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# taz.de -- Interne Chats der Hamburger Linken: Sprecher mit gewaltigen Fantasi…
> Bei der Hamburger Linken liegen die Nerven blank. In einem Chat werden
> wegen eines umstrittenen Mitglieds Gedanken über Gewaltanwendung
> ausgetauscht.
Bild: Friedliche Demo, weniger friedliche Chats: Ralf Dorschel neben einer Pace…
Hamburg taz | Die interne Auseinandersetzung der widerstreitenden
Strömungen in der Hamburger Linkspartei eskaliert immer weiter: In internen
Chats, die in Auszügen der taz vorliegen, schreiben Genoss:innen
Beiträge, die sich als Gewaltaufruf [1][gegen ein trollendes
Linkenmitglied] lesen lassen. Zu den Verfassern gehört auch der
Pressesprecher der linken Bürgerschaftsfraktion, Ralf Dorschel.
In der Telegram-Gruppe diskutierten Mitglieder über Bijan Tavassoli.
Tavassoli sorgt wegen seiner Äußerungen und Aktionen bei der Mehrheit der
Hamburger Linken mittlerweile für Wut.
Und die ist offenbar so groß, dass etwa Dorschel in der Gruppe über den
künftigen Umgang mit Tavassoli vorschlagend schrieb: „Beton-Fuß und zu den
Landungsbrücken?“ Ans Ende des Beitrags setzte er noch einen Smiley.
Zuvor hatte es im Chatverlauf bereits zwei weitere Beiträge eines
Linkenmitglieds gegeben, die in dieselbe Richtung stoßen: So gehörten Leute
wie Tavassoli nicht nur aus der Partei ausgeschlossen, vielmehr hätten sie
„für die Gewalt, die sie andern antun […] aufs Maul verdient“. Derselbe
Verfasser schrieb anschließend, dass er zwar kein Freund körperlicher
Gewalt sei – „ Aber es gibt Menschen, die auf Worte nicht mehr hören“.
## Immer wieder Tavassoli
Geschrieben hat diese beiden Beiträge Marco Hosemann. Er war zeitweilig im
Landesvorstand, ist Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Nord und in
vielen außerparlamentarischen Gruppen aktiv. Er bestätigt der taz, dass er
die Beiträge verfasst hat. Zugleich betont er, die Aussagen zu bedauern.
Öffentlich hätte er sich so nie geäußert und er habe die Beiträge auch
nicht als Gewaltaufruf gemeint: „Ich habe nur zum Ausdruck bringen wollen,
dass ich kein Mitleid mit ihm hätte, sollte er Gewalt erfahren.“
Schließlich füge Tavassoli mit seinem Handeln trans* Personen Leid zu und
schüre Hass und Ängste ihnen gegenüber. Das habe bei Hosemann für Wut
gesorgt.
Tavassoli war früher Sprecher der Hamburger Linksjugend Solid, fällt seit
einigen Jahren mit immer kruderen Positionen und Auftritten auf:
Vergangenes Jahr etwa freute er sich in den sozialen Medien, dass die
„US-Imperialisten“ in Afghanistan eine Niederlage erlitten haben.
Mehr noch: Die Taliban könnten die „Kollaborateure“, also jene Afghanen,
die für fremde Armeen gearbeitet haben, nach Tavassolis Ansicht hinrichten.
Das sei grundsätzlich okay, denn es handele sich dabei schließlich um
„Landesverrat“.
## Eklat beim Parteitag
Zum Eklat kam es auch auf dem Parteitag der Hamburger Linken Anfang
September: Tavassoli ließ mitteilen, er habe kürzlich das Geschlecht
gewechselt und kandidiere nun für den weiblichen Spitzenposten.
Stellvertretend für ihn las dann eine mit Maske und Kapuze vermummte Person
eine wirre Erklärung Tavassolis vor, in der auch Linke-Mitglieder mit
persönlichen Beleidigungen überzogen wurden.
Dass die Erklärung gar nicht von Tavassoli stammt, wie er – beziehungsweise
sie – später mitteilte, ist zweifelhaft. Auch am vergangenen Freitag
versuchte Tavassoli die Hamburger Linke zu trollen: Bei der Flinta*-Demo
zum Tag gegen Gewalt an Frauen konfrontierte Tavassoli mit laufender Kamera
Demo-Teilnehmer:innen der Linkspartei und versuchte sie bloßzustellen. Auch
andere Aktionen sorgten in Linkenkreisen zuletzt für Entsetzen.
Wegen der Taliban-Aussagen war Tavassoli bereits aus der Hamburger
Linkspartei ausgeschlossen worden, auf Bundesebene legte er beziehungsweise
sie jedoch erfolgreich Widerspruch ein. Ein zweites Ausschlussverfahren
wegen des Eklats auf dem vergangenen Parteitag läuft dagegen derzeit noch.
## War es nur ein Scherz?
Ralf Dorschel erklärt, er habe mit seinem Beitrag auf die intern
diskutierte Frage geantwortet, „wie sich mit so einer Situation angemessen
umgehen ließe“. Ernst habe er seine Aussage keinesfalls gemeint. „Es ist
offensichtlich, dass es sich um einen Scherz handelt. Dies bewusst
misszuverstehen und mir Gewaltfantasien zu unterstellen, ist absurd“, teilt
Dorschel mit.
Dorschel ist seit September 2020 Pressesprecher der Bürgerschaftsfraktion.
Zuvor arbeitete er als Journalist und war lange Zeit Redakteur bei der
Hamburger Morgenpost.
Kritik an den Chatbeiträgen kommt von der [2][linken Hamburger
Bundestagsabgeordneten Żaklin Nastić.] Sie hält die Aussagen für
Gewaltfantasien oder als Aufruf zur Gewalt und kritisiert die
Bürgerschaftsfraktion und die Landesverbandsspitze dafür scharf.
Tatsächlich ist ein beträchtlicher Teil der Fraktion und des Vorstands
Mitglied der Chatgruppe – und sah sich bislang offenbar nicht zum
Widerspruch genötigt.
Dass Nastić zügig und öffentlich Kritik an Fraktion und Landesverband
formuliert, überrascht kaum: Nastić und ihr Lager sind nach dem jüngsten
Parteitag an den Rand der Partei gedrängt worden. Nastić gilt in der
Bundestagsfraktion als stramme Anhängerin von Sahra Wagenknecht.
## Erbitterter Streit in der Partei
Auch auf Landesebene versucht der Flügel, den Kurs der Linken anlässlich
des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Kritik an der Nato zu
trimmen. Wegen Aufrufen aus diesen Kreisen zur Teilnahme an sogenannten
Friedensdemonstrationen, die vor allem den Wirtschaftskrieg des Westens
geißeln, sind auch in Hamburg die Querfront-Vorwürfe laut.
Nach dem Parteitag hat der Nastić-Flügel kaum noch parteiinternen Einfluss:
[3][Zuvor hatten sich unterschiedliche Strömungen] – von den
Bewegungslinken bis hin zu den Reformer:innen – zusammengeschlossen und
nahezu alle relevanten Posten erobert. In der Gruppe, aus der die Aussagen
über Tavassoli stammen, kommuniziert dieses Bündnis als „Konkret Linx“.
Die beiden [4][neuen Landesvorsitzenden, Sabine Ritter und Thomas Iwan,]
die diesem Lager zuzuordnen sind, kritisieren die in den Chats geäußerten
Beiträge: „Die im Screenshot zu erkennenden Akteure haben sich eindeutig
im Ton vergriffen. Dies wurde ihnen sowohl in- als auch außerhalb der
Chatgruppe direkt deutlich gemacht.“ Damit sei für sie der Fall abgehakt.
„Wir werden die ständigen Versuche Einzelner, Unruhe in den Hamburger
Landesverband zu bringen, nicht mit weiterer Aufmerksamkeit würdigen.“
28 Nov 2022
## LINKS
[1] /Linken-Landesparteitag-in-Hamburg/!5881124
[2] /Zerwuerfnis-bei-Hamburger-Linken/!5834269
[3] /Aufruf-von-Linken-Politikerinnen/!5887876
[4] /Hamburgs-Linke-in-der-Krise/!5879060
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Hamburg
Die Linke Hamburg
Linksjugend Solid
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Parteitag
Die Linke Hamburg
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