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# taz.de -- Magazin „DB Mobil“ wird eingestellt: Weniger Papier, mehr Emo
> Das legendäre Bahnmagazin „DB Mobil“ wird es ab 2023 nur noch digital
> geben – und verspricht, „emotionaler“ zu werden. Was das wohl bedeuten
> mag?
Bild: „Dann gucken Sie doch aus dem Fenster – ist eh spannender“
Da hat das WLAN im ICE offenbar mal funktioniert, schon hat Jürgen
Kornmann, Leiter der Marketing & PR der [1][Deutschen Bahn AG], beobachtet:
„Wenn man im Zug sitzt, kann man gut beobachten, dass viele Menschen
inzwischen bevorzugt Laptop oder Smartphone nutzen. Und diesem Trend folgen
wir nun“, heißt es im Marketingfachmagazin Horizont.
Aha, schau einer an. Auf ihren Handys daddelnde Halbjugendliche haben
offenbar die Lesenden der DB mobil abgelöst. Die DB macht [2][Nägel mit
Köpfen] und stellt die Papierausgabe ihrer traditionsreichen
Kundenzeitschrift kurzerhand ein. Explodierende Papierpreise und sinkende
Anzeigenerlöse sind weitere Gründe für die Einebnung dieses Monuments der
niedrigschwelligen Reiseunterhaltung.
Bezieht man die Vorgängerhefte Die schöne Welt (seit 1957!), Intercity und
Zug – Für Menschen unterwegs mit ein, endet eine beispiellose Erfolgsstory
papierhafter Zerstreuung, die uns fast über die gesamte Geschichte der BRD
hinweg begleitet hat.
Was waren das für Zeiten: Die Dampflok pfiff für Prominente wie Anna
Karenina, Sepp Herberger, Willy Brandt – sie alle schätzten eine gute
Lektüre im wichtigsten Verkehrsmittel ihrer Epoche. Die Pünktlichkeit
[3][der Fernzüge] lag bei 120 Prozent, und die Winter waren noch echte
Gründe für Verspätungen und Zugausfälle; mobile Brezelverkäuferinnen
stiegen zu und sangen den Fahrgästen melancholische Weisen aus dem harten
Leben der mobilen Brezelverkäuferinnen.
Auch in jüngeren Zeiten war die DB mobil stets eine treue Begleiterin, ob
in langen dunklen Stunden im Tunnel bei Stromausfall und Signalstörung oder
im gleißenden Sonnenlicht, wenn wir uns beim Ausfall der Klimaanlage mit
den herausgerissenen Seiten den Schweiß von der Stirn wischten.
## Donnerlüttchen
Wenn ein Magazin eingestellt wird, heißt es gern euphemistisch, man „richte
sich neu aus“, „starte digital durch“, „baue neue multimediale Formate …
und „werde regionaler, nachhaltiger, hörbarer“. Dieses Wording hat sich nun
auch die PR-Abteilung der DB zugelegt. Es klingt natürlich viel besser, als
wenn man Omi und Opi erklärt, dass ihre geliebte Zeitschrift nie wieder in
der Eisenbahn ausliegt: „Dann gucken Sie doch aus dem Fenster – ist eh
spannender.“
Doch weniger digitalaffine Personenkreise werden ausgeschlossen, wenn die
DB mobil 2023 auf [4][dbmobil.de] umziehen wird. Kornmann verspricht
dennoch „ein neues Kapitel in der Geschichte der Bahn“, das „die Bindung …
unseren Leser:innen noch emotionaler und interaktiver“ gestalten werde.
Donnerlüttchen.
Vor allem „emotionaler“ ist im Grunde kaum vorstellbar: Wer jemals eine
Minute vor Abfahrt des Zuges auf einen anderen Bahnsteig geschickt und dort
der umgekehrten Wagenreihung ausgeliefert wurde, schwärmt noch lange von
den unverfälschten Emotionen der mit Sack, Pack und Kinderwagen abgehängten
Schwächlinge. So etwas kann weder der beste Thriller leisten noch die
abgefahren neuen Contents einer digitalen DB mobil.
Zuvor gibt es im Dezember noch ein letztes Heft, das „auf die schönsten
Geschichten, lustigsten Anekdoten und beeindruckendsten Prominenten
zurückblickt“. Was mögen das wohl für Anekdoten sein: die aufregendsten
Evakuierungen havarierter ICEs, die am längsten geschlossenen
Bordrestaurants, die absurdesten Umleitungen wie von Hamburg nach Lübeck
über Nirwana und Mordor-Mitte?
Wir warten mit vorfreudig glänzenden Äuglein darauf, aus denen aber auch
die eine oder andere Träne der Wehmut rinnt.
23 Nov 2022
## LINKS
[1] /Bahnfahren-wieder-noch-teurer/!5880413
[2] /Podcast-Raus-ueber-Reisen-in-Europa/!5880529
[3] /Bahnfahrerinnen-im-Rollstuhl/!5889387
[4] http://www.dbmobil.de
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Deutsche Bahn
Magazin
Digitalisierung
Niedersachsen
Podcast-Guide
Deutsche Bahn
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