichtathletik.
Als Anfang dieser Woche bekannt wurde, dass die Marathonläuferinnen Diana
Kipyokei und Purity Rionoripo wegen Dopings von der Athletics Integrity
Unit (AIU) ausgeschlossen wurden, war die 60 sozusagen voll. So viele
kenianische Spitzenläufer und -läuferinnen sind bislang im Jahr 2022 wegen
des Konsums verbotener leistungssteigernder Mittel aus dem Verkehr gezogen
worden. [2][Nur in Russland] (102) und Indien (61) gab es Anfang Dezember
mehr wegen Dopings suspendierte Sportler.
Ein beinahe flächendeckendes Dopingproblem hat sich im Land der stärksten
Mittel- und Langstreckensportler/-innen aufgetan. Eines mit krimineller
Energie, wie Sportminister Namwamba meint.
## Agenten, Trainer und Ärzte beteiligt
„Ich glaube, wir müssen Doping kriminalisieren und den Umgang mit
Dopingmitteln auf das gleiche Niveau wie Betäubungsmittel heben“, kündigte
Namwamba an. Ein einfaches Anti-Doping-Gesetz wie jenes, das 2016 in Kenia
eingeführt worden war, reiche nicht mehr aus. „Unsere ersten Untersuchungen
zeigen, dass sie in der Leichtathletik ein sehr komplexes
Untergrundsyndikat haben. Daran sind Agenten, Trainer und Ärzte beteiligt,
sodass mehrere Instrumente eingesetzt werden müssen, um dieses Syndikat
aufzulösen“, sagte der in Uganda geborene Kenianer. Allerdings: Die
Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat sich vor einigen Jahren gegen
Gefängnisstrafen und die Kriminalisierung von Dopingsündern ausgesprochen.
Dieser Standpunkt ist bis heute aktuell.
Die Häufung der Fälle in Kenia ist indes kaum ein Zufall. Sie ist zum einen
darauf zurückzuführen, dass [3][nach zwei Jahren Pandemie] wieder
Kontrolleure ins Land kamen. Und zweitens wohl auch darauf, dass
verbesserte Kühlungs- und Transportmöglichkeiten erst die Untersuchung von
in Kenia abgenommenen Blutproben möglich machten. Bis vor wenigen Jahren
konnte dort quasi nach Belieben geschaltet und gewaltet werden.
Dazu kommt noch, dass der Weltverband World Athletics (WA) 2017 eine eigene
Organisation (Athletics Integrity Unit) gegründet hat, um Doping den Kampf
anzusagen.
Außerdem sicherte Namwamba in einem Brief an Sebastian Coe, Präsident des
Internationalen Leichtathletik-Verbandes World Athletics, eine massive
finanzielle Offensive im Anti-Doping-Kampf Kenias zu. „Sie haben 25
Millionen US-Dollar für die nächsten fünf Jahre im Kampf gegen Doping
versprochen“, berichtete Coe der BBC Anfang Dezember. Damit verhinderten
Namwamba und seine Leute offenbar einen drohenden Ausschluss aus dem
Verband.
Während die hohe Anzahl der überführten Athleten durchaus für ein
professionelles Dopingnetz in Kenia spricht, lassen ans Tageslicht
gekommene Details eher stümperhaftes Verhalten der Athleten und Athletinnen
samt ihren Hinterleuten vermuten. So versuchte Diana Kipyokei, die 2021 den
namhaften Boston-Marathon gewonnen hatte, die nachgewiesene Benutzung
verbotener entzündungshemmender Medikamente mittels einer gefälschten
Krankenhausakte zu entkräften. Ähnlich Purity Rionoripo: Die 29-Jährige,
die 2017 beim Paris-Marathon triumphiert hatte, behauptete, lediglich
Medikamente zur Linderung einer Knöchelverletzung zu sich genommen zu
haben. Bewiesen wurde der später Geständigen, dass sie ein Rezeptformular
aus dem Krankenhaus gefälscht hat, um über eine Apotheke ein
leistungssteigerndes Mittel beziehen zu können.
Kenia gehört zu den sieben Ländern, die von der AIU als Verband der
„Kategorie A“ eingestuft wurden – dem höchsten Dopingrisiko -, was
bedeutet, dass sich Athleten aus den Ländern in den zehn Monaten vor einem
Großereignis mindestens drei Tests unterziehen müssen, um dort antreten zu
können.
Ein Ausschluß durch World Athletics und die AIU wäre ein schwerer Schlag
für den Ruf der kenianischen Leichtathletik, die 34 ihrer 35 olympischen
Goldmedaillen bei Leichtathletik-Veranstaltungen gewonnen hat. Das
kenianische Nationale Olympische Komitee erklärte, das Land habe eine
„erhabene Geschichte“ im Sport aufgebaut und man sei „nicht bereit, diesen
Ruf aufgrund der Gier einiger weniger Akteure zu opfern“.
21 Dec 2022
## LINKS
[1] /Bizarre-Rede-von-Fifa-Chef-Infantino/!5894100
[2] /Sportnation-Russland/!5899375
[3] /Doping-waehrend-Corona/!5711095
## AUTOREN
Olaf Jansen
## TAGS
Doping
Kenia
Leichtathletik
Kolumne Press-Schlag
Eishockey
Leichtathletik
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Boykott Katar
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Krise im Antidopingkampf: Die Wada kann’s nicht mehr
Die USA stoppen den Geldfluss zur Behörde der Antidopingkämpfer. Eine
längst überfällige Aktion, denn in der Wada ist nicht mehr drin, was
draufsteht.
Doping im Eishockey: Stopp auf dem Weg zum Rekord
Eishockeyprofi Yannic Seidenberg wird Doping mit Steroiden vorgeworfen.
Seit September ist er suspendiert.
Leichtathletik-Hallen-EM in Istanbul: Begrenztes Interesse
Bei der Leichtathletik-Halleneuropameisterschaft wird Sport vom Feinsten
zelebriert. Aber die Ränge bleiben in Istanbul zumeist leer.
Sportnation Russland: Der lange Weg zurück zu Olympia
Das IOC strebt eine Rückkehr russischer Sportler zu Wettbewerben an. Ein
Bann endet nun, die Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs dauern an.
Deutsche Gewichtheberinnen bei WM: Heben für das Selbstbewusstsein
Nina Schroth und Lisa Marie Schweizer heben bei den WM in Bogotá Gewichte.
Dabei geht es auch um die immer schwierigere Qualifikation für Olympia.
Kenias Trainer hat manipuliert: Gepinkelt und betrogen
Schon wieder fallen die Kenianer in Rio unangenehm auf. Trainer John Anzrah
gibt seinen Urin für 800-Meter-Läufer Ferguson Rotich ab.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.