| # taz.de -- Nachhaltiger Weihnachtsbaum: Es grünt nicht ganz so grün | |
| > Weihnachtsbäume haben keine gute Umweltbilanz. Ein Unternehmer hat daher | |
| > eine Idee: gemietete Nadelbäume als Öko-Alternative. Ist das sinnvoll? | |
| Bild: Durfte draußen bleiben: geschmückter Weihnachtsbaum im Wald | |
| Berlin taz | Weihnachten naht in großen Schritten. Immer wieder erzählen | |
| Freund:innen, Verwandte, sogar Fremde, die sich in der Bahn unterhalten: | |
| „Wir haben jetzt doch einen Weihnachtsbaum gekauft.“ Es klingt, als sei das | |
| nicht (mehr) selbstverständlich. Meldet sich da in der Adventszeit das | |
| schlechte Öko-Gewissen? | |
| Andreas Frädrich verkauft in Berlin und Umgebung Weihnachtsbäume im Topf. | |
| Die Idee: Für die weihnachtliche Tradition müssen [1][keine Bäume gefällt] | |
| werden. Frädrichs Kund:innen können die Pflanzen, meist beliebte | |
| Nordmanntannen, nach den Festlichkeiten zurückgeben. Oder sie pflanzen sie | |
| selbst ein, wenn der Garten Platz für einen Waldbaum bietet, der bis zu 30 | |
| Meter hoch wachsen kann. Je nach Größe liegen die Mietkosten der Bäume | |
| zwischen 20 (80 Zentimeter) und 100 Euro (zwei Meter) plus Pfand. „Die | |
| Leute haben keine Lust mehr auf die Müllberge“, sagt Frädrich und meint die | |
| Haufen der trockenen Nadelbäume, die ausgedient haben und entsorgt werden | |
| müssen. | |
| Trotzdem gehen in Deutschland laut dem Bund für Umwelt- und Naturschutz | |
| (BUND) jährlich zwischen 26 und 30 Millionen geschlagener Weihnachtsbäume | |
| über die Ladentheke. Zwar stammen die meisten dieser Bäume aus Deutschland | |
| – allerdings nicht etwa aus heimischen Wäldern, sondern aus | |
| Intensivplantagen. | |
| Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gibt es in Deutschland | |
| Weihnachtsbaumkulturen auf ganzen 20.100 Hektar landwirtschaftlicher | |
| Flächen. Ein Hektar Weihnachtsbaumkultur bindet pro Jahr circa 14 Tonnen | |
| CO2, so der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger (BVWE) – das | |
| entspricht in etwa der Speicherleistung eines Hektar Waldes. Wenn die Bäume | |
| entsorgt werden, entweicht das CO2 wieder. Hinzu kommen die Umwelt- und | |
| Klimaschäden, die im Rahmen der Kultivierung entstehen: etwa durch | |
| Verkehrswege oder den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide oder | |
| Mineraldünger, erklärt Corinna Hölzel, BUND-Expertin für Pestizide. | |
| ## Bio-zertifizierte Weihnachtsbäume im Topf | |
| „Wenn man einen Weihnachtsbaum mietet, sollte man sich ganz genau angucken, | |
| woher er kommt“, rät Hölzel. Unter welchen Bedingungen wird er kultiviert? | |
| Kommen vielleicht auch Mineraldünger, Insektizide, Fungizide oder Herbizide | |
| zum Einsatz? „Dass ein Baum im Topf möglicherweise mehrmals als | |
| Weihnachtsbaum dienen kann, macht nicht die Umweltschäden wett, die | |
| entstehen, wenn er vorher intensiv gedüngt und gespritzt wurde.“ | |
| Die meisten von Frädrichs Tannen wachsen in Baumschulen in Brandenburg. | |
| Synthetische Pestizide setze er nicht ein, sagt Frädrich – auf einigen | |
| Anbauflächen grasten stattdessen Shropshireschafe, die zwar Gestrüpp, aber | |
| nicht die Bäume selbst wegknabbern. Außerdem habe sein Verkauf in diesem | |
| Jahr erstmals Bio-zertifizierte Weihnachtsbäume im Topf im Angebot – | |
| allerdings importiert aus Dänemark. | |
| So oder so bedeute das Leben im Topf großen Stress für die Pflanzen, sagt | |
| Rudolf Fenner von der Umweltorganisation Robin Wood: „Wenn die Bäume aus | |
| der kalten Baumschule in warme Wohnzimmer umziehen, werden sie aus ihrem | |
| Winterschlaf geweckt und verlieren ihren natürlichen Frostschutz.“ Der | |
| lasse sich nicht so leicht wieder aufbauen, wenn nach Weihnachten die | |
| Rückkehr ins Kalte ansteht. | |
| Andreas Frädrich bestätigt, dass seine Bäume ganz schön was mitmachen. | |
| Einige der Mietbäume, die er von den Kund:innen zurücknimmt, sind trotz | |
| handgereichter Pflegeanleitung sehr trocken. Etwa 50 Prozent gehen zurück | |
| in die Baumschule und werden dort für eine weitere Vermietung im nächsten | |
| Jahr aufgepäppelt. „Das geht aber höchstens zwei Jahre infolge, dann sieht | |
| man ihm die Belastung schon ziemlich an und er muss ausgepflanzt werden“ – | |
| entweder in Gärten oder zur Aufforstung von Privatwaldflächen. Die anderen | |
| 50 Prozent werden sofort verkauft oder ausgepflanzt. | |
| Davon hält Corinna Hölzel wenig: Vor allem bei der aus dem Kaukasus oder | |
| Nordamerika stammenden Nordmanntanne, aber auch bei anderen | |
| Weihnachtsbaumarten wie der Blau- oder Rotfichte handele es sich um | |
| nicht-heimische oder nicht-standortheimische Arten. „Die haben in den | |
| meisten Wäldern oder Parks nichts zu suchen“, weil sie langfristig die | |
| hiesigen Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen können. „Stabile, | |
| naturnahe Wälder bestehen aus standortheimischen Baumarten, die auch | |
| zahlreichen Insektenarten Lebensraum bieten.“ | |
| ## „Bloß keine Plastikbäume“ | |
| Wenig überraschend: Auf den Weihnachtsbaum zu verzichten, ist der klima- | |
| und umweltfreundlichste Weg. Hölzel schlägt Weihnachtsschmuck aus | |
| Tannengrün vor. In gelöcherten Holzpfählen – zum Beispiel von den Marken | |
| Keinachtsbaum, Sustainabilitree oder, für handwerklich Begabte, aus eigener | |
| Herstellung – lassen sich Nadelzweige sogar zu baumähnlicher Kegelform | |
| zusammenstecken und wie gewohnt schmücken. | |
| Wer das nicht übers Herz bringt, sollte in naher Umgebung nach | |
| Weihnachtsbäumen direkt aus dem Wald suchen – einige Forstbetriebe fällen | |
| bei der Durchforstung sowieso Nadelbäume, so Hölzel. Wenn nichts am | |
| Plantagenbaum vorbeiführt, rät Hölzel zu Pflanzen aus öko-zertifizierten | |
| Kulturen – am besten auch aus der Nähe. Die Organisation Robin Wood hat | |
| eine jährlich aktualisierte Liste der Bio-Baum-Verkaufsstellen auf ihrer | |
| Website veröffentlicht. | |
| „Bloß Plastikbäume sollten es nicht sein“, da sind sich BUND-Expertin | |
| Hölzel und Rudolf Fenner von Robin Wood einig. Das Plastik werde aus | |
| fossilen Rohstoffen gemacht, enthalte schädliche Weichmacher und müsse vom | |
| oft weit entfernten Produktionsstandort mühsam nach Deutschland | |
| transportiert werden. „Die sind wirklich keine Alternative“, sagt Fenner. | |
| 20 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nanja Boenisch | |
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