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# taz.de -- Neuer NDR-Talk „Bürgerparlament“: Gutes Reality-TV
> Bei der NDR-Talkshow „Bürgerparlament“ diskutieren normale
> Bürger*innen. Das bringt zwar wenig neue Inhalte, aber dafür wichtige
> Sichtbarkeit.
Bild: Ingo Zamperoni im Studio des „Bürgerparlaments“, einem Nachbau des b…
Nicht ein einziges Mal muss Ingo Zamperoni „ORDEEER“ rufen. Im ersten
„Bürgerparlament“ vom NDR, das optisch dem britischen Unterhaus
nachempfunden ist, geht es nicht besonders hitzig zu. Hier sollen
Bürger*innen miteinander ins Gespräch kommen. Eine „Diskussion auf
Augenhöhe“ ist angekündigt und weiter: „Bürgerinnen und Bürger diskutie…
miteinander, ohne Expertinnen, ohne Politiker, mit Argumenten statt mit
Polemik, scharf, aber respektvoll.“
Warum das Hamburger Studio, in dem schon am Samstag die erste Sendung
aufgezeichnet wurde, dem britischen Parlament nachempfunden ist, wird nicht
klar. Vermutlich, weil der Ort bei Social Media für seine lebhaften
Diskussionen bekannt ist, die nur durch regelmäßige „Order“-Rufe der
Sprecher zur Ruhe gebracht werden.
Immer wieder heißt es in der öffentlichen Debatte, die Bürger*innen
hätten zu wenig Raum im Programm der [1][Öffentlich-Rechtlichen]. Das
Bürgerparlament ist nun einer von mehreren Versuchen, da etwas
dagegenzusetzen. Um daran teilzunehmen, konnte man sich im Vorhinein
bewerben, ausgewählt wurden rund 20 Menschen. Und so diskutierten dann in
der ersten Sendung unter anderem eine 29-jährige Soldatin mit einem
72-jährigen ehemaligen Geschäftsführer und einem 33-jährigen
Wollproduzenten.
Das Thema ist angesichts der Energie- und Klimakrise aktuell gesetzt, es
geht um Verzicht. Müssen wir mehr verzichten? Wie vertrauenswürdig ist die
Regierung in diesen [2][Krisenzeiten]? Und sind die Lasten aktuell gerecht
verteilt in der Gesellschaft?
## Schnelle Entgegnungen auf steile Thesen
In der ersten Frage sind sich die zwanzig Bürger*innen relativ einig:
„Ja, wir müssen mehr verzichten.“ Auf was genau, wer und ob das auf
freiwilliger Basis oder durch staatliche Regelungen passieren soll, da
gehen die Meinungen dann schon auseinander.
Während der Pastor (57 Jahre) zu einer „Kultur des Verzichts“ aufruft,
möchte der 59-jährige Lkw-Fahrer staatliche Regeln und mehr Kontrollen.
Während der Wollproduzent zur Lektüre von Thomas Piketty rät, mahnt die
20-jährige Studentin, dass wir nicht über individuellen Verzicht, sondern
über das System sprechen müssen. Das Gespräch bleibt respektvoll, auf
besonders steile Thesen gibt es schnelle Entgegnungen.
Ingo Zamperoni, bekannt als „Tagesthemen“-Moderator, versucht mit
stichelnden Fragen und Umfragen im Publikum etwas Schwung in die Diskussion
zu bringen. Was vor allem beim Thema Weihnachtsbeleuchtung überraschend gut
funktioniert.
Wirklich konstruktiv ist die Diskussion jedoch am Ende nicht. Statt
miteinander zu reden, scheint es, dass die Beteiligten reihum ihren
einminütigen Vortrag mit dem einen Punkt, den sie machen möchten, auswendig
gelernt vortragen. Darin unterscheidet sich das Bürgerparlament aber auch
nicht wirklich von einer Lanz- oder Anne-Will-Sendung. Statt
Politiker*innen-Statements gibt es nun Statements geschmückt mit
persönlichen Anekdoten vom Spielplatz oder dem Arbeitsplatz.
Doch vielleicht kann eine gehaltvolle Debatte, die neue Impulse setzt, auch
gar nicht das Ziel eines Bürgerparlaments sein. Denn mit der einminütigen
Begrenzung der Redebeiträge bleibt die Sendung zwar kurzweilig, wird aber
auch beliebig. Was das Bürgerparlament stattdessen leisten kann, ist gutes
Reality-TV. Also den Zuschauer*innen zu Hause das Gefühl geben: Hey, das
da im Fernsehen könnte ich sein. Und die Macht von Repräsentation sollte
man nicht unterschätzen.
Hitzig wird es dann vielleicht in der nächsten Woche. Da soll es dann um
unser aller Lieblingsthema, das Gendern, gehen. Vielleicht darf Ingo
Zamperoni dann auch endlich „ORDEEER“ rufen.
9 Nov 2022
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
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NDR
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