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# taz.de -- Public Viewing im Privaten: Rudelgucken im 5. Bezirk
> Von Österreich aus lässt sich mit wohltuendem Abstand die Fußball-WM in
> Katar ganz gut verfolgen. Also im Fernsehen.
Bild: Deutsch as can be: Niclas Füllkrug
Neulich in Wien-Margareten: Freunde der Freundin hatten zum Rudelgucken
geladen, als sei noch 2018. Zwar stand die Dauerveranstaltung tatsächlich
unter dem Stern des Winters, es fielen immer mal wieder Gäste wegen
diverser Erkältungskrankheiten aus, im Wesentlichen aber war es urgemütlich
und fast so wie früher. Es gab Bier, es gab Chili con Carne, es gab
Knabbereien, es gab erstaunlich nüchterne Fernsehexperten beim ORF
(natürlich nur Frauen, äh, nein, Männer). Es gab viel unnützes Fachwissen,
und in den Weiten des Privatmuseums des Mieters und Einladenden eine
[1][Bunte Österreich] von 1978, die das „Wunder von Cordoba“ feierte (für
Spätgeborene: der letzte Sieg Österreichs gegen Deutschland bei einem
Bewerber).
Es war also schön und seltsam zugleich. Ich nehme an, dass es hierzulande
kaum Public Viewing gab, schon gar nicht im Privaten. In Wien aber trotzte
man Wien und Wetter und der vorherrschenden Moral; „boykottiert“ hatte die
ÖFB-Auswahl die WM ja allein schon wegen Wales.
Häme für die Deutschen gab es natürlich trotzdem. Es war nicht so einfach,
sich das Spiel gegen Spanien anzugucken unter lauter Deutschsprachigen,
aber als einziger Deutscher; aber es war auch sehr lehrreich. Man wurde
noch mal zusätzlich in Bescheidenheit geübt: Lektionen in Demut, auch wenn
das eigentliche Desaster ja noch kommen sollte. Und es war sehr angenehm,
das Deutschland-Bohei rund um die ehemalig sogenannte Mannschaft mal nicht
ständig um die Ohren gehauen zu bekommen. Stattdessen war die DFB-Auswahl
auch nur eine Mannschaft unter vielen, wenn auch eine, die distanziert
bewundert wurde.
Lehrreich war auch die Begriffskunde: In Österreich heißt es Eckstoß oder
Corner statt Ecke; Bälle waren „out“ oder „im Out“ statt einfach aus; …
Zeitlupe war auch mal „eine Lupe“; die Leute tragen „Dressen“ statt
„Trikots“, und so weiter. Als Experte sitzt dann Herbert Prohaska im
Studio, der aussieht wie ein Politiker oder einfach irgendwer sein könnte
und nicht einer der legendären 78er-Auswahl.
Es tat gut, der deutschen Aufladung des Ereignisses ein wenig aus dem Weg
zu gehen. Wie überhaupt die Fußball-WM 2022 in Katar vom österreichischen
Wohnzimmer aus wirkte wie ein Fußballfest, das nur alle vier Jahre
stattfindet – nur diesmal im Winter. Es war sogar so, dass gerade das das
Ganze so kuschelig machte: Der Fernseher das heimatliche Feuer, um das sich
alle sammelten, um Fußball zu sehen. So, wie es [2][der weise McLuhan]
schon immer sah.
16 Dec 2022
## LINKS
[1] https://www.historia.net/de-de/bunte-oesterreich/p/805410
[2] https://mediarep.org/bitstream/handle/doc/2970/Medien_verstehen_185-202_Eng…
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Kolumne Okzident
Fußball-WM
Public Viewing
Wien
The Beatles
Darts
Schwerpunkt Boykott Katar
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
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