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# taz.de -- Drohnenangriffe auf Kiew: Das Brummen in der Nacht
> Seit Oktober werden Kamikaze-Drohnen in der Ukraine eingesetzt. In
> Westeuropa wird wieder darüber diskutiert, ob das Land sich nicht ergeben
> sollte.
Bild: Eine Art Brummen, ähnlich dem eines Rasenmähers: Alltag in Kyjiw mit Dr…
Der Handywecker klingelt um sechs Uhr morgens, Kiewer Zeit. Es ist mitten
im Herbst, es wird erst spät hell. Noch im Dunkeln höre ich zum ersten Mal
die Sirenen des Luftalarms. Seit einigen Wochen nehmen die Menschen in der
ukrainischen Hauptstadt diese Sirenen wieder sehr ernst, denn im Oktober
hat Russland die Ukraine massiv mit Raketen beschossen. Eine davon traf das
Stadtzentrum von Kiew. Unterschiedlichen Angaben zufolge starben dabei
zwischen fünf und acht Menschen. Russische „Präzisions“-Waffen haben auf
gewöhnlich „präzise“ Weise Zivilisten getötet, damit sich russische
Propagandisten darüber freuen können, dass es „begonnen“ habe mit den
„Luftangriffen auf die Entscheidungszentralen“.
[1][Heute hat Russland die ukrainische Hauptstadt „präzise“ mit iranischen
Kamikaze-Drohnen angegriffen]. Die erste Explosion, die sich wie ein
Donnergrollen anhörte, ereilte mich im Badezimmer. Die zweite, als ich
gerade das Haus verließ. Als ich schnell in Richtung Metro gehe, höre ich
einige Schüsse. Sie versuchen, tieffliegende Shahed-Drohnen mit Gewehren
abzuschießen, zum Teil mit Erfolg. Aber jetzt höre ich noch zwei
Explosionen. Die Erde bebt nicht – es ist also immerhin keine Rakete. Aber
instinktiv ziehe ich den Kopf ein und beschleunige meine Schritte.
Die Menschen beschreiben das Geräusch der Shahed-Drohnen als eine Art
Brummen, ähnlich dem eines Rasenmähers. Scherzhaft werden die Drohnen
deshalb auch „Moped“ genannt. Eins dieser „Mopeds“ fiel gestern auf ein
Wohnhaus. Aus den Ruinen haben Rettungskräfte vier Leichen geborgen, die
anderen Bewohner konnten gerettet werden. Ich bin drei Stunden lang Metro
gefahren, um nicht auf den überfüllten Bahnsteigen zwischen anderen
Schutzsuchenden zu sitzen. Als ich wieder nach draußen kam, strahlte die
Sonne, für einen Oktobertag war es herrliches Wetter. Bis zum nächsten
Alarm blieben noch zweieinhalb Stunden.
Ich bin davon überzeugt, dass das Thema Ukraine westlichen Lesern schon zum
Hals raushängt. Ehrlich, wie viel kann man über dieses Land sagen und
schreiben, wie viel Geld dafür spenden, wie viele Flüchtlinge aufnehmen und
seine eigenen Bedürfnisse verleugnen, [2][weil man plötzlich sparen muss].
Schade nur, dass die Bewohner der Ukraine es sich nicht erlauben können so
zu leben, als sei nichts geschehen. Es ist schon so viel passiert – und es
geht weiter. Während die „Meinungsmacher“ in ihren teuren Anzügen Artikel
darüber schreiben, dass die Ukraine sich ergeben solle, denn „Verstehen Sie
bitte, es ist immerhin Russland…“. Allen denjenigen, die solche und
ähnliche „Kompromisse“ vorschlagen, kann man eigentlich nur eins wünschen:
plötzlich und unerwartet mitten in der Nacht durchs Fenster das Geräusch
eines Rasenmähers zu hören.
Aus dem Russischen von [3][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung].
Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der Verlag [5][edition.fotoTAPETA]
im September herausgebracht.
17 Nov 2022
## LINKS
[1] /Aktuelle-Lage-in-der-Ukraine/!5888413
[2] /Sparen-in-der-Energiekrise/!5888503
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[4] https://shop.taz.de/product_info.php?products_id=245248
[5] https://www.edition-fototapeta.eu/
## AUTOREN
Roman Huba
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