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# taz.de -- Jahresend-Vorsätze: 2023 kann kommen – gern ohne König
> Im Fußball klappt's nicht, am Warntag wird nicht gewarnt und die
> Monarchie klopft an die Tür: Da hilft nur durchatmen und gute Vorsätze
> fassen.
Bild: Mitte dieser Woche schien es kurz eng zu werden und die Rückkehr der Mon…
Mit den guten Vorsätzen kann man gar nicht früh genug anfangen. Da dies der
letzte Rote Faden ist, den ich in diesem verdammten Scheißjahr knüpfen
darf, fange ich hier schon mal an.
1. Reg dich nicht so auf!
Meine jüngste Mitbewohnerin hat sich neulich beim deutschen
WM-Abschiedsspiel beschwert. Aber nicht über [1][Hansi Flicks Versager],
auch nicht über den blinden Videoschiri, der die Japaner weitergeschummelt
hat, und erst recht nicht über die Fifa und die schlimmen Scheichs, die das
ganze Spiel versauen, sondern über all die Alten, die dauernd nur gemeckert
haben. Gemeint waren die Reporter im Fernsehen – und der fluchende Fan auf
dem Sofa neben ihr. Ich schwöre, das wird nie wieder passieren! Denn die
nächste WM in Amerika boykottiere ich bestimmt. Wegen Trump als Gastgeber,
dann reicht’s, oder wegen der mexikanischen Kartelle, die da sicher auch
mitmischen. Am Mittwoch und Donnerstag habe ich schon geübt. Und es hat
geklappt. An den spielfreien Tagen hat man von mir kein böses Wort gehört.
2. Sei doch mal zufrieden!
Am Donnerstag um elf habe ich gewartet. Und gewartet. Nochmal auf die Uhr
geschaut und dann aufs Handy. Doch da kam nichts. Nicht einmal ein Piepen.
Dabei hatte die Regierung doch Gratis-Alarm für alle angekündigt. Aber,
ach, der große Warntag war ein Riesenflop. Jedenfalls für mich. Kein Anruf
unter meiner Nummer. Offenbar kennt der Staat mich gar nicht oder will mich
absichtlich nicht warnen. Aber auch Sirenen gibt es nur noch in den wenigen
verbliebenen humanistischen Gymnasien in ausgebleichten Heldensagen. Ja,
nicht einmal den besten Warner*innen der Nation gelang es an diesem
offiziellen [2][Feiertag des Warnens], sich wie gewohnt festzukleben und
den Flugverkehr zu stören. Ich bekam schon wieder Puls, weil einfach gar
nichts klappt in diesem Land, aber ich hatte ja spiel- und schimpffrei. Und
begriff, dass man über jedes ungewarnte Smartphone froh sein sollte: Von
Totalkontrolle wie in China sind wir offensichtlich und zum Glück noch weit
entfernt. Allerdings scheinen wir auch nur sehr bedingt abwehrbereit zu
sein.
3. Hab keine Angst!
Okay, jetzt wird’s ein bisschen schwierig. Wohlgemut und sorgenfrei in die
mittelfristige Zukunft zu blicken, wird an diesem Jahreswechsel wohl kaum
jemand schaffen. Auch wenn der Kanzler nach besten Kräften versucht, uns
freundlich aufzumuntern. Das kann keiner besser als er. „Selbst wenn es
ganz eng wird“, versicherte Olaf Scholz im Herbst, „kommen wir
wahrscheinlich durch den Winter.“ Na, immerhin! Besser als „vielleicht“.
Und bisher klappt’s ja. Gut, Mitte dieser Woche schien es kurz eng zu
werden und die Rückkehr der Monarchie schon vor der Tür zu stehen. Aber
wahrscheinlich werden die [3][ReichsbürgerInnen] (ja, es sind auch Frauen
dabei, sogar im Bundestag) in diesem Winter doch noch nicht an die Macht
kommen. Es ist mir zwar nicht ganz klar, was es bedeutet, wenn 3.000
Polizisten bei der größten Razzia der Nachkriegsgeschichte nur 25
rechtsextreme Putschaspiranten dingfest machen, mit einem Prinz im
Alexander-Gauland-Kostüm als Rädelsführer an der Spitze. Ist das wirklich
alles, was rechts zu finden war? Die Umsturzgefahr scheint zumindest nicht
akut. Und die Innenministerin hat ja für alle Fälle immer genug
One-Love-Binden.
4. Tu dein Bestes!
Schockstarre hilft auf keinen Fall, Selbstmitleid erst recht nicht. Ich
nehme mir fest vor, 2023 nicht mehr zu lamentieren, nur weil die Heizung
teurer wird oder die Bahn zu spät kommt. Was sind das für Probleme gegen
die der Menschen in der Ukraine, im Iran. Wir sollten dankbar sein für
unser Glück und das Beste daraus machen.
5. Denk an Bettina Gaus!
Was hatte diese Frau für eine Kraft, jeden Zeitgeist zu hinterfragen, eine
intelligenter organisierte Welt zu suchen und mit Leidenschaft zu streiten,
statt politische Gegner plump zu verachten. Am Montag wäre sie 66 geworden.
Und in der taz kamen Leute zusammen, die oft vieles trennt, aber eines
eint: Respekt. Und Erinnerung, die Mut macht.
11 Dec 2022
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## AUTOREN
Lukas Wallraff
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Reichsbürger
Fußball-WM
Warntag
Reichsbürger
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
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