# taz.de -- WM-Boykott in Berlin: Volles Haus ohne Katar | |
> Am Sonntag beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Wer die Spiele | |
> boykottieren will, kommt in die Kneipe „Panenka“ in Friedrichshain. | |
Bild: WM? Ohne ihn. Robo Žak in seiner Kneipe | |
BERLIN taz | Robo Žak war schon im Sommer klar, dass er die WM-Spiele in | |
seiner Kneipe nicht zeigen will: „Mir war egal, ob ich damit allein stehe.“ | |
Er betreibt das Trinklokal „Panenka“ in Friedrichshain. Inzwischen haben | |
sich in den sozialen Medien unter dem Motto #KeinKatarinmeinerKneipe allein | |
in Berlin über 20 Lokalitäten zusammengetan, bei denen die Leinwand ab | |
Sonntag ohne die WM auskommen muss. | |
„Bei dieser WM stimmt einfach gar nichts – weder der Austragungsort, noch | |
das Wetter, noch die Vergabe oder die Menschenrechtslage.“ sagt Žak und | |
lehnt sich auf seinen Tresen. Žak wirkt nicht wie jemand, der schnell | |
wütend wird und trotzdem scheint ihn als Fußballfan das Thema wirklich | |
umzutreiben: „Ich habe keine Lust. Ich will das nicht unterstützen.“ | |
Vor sieben Jahren hat Robo Žak die Kneipe in der Weichselstraße eröffnet. | |
Schnell stand fest: Sie soll den Namen der tschechoslowakischen | |
[1][Fußballegende Antonin Panenka] tragen. Der hatte im EM-Finale 1976 den | |
deutschen Keeper Sepp Maier mit einem gelupften Elfmeter überlistet, | |
erzählt Žak und fachsimpelt mit zwei Gästen über die Theke hinweg über | |
ostslowakische Bierkultur. | |
## Alternativprogramm an den Spieltagen | |
Seit 15 Jahren ist Robo Žak [2][Union-Fan]. Die Wände im „Panenka“ hat er | |
mit unzähligen Schals, Bildern und Vereinsemblemen dekoriert. Aber auch die | |
Union-Spiele müssen während der WM in Katar pausieren. Langweilig soll es | |
an den WM-Spieltagen in Žaks Kneipe trotzdem nicht werden. Er plant | |
Filmabende, ein DJ-Set, einen Punkrock-Flohmarkt, vielleicht einige | |
besondere ältere WM-Spiele und zwei Lesungen zum Thema. | |
So liest parallel zum Eröffnungsspiel am Sonntag der Reporter und Publizist | |
Gerhard Waldherr aus seinem Buch „Die WM und ich“. Unter dem Motto „Von | |
Bern bis Katar, Momente für die Ewigkeit und was aus dem Fußball geworden | |
ist“ wird er sich mit anderen Journalisten auf der Bühne über Fußballkultur | |
und Weltmeisterschaften unterhalten. | |
„Ich werde es am Umsatz merken.“ Davon geht er trotz kreativem | |
Alternativprogramm aus. Bei den letzten Europa- und Weltmeisterschaften | |
freute er sich immer über ein volles Haus. Wegen der WM pausieren nun aber | |
auch bis 20. Januar die Bundesligaspiele. Was Žak aber freut: Die | |
Regionalliga läuft weiter, Žak sponsert den FC Viktoria 1889 Berlin, bei | |
den Heimspielen verkauft er Bier am Spielfeldrand. „Ehrlicher Fußball“ sei | |
das in seinen Augen noch. Ob er konsequent bleibe, auch wenn das deutsche | |
Team ins Finale kommen sollte? „Ja, besonders dann!“ | |
## Improtheater statt Fußball-WM | |
Auch der Berliner Improtheatergruppe „Gorillas“ brannte es unter den | |
Nägeln, sich angesichts der umstrittenen Fußball-WM im Katar zu | |
positionieren und sich dem Boykott anzuschließen. Christoph Jungmann ist | |
Ensemblemitglied und erzählt von der Entstehung der Idee: „Ich bin von mir | |
selbst ausgegangen, wenn es keine gute Alternative gibt, schaue ich die | |
Spiele am Ende doch.“ Deswegen spielen sie jetzt bewusst an einigen | |
WM-Spieltagen und wollen so alle Wankelmütigen, die noch überlegen, ob sie | |
nicht doch gucken wollen, ins Theater locken. | |
Die „Gorillas“, die im Ratibortheater in Kreuzberg zuhause sind und neben | |
ihren Shows auch eine Improschule betreiben, haben ihre Boykottaktion | |
„Theatar statt Katar“ genannt. Jungmann, der selbst bekennender Fußballfan | |
ist, ist wütend über die Bedingungen, unter denen diese WM stattfindet: | |
„Von der Tradition des Fußballs, von einem Sport mit den Fans und für die | |
Fans ist nicht mehr viel übrig.“ | |
Seiner Ansicht nach sei die WM in Katar der Ausverkauf der Idee des | |
Fußballs. Als Schauspieler war ihm allerdings wichtig, diese Antihaltung | |
mit der Freude am Improtheater zu verbinden und so ins Positive zu wenden. | |
„Wir sagen den Leuten: Kommt lieber ins Theater!“ erklärt Jungmann die | |
Aktion. Der besondere Anreiz für das Publikum: Die Tickets für die Shows an | |
den Spieltagen kosten nur fünf statt normalerweise 17 Euro. Nach den | |
Auftritten werden Spenden für Amnesty International gesammelt. | |
Worum es in den Shows geht, entscheidet sich beim Improvisationstheater ja | |
immer erst am Abend. Am 1. Dezember, einem der Termine von „Theatar statt | |
Katar“, soll das Programm allerdings vom Fußball inspiriert sein. | |
Nicht alle Ensemblemitglieder sind Fußballfans und so wird an diesem Tag | |
vieles zur Sprache kommen: „Was lieben wir am Fußball? Was hassen wir am | |
Fußball? – Im Improtheater kann man mit allem spielen“, freut sich Jungmann | |
auf den Abend. | |
19 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Fath | |
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