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# taz.de -- Kroatien gegen Argentinien: Messi im Prolo-Modus
> Die Fußballwelt diskutiert über die ungehobelte Truppe aus Argentinien.
> Warum sich doch ein manierliches Halbfinale entwickeln könnte.
Bild: Wiedersehen macht Freude: Messi und Modric bei der WM 2018
Doha taz | Auf Entertainment verstehen sie sich ja, die Argentinier, und so
hat Lionel Messi also neue Kultphrasen geprägt. „Que mirás bobo?“ und
„[1][Anda p’allá bobo]!“, hatte der siebenmalige Weltfußballer dem
Niederländer Wout Weghorst im Kabinengang entgegengeschleudert. „Was
schaust du, Dummkopf?“ und „Hau schon ab, Dummkopf“: Die Fernsehkamera war
voll drauf, eigentlich wurde Messi gerade interviewt. Später wurde sogar
seine eigene Frau dabei gefilmt, wie sie sich mit der Imitation der Sätze
amüsierte, und wenige Tage später gibt es diese längst auf Tattoos oder
Kaffeetassen.
Messis Suada, unbeeindruckt vom Interviewer („Ruhig, Leo, ruhig!“), war
quasi der Tusch unter ein Viertelfinalspiel, das auch gestern noch die Fifa
beschäftigte. Nach dem Kartenrekord der WM-Geschichte (17-mal Gelb)
ermittelte er gegen beide Mannschaften. Über Argentinien schwebte daher
immer noch die vage Möglichkeit, dass Mittelfeldspieler Leandro Paredes
(der mit voller Absicht einen Ball auf die niederländische Spielerbank
gedroschen hatte), Torwart Emiliano Martínez (Beleidigungen und
Verschwörungstheorien) und/oder Messi für das anstehende Halbfinale gegen
Kroatien gesperrt werden könnten. Der Kapitän hatte außer seinem
Weghorst-Bashing auch noch aufreizend vor Hollands Trainer Louis van Gaal
gejubelt und die Fifa frontal für die Ansetzung des spanischen
Schiedsrichters Mateu Lahoz attackiert, dem er Verschaukelungsabsicht
unterstellte.
Der verblüffte Beobachter blieb nach dem Feldzug des Mini-Maradonas und
seiner Pöblertruppe mit zwei Fragen zurück: Wie wird es erst zugehen, wenn
diese Argentinier, die beim Jubeln vor den Fans sogar einen Ordner
schubsten, ausscheiden? Und: Welche Schlacht steht im Halbfinale gegen
Kroatien zu erwarten? „Sie bereiten etwas Schmutziges vor“, weiß die
kroatische [2][Sportske Novosti] und berichtet von einem argentinischen
Stammspieler, der damit geprahlt habe, als Spezialagent zur
Gegnerprovokation eingeteilt worden zu sein.
Indes gelten auch die Kroaten nicht gerade als NGO des Fußballs. Abwehrchef
Dejan Lovren sorgte beim Finaleinzug 2018 als Kabinen-DJ mit Songs für
Aufsehen, die Parolen der faschistischen Ustascha-Bewegung verherrlichen.
Nicht dass er damit alleine stünde. Der einschlägige Barde, Marko Perkovic
alias Thompson, durfte die Auswahl nach der Rückkehr bei der Parade durch
Zagreb begleiten. Zuletzt sorgte Lovren aber sogar im eigenen Land für
Befremden, als er nicht nur darauf beharrte, weiter als Kapitän von Zenit
St. Petersburg zu fungieren, sondern auch erklärte: „Ich bin sehr sauer,
dass Russland nicht bei der WM ist. Es hieß doch immer, Sport und Politik
seien zu trennen. Selbst wenn es so sein sollte (dass Russland die Ukraine
überfallen hat, d. Red.), hätte man sie teilnehmen lassen sollen.“
## Wichtig ist …
Auf dem Platz genossen die Kroaten einst selbst den Ruf der Kriegstreiber,
in den Jahren nach Erlangung der Unabhängigkeit galt ihnen ihr Fußball als
so etwas wie die Fortsetzung des Balkankonflikts mit anderen Mitteln. „Wir
sind Stolz, Glaube und Patriotismus“, sagt Trainer Zlatko Dalic auch heute
noch, und doch wäre es nicht mehr angemessen, seine Elf als überzogen hart
darzustellen. Zu subtil ist gerade ihr Mittelfeld um den unverwüstlichen
Luka Modric, 37. Das nach Elfmeterschießen gewonnene Viertelfinale gegen
Brasilien war das bisher hochwertigste Spiel dieser WM. Auch bei der
vergangenen EM waren die Kroaten beim 3:5 gegen Spanien an einer
Turnier-Delikatesse beteiligt. Und als sie die Argentinier in der
Gruppenphase der WM 2018 mit 3:0 besiegten, taten sie das über
fußballerische Mittel. Ihr kollektives Zustellen aller Passwege für Messi
galt als taktisches Meisterwerk von Dalic.
Wenn alle Herrschaften ihr Testosteron im Griff haben, sollte es also
durchaus ein sehenswertes Match geben. Historisch wird es allemal. Am 1.
März 2006 absolvierte Modric gegen Argentinien sein erstes Länderspiel und
Messi schoss gegen Kroatien sein erstes Länderspieltor. Einer von beiden
wird mit dem Halbfinale den Traum vom WM-Titel für immer begraben müssen.
Beim anerkannten Gentleman Modric kann man davon ausgehen, dass er es mit
ähnlicher Sportlichkeit akzeptieren würde, mit der er nach dem
Viertelfinale die Brasilianer tröstete. Beim nun so lustvoll auf
Prolo-Modus programmierten Messi ist man sich da nicht mehr so sicher.
13 Dec 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=HOGet9XkvwQ
[2] https://sportske.jutarnji.hr/sn/
## AUTOREN
Florian Haupt
## TAGS
Fußball-WM
Argentinien
Kroatien
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Kolumne Frühsport
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