# taz.de -- Beginn des Wirecard-Prozesses: Die Politik schläft weiter | |
> Genauso wichtig wie die juristische Aufarbeitung wäre es, die Beziehungen | |
> zwischen Wirtschaft und Politik transparenter zu machen. | |
Bild: Der früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun (r.) geht beim Prozessa… | |
Dass zweieinhalb Jahre nach dem Auffliegen die juristische Aufarbeitung des | |
[1][Wirecard-Skandals] vor dem Landgericht München begonnen hat, ist | |
erfreulich. Es ist an der Zeit, eines der größten Wirtschaftsverbrechen in | |
der Geschichte der Bundesrepublik endlich juristisch aufzuarbeiten. | |
Die Hoffnung ist groß, dass das Gericht aufklären kann, wie es einem im DAX | |
gelisteten Unternehmen gelingen konnte, im großen Stil zu betrügen und | |
einen Milliarden-Schaden zu verursachen. Doch bei der Verhandlung geht es | |
nur um die strafrechtlichen Folgen. Die erforderlichen politischen | |
Konsequenzen werden weiterhin nicht gezogen. Das ist fatal. | |
Betrugsfälle wie die bei Wirecard können sich wiederholen. Denn weder die | |
alte Bundesregierung mit dem damaligen Finanzminister [2][Olaf Scholz] noch | |
die neue mit dem zum Bundeskanzler aufgestiegenen Sozialdemokraten haben | |
ausreichende Lehren aus dem Fall gezogen. Wirtschaftsprüfungsfirmen wie EY, | |
die bei Wirecard komplett versagt hat, haben weiterhin eine ungeheure | |
Macht, werden aber selbst nur unzureichend kontrolliert. Die | |
Finanzindustrie prüft sich nach wie vor weitgehend selbst. | |
Manager von Wirecard haben über viele Jahre gelogen und betrogen, Gewinne | |
und Geschäfte vorgetäuscht. Den Wirtschaftsprüfern ist das nicht | |
aufgefallen, obwohl es zahlreiche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab. Als | |
ein renommierter Finanzjournalist die Machenschaften aufdeckte, gingen die | |
Behörden dem Verdacht nicht nach – im Gegenteil. | |
Die [3][Finanzaufsicht BaFin] zeigte den Journalisten sogar noch wegen | |
versuchter Marktmanipulation an und stellte sich schützend vor Wirecard. | |
Zwar musste der damalige Chef Felix Hufeld gehen. Aber strukturell hat sich | |
seitdem zu wenig geändert. Noch immer fehlt eine echte Bilanzpolizei, die | |
sich mit forensischen Mitteln selbst einen Überblick verschaffen kann. | |
Während die Aufsichtsbehörden die Augen verschlossen, heuerte Wirecard | |
Ex-Politiker wie den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust | |
(CDU), Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und andere | |
mit großer Nähe zur Regierung an, die ihnen einen Draht bis ins Kanzleramt | |
verschafften. Das zeigt: Wer genug investiert, kann sich einflussreiche | |
Fürsprecher:innen leisten, die Türen zu den Schaltstellen der Macht | |
öffnen. | |
Auch daran hat sich nichts geändert. Der Einfluss von Lobbyist:innen | |
muss aber zurückgedrängt werden. Dafür ist eins wichtig: vollständige | |
Transparenz. Jeder Lobbyisten:innen-Kontakt, jedes Gespräch von | |
Interessenvertreter:innen im Bundeskanzleramt, in Ministerien oder | |
mit Abgeordneten muss sichtbar werden. | |
8 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Start-des-Wirecard-Prozesses/!5901845 | |
[2] /Staatsanwaltschaft-laesst-Scholz-in-Ruhe/!5842520 | |
[3] /Reform-der-Finanzaufsicht-Bafin/!5804149 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
## TAGS | |
Cum-Ex-Geschäfte | |
Wirecard | |
Bafin | |
Wirecard | |
Wirecard | |
Wirecard | |
Wirecard | |
Olaf Scholz | |
Finanzaufsicht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Markus Braun im Wirecard-Prozess: Angeblich keine Ahnung von nix | |
Ex-Vorstandschef Markus Braun weist im Prozess um die Milliardenpleite von | |
Wirecard alle Vorwürfe zurück. Er will nichts gewusst haben. | |
Wirecard-Betrug vor Gericht: Duell der Pleitebanker | |
In München wird im Prozess um Wirecard der größte Betrugsfall der | |
bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte verhandelt. Nun hat der Kronzeuge | |
ausgesagt. | |
Auftakt im Wirecard-Prozess: Fünf Stunden Verlesung der Anklage | |
Am Anfang des Mammutprozesses um Wirecard geht es erst mal um die Wucht der | |
Vorwürfe. Der Hauptangeklagte gibt sich betont entspannt. | |
Start des Wirecard-Prozesses: Größenwahnsinn vor Gericht | |
Schillernde Figuren, zahme Kontrolleure, eine filmreife Flucht: Die | |
Wirecard-Pleite hat viele Seiten. Ab Donnerstag wird sie juristisch | |
aufgearbeitet. | |
Klage gegen das Finanzministerium: Mit wem traf sich Olaf Scholz? | |
Ob Wirecard oder Cum Ex: Der Finanzminister mischte mit. | |
Verbraucherschützer wollen wissen, mit welchen Lobbyisten und Chefs sich | |
Scholz traf. | |
Reform der Finanzaufsicht Bafin: Umbau dauert noch Jahre | |
Beim Wirecard-Skandal hat sie versagt, jetzt wird die Finanzaufsicht Bafin | |
reformiert. Das dauert. Der Chef zieht eine ambivalente Zwischenbilanz. |