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# taz.de -- WM-Euphorie in Frankreich: Liebe zu zwei Teams
> Nach dem Halbfinalsieg des französischen Teams gegen Marokko werden in
> Frankreich die Feiern vom Tod eines Fans in Montpellier überschattet.
Bild: Paris nach dem Sieg der französischen Nationalmannschaft über die Marok…
Zehntausende von Menschen strömten gleich nach Spielende auf die Straßen
von Paris. „Wir sind im Finale, wir sind im Finale, wir sind, wir sind, wir
sind im Finale“, skandierten sie. Wie schon 1998 [1][und 2018] stimmten sie
ihre Siegshymne an, schwenkten ihre Trikolorefahnen, stießen mit Gläsern
und Flaschen auf den erneuten Finaleinzug an.
Allein auf der Pariser Avenue des Champs Élysées feierten neben dem
Triumphbogen rund 25.000 Menschen, unter ihnen auch Touristen und viele
Marokko-Fans mit Fahnen mit dem grünen Stern auf rotem Grund und [2][auch
einigen Palästina-Fahnen]. Vor allem französisch-marokkanische
Doppelbürger*innen sind erstaunlich gelassen, weil ihr Herz für beide
Mannschaften schlägt. Vor den Mikros der Fernsehsender sagen sie auch, die
„heldenhaft“ spielenden „Löwen des Atlas“ hätten es verdient, wenigst…
ein Tor zu schießen, wenn nicht sogar zu gewinnen. Trotzdem wünschen sie
dem Team von Didier Deschamps für das Spiel gegen Argentinien nur das
Beste.
Regelmäßig kommt es in dieser heterogenen Masse zu Ansammlungen, wo die
Menge, angezogen vom Rhythmus von Tanzmusik oder speziell lautstarken
Gruppen, herumtobt. Alle haben ihr Smartphone gezückt, um den
„historischen“ Anlass und ihre persönliche Anwesenheit via Netzwerke der
ganzen Welt kundzutun. Wenn dann außer bengalischem Feuer auch noch
Feuerwerkkörper gezündet werden, intervenieren die zahlreich
bereitgestellten Ordnungskräfte mit Tränengas. Die Schaufenster der
Shopping-Avenue wurde ohnehin vorsichtshalber verbarrikadiert. Vor manchen
stehen sogar Polizeifahrzeuge.
Dramatisch endete vorzeitig dieser Siegestaumel in Montpellier, wo ein
Pkw-Lenker mit einer Fahne aus dem offenen Fenster zwei Jugendliche
überfahren hat. Einer der beiden, ein 14-jähriger Junge, erlag im
Krankenhaus seinen Verletzungen. Der verantwortliche Fahrer ist geflüchtet,
sein Fahrzeug wurde wenig später gefunden. Die Behörden haben eine Fahndung
und eine Strafuntersuchung eingeleitet. Dieser tragische Zwischenfall trübt
in ganz Frankreich die Freude über die glückliche Qualifikation.
## Rechtsradikale Angriffe in Lyon
In Lyon haben Rechtsradikale laut Angaben der Lokalzeitung Lyon-Mag im
Zentrum Menschen nordafrikanischer Herkunft provoziert und angegriffen und
dabei in Anspielung auf die Farben der Nationalflagge „Bleu, blanc, rouge –
La France aux Français!“ gerufen. Mehrere dieser „ultrarechten“ Randalie…
wurden festgenommen. Mit dem nationalistischen Slogan wollten sie sich von
der antirassistischen Devise von 1998 absetzen, als die (schon damals) aus
Spielern verschiedenster Hautfarben und Herkunft zusammengesetzt Mannschaft
„Black, Blanc, Beur“ genannt und der aus einer algerischen Familie, aber
[3][in Marseille geborene Zinédine Zidane] als Vorzeigebeispiel der
multikulturellen Koexistenz oder Integration gefeiert wurde.
Auch anderswo herrschte nicht nur Eintracht beim Feiern. Trotz eines
enormen Polizeiaufgebots kam es zu etlichen Auseinandersetzungen. Insgesamt
sind 250 Personen festgenommen worden.
Staatspräsident Emmanuel Macron war zum Halbfinale nach Doha gereist,
mehrfach zeigte die Kamera, wie er an der Seite des Fifa-Präsidenten Gianni
Infantino das Spiel verfolgte. Danach kommentierte er vor Journalisten den
Sieg in der Umkleideräumen. Auf die Frage, ob es ihn nicht störe, dass
dieser Golfstaat die LGBT+-Symbole aus den Stadien und Straßen verbannt
hat, sagte er: „Man muss anerkennen, dass Katar diese WM sehr gut
organisiert hat. (…) Aber es stimmt, es gibt (hier) noch vieles zu regeln,
es gibt viele Länder, wo noch vieles zu regeln ist. Aber ehrlich, seien wir
jetzt erst mal glücklich.“
Auch der marokkanische König Mohammed VI. hat ihm seine Glückwünsche
übermittelt. Er gratuliere den Franzosen, noch mehr gratuliere er der
marokkanischen Elf zu ihrem Auftritt bei der WM. Sie habe ihrem Land Ehre
gemacht.
15 Dec 2022
## LINKS
[1] /WM-Finale-Frankreich--Kroatien/!5522278
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[3] /EMtaz-Sport-und-Politik-in-Frankreich/!5318540
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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