# taz.de -- Irritierendes Geschichtsinteresse: Der Ausnahme-Türke | |
> Ich saß in der Straßenbahn und hatte ein Buch über die Schlacht von | |
> Verdun in der Hand. Das führte zu Verwirrung. | |
Bild: Deutsche Geschichte: ein verkleideter Mann bei einer Nachstellung der Sch… | |
Wieder einmal schickt mich mein kommunistischer Sohn Mehmet, Bücher für ihn | |
abzuholen. Angeblich seien die von ihm übers Internet bestellten Bücher | |
rein zufällig in einem Laden in der Nähe von Halle 4 gelandet. | |
Läuft das denn wirklich so ab im Internet? Wenn man dort ein Buch bestellt, | |
liefern die das dann an irgendeine Buchhandlung in der Stadt? So rein | |
zufällig? | |
Insgesamt drei Bücher hat Mehmet bestellt. Für diese drei dicken Bücher | |
muss ich jetzt über 100 Euro blechen. Fast einen ganzen Monatslohn! Das | |
Internet zieht einem das Geld aus der Tasche! Kein Wunder, dass Bill Gates | |
Milliardär geworden ist. | |
Auf dem Nachhauseweg in der Straßenbahn schaue ich mir an, für was für | |
einen Schund Mehmet mein schwerverdientes Geld rauswirft. | |
Für Verdun! | |
Was zum Teufel ist denn ein „Verdun“?! | |
„Junger Mann, Sie lesen ‚Die Schlacht um Verdun‘?“, fragt mich eine Oma | |
interessiert, die mir direkt gegenüber sitzt. Verglichen mit ihr bin ich | |
wirklich ein junger Mann. Die Oma ist mindestens 100 Jahre alt, wenn nicht | |
200! | |
„Junger Mann, Sie sind wirklich an der deutsch-französischen [1][Schlacht | |
um Verdun] interessiert?“, fragt sie wieder ungläubig. | |
Sie hat bessere Augen als ich. „Deutsch-Französischer Krieg um Verdun im | |
Jahre 1916“ steht als Unterzeile auf dem Buch. | |
„Haben Sie bei dem Krieg etwa mitgemacht?“, frage ich neugierig. | |
„Ich nicht. Aber meine Eltern. Sie informieren sich also über den | |
[2][Ersten Weltkrieg]?“ | |
„Ich nicht. Aber mein Sohn. Ihn interessieren Gewalttätigkeiten jeglicher | |
Art.“ | |
„Junger Mann, Sie sind wohl ein feiner Franzose, nicht wahr?“ | |
„Nein, nicht dass ich wüsste.“ | |
„Sie sind kein feiner Franzose? Wie ist das bloß möglich?“ | |
„Ich weiß es nicht. Ich bin noch nie Franzose gewesen.“ | |
„Dann sind Sie ein stolzer Spanier.“ | |
„Ach, nein, ich mag nicht mal [3][Stierkämpfe].“ | |
„Na, dann helfen Sie mir doch mal auf die Sprünge, junger Mann.“ | |
„Also gut, ich gebe Ihnen einen Tipp. Von meiner Sorte gibt es relativ | |
viele in Deutschland.“ | |
„Jetzt hab ich’s. Sie sind ein lebenslustiger Italiener.“ | |
Die Dame scheint sich nach der Verdun-Schlacht aus dem öffentlichen Leben | |
zurückgezogen zu haben. Spätestens aber nach dem Anwerben italienischer | |
Gastarbeiter. Von Türken hat sie wohl noch nie was gehört. | |
„Sie werden nie darauf kommen. Ich bin ein waschechter Türke“, sage ich. | |
„Nein! Das ist unmöglich! Das können Sie mir nicht erzählen! Sie machen | |
sich lustig über mich. Sie sind auf gar keinen Fall Türke!“, brüllt sie. | |
„Meinen Sie? Wie hätte denn ein Türke Ihrer Meinung nach zu sein?“ | |
„Nun, das weiß ich auch nicht. Aber ich bin mir absolut sicher, dass kein | |
Türke jemals ein Buch über die Schlacht bei Verdun lesen würde.“ | |
Bei Allah, die Oma hat völlig Recht! | |
Ich wusste schon immer, dass bei Mehmet etwas komisch ist. Ich bin | |
schockiert! Die letzten fünf Vaterschaftstests waren wohl alle manipuliert! | |
Ich hole sofort mein Handy raus und brülle total sauer meine Frau an: | |
„Eminanim, wir müssen reden!“ | |
17 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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