# taz.de -- Studie zu Offshore-Windparks: „Großflächige Auswirkungen“ | |
> Offshore-Windparks verändern das Ökosystem Meer. Eine Studie der | |
> Ozeoanografin Ute Daewel zeigt, dass auch die Nährstoffverteilung | |
> betroffen ist. | |
Bild: Ökosystem und Industrielandschaft zugleich: der Offshore-Windpark „Nor… | |
OSNABRÜCK taz | Wer wissen will, was in den Weiten der See vor sich geht, | |
kann sich per Schiff oder Flugzeug auf den Weg machen, kann Drohnen starten | |
oder Messbojen absetzen. Oft entstehen meereskundliche Erkenntnisse jedoch | |
auch an Land, mit Computerhilfe. | |
Ute Daewel, Ozeanografin am [1][Helmholtz-Zentrum Hereon] in Geesthacht, | |
Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung, hat sich mit den | |
Auswirkungen von Offshore-Windparks auf das Nahrungsnetz der Nordsee | |
beschäftigt und dafür den Supercomputer „Levante“ eingesetzt, am Deutschen | |
Klimarechenzentrum in Hamburg. Der bietet eine Spitzenrechenleistung von 14 | |
Peta-Flops, und das ist ziemlich eindrucksvoll, auch im Weltvergleich. Für | |
Ökosystemmodellierung ist er ideal. | |
Die Kapazität für Offshore-Windenergie in Deutschlands Küstengewässern soll | |
bis 2030 auf 30 Gigawatt Leistung steigen, bis 2045 auf 70 Gigawatt. Die | |
südliche Nordsee, ohnehin schon unter schwerem Nutzungsdruck, vom | |
Schiffsverkehr über die Fischerei bis zur Ölförderung, wandelt sich durch | |
diesen Ausbau endgültig zum Industriegebiet. | |
Die [2][Studie „Offshore wind farms are projected to impact primary | |
production and bottom water deoxygenation in the North Sea“], jüngst im | |
Fachjournal Communications Earth & Environment veröffentlicht, öffnet | |
Augen. Daewel hat sie geleitet. Alle politischen, wirtschaftlichen und | |
ökologischen Entscheider täten gut daran, sie zu lesen. | |
## Reduzierter Sauerstoffgehalt | |
Sie zeigt, dass Windparks die räumliche wie zeitliche Verteilung von | |
Nährstoffen verändern, und das nicht nur lokal. Das könne „Prozessketten | |
beeinflussen“ und dadurch das Vorkommen vieler Fischarten. Die | |
Strömungsgeschwindigkeit werde reduziert. Lokal könne der Sauerstoffgehalt | |
des Wassers sinken. | |
„Die [3][Hinwendung zu den erneuerbaren Energien] ist unumgänglich“, sagt | |
Daewel der taz. „Aber bei Offshore-Windparks haben wir noch immer ein | |
großes Defizit im Verständnis der Auswirkungen, und diese Auswirkungen sind | |
großflächig.“ Ihre Studie formuliere „kein Gut und Böse“, aber der Aus… | |
müsse „sehenden Auges“ erfolgen, mit umfassender Risikobewertung. | |
Daewels Studie simuliert den Effekt eines einzelnen Jahres auf der | |
Grundlage der Hälfe der Anlagenkapazität, die derzeit maximal geplant ist, | |
um das EU-Ziel zu stützen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Aber die | |
Auswirkungen sind gravierend und werfen Fragen auf. | |
Daewel spricht von einem „erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der | |
marinen Küstenökosysteme“. Vielleicht müsse man „in Zukunft marine | |
Schutzgebiete auch ganz anders denken, vernetzter“, sagt sie. „Das hat ja | |
Folgen für Laichgebiete, die Verteilung von Fischlarven, von | |
Fischbeständen.“ | |
## Luftverwirbelungen beeinflussen Strömungen | |
Die Veränderung des Nahrungsangebots ist nicht die einzige Auswirkung, die | |
Offshore-Windparks auf das [4][Ökosystem Meer] haben. Das Einrammen der | |
Fundamente erzeugt Schall, der Schweinswale, die sich in der Nähe | |
aufhalten, [5][tödlich verletzen kann]. Luftverwirbelungen, die durch die | |
Turbinen der Windkraftanlagen entstehen, oft Dutzende von Kilometern lang, | |
beeinflussen die Strömung und Schichtung des Wassers. Die Rotorenbewegung | |
gefährdet Seevögel. Windkraftanlagen bremsen die Windgeschwindigkeit, | |
erwärmen die Umgebungsluft. Luftschichten unterhalb des Rotorbereichs | |
werden wärmer und trockener, oberhalb kälter und feuchter, was zu Bewölkung | |
und Regen führt. Große Windparks sind also nicht nur eine Reaktion auf den | |
Klimawandel, im Kleinen rufen sie selbst einen Wandel des Klimas hervor. | |
Die Fundamente der Anlagen, während ihres Baus für Meeresbewohner oft eine | |
Qual, haben später übrigens ihr Gutes: Sie bilden künstliche Riffe, bieten | |
neue Lebensräume. „Außerdem darf in einem Windpark ja nicht gefischt | |
werden“, sagt Daewel. Der Schutz des Klimas und der Arten- und | |
Habitatschutz, oft gegeneinander ausgespielt, gehen also teils Hand in | |
Hand. | |
„Unsere Studie ist nicht politisch“, stellt Ute Daewel klar. „Aber auf | |
Konferenzen sind wir schon manchmal gefragt worden, ob wir nicht fürchten, | |
dass jemand sie instrumentalisieren könnte.“ Das geht natürlich. Aber das | |
ist kein Grund zu schweigen. | |
Im Übrigen: So hilfreich ein Rechner wie „Levante“ für Daewels | |
Modellierungen auch ist, ganz ohne Kontakt zum Meer geht es nicht. „Wir | |
formulieren die Effekte mathematisch“, sagt Daewel. „Aber es ist natürlich | |
wichtig, dass sie durch Beobachtungen vor Ort validiert werden. Das muss | |
ausgebaut werden.“ | |
12 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hereon.de/ | |
[2] https://www.nature.com/search?q=Offshore+wind+farms+are+projected+to+impact… | |
[3] /Habeck-gelobt-Ausbau/!5880243 | |
[4] /Streit-um-Naturschutzrecht/!5751370 | |
[5] /Schweinswal-Population-der-Nordsee/!5748765 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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