# taz.de -- Jahrelanger Kampf um Radweg in Berlin: Am Ende fehlen die Leitboys | |
> Seit 2008 wird ein geschützter Radstreifen auf dem Tempelhofer Damm | |
> gefordert. Nun ist er (fast) fertig. AktivistInnen kritisieren, er sei zu | |
> schmal. | |
Bild: So schnell wie jetzt über den Radstreifen gerollt wird, hätte es mal vo… | |
BERLIN taz | Saskia Ellenbeck strahlt mit der Herbstsonne um die Wette, als | |
sie am Freitag um Punkt zwölf Uhr mittags zum Mikrofon greift, um den | |
[1][geschützten Radfahrstreifen auf dem Tempelhofer Damm einzuweihen]. Ein | |
paar Dutzend RadaktivistInnen haben sich um die grüne Verkehrsstadträtin | |
von Tempelhof-Schöneberg versammelt, und auch deren Parteifreundin, | |
Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch, ist gekommen. Und strahlt mit. | |
„Ich freue mich über die vielen glücklichen Radfahrenden, die ich jetzt von | |
meinem Büro aus vorbeifahren sehe“, sagt Ellenbeck, die vor ihrem aktuellen | |
Job fast fünf Jahre beim ADFC Bundesverband, sprich: als Fahrrad-Lobbyistin | |
tätig war. Ob es daran liegt, dass sie nur sehr vorsichtig der | |
„Zivilgesellschaft“ dankt, die den nötigen Druck für dieses Verkehrsproje… | |
aufgebaut habe? | |
Tatsächlich hat der Radstreifen auf dem T-Damm, wie die Straße allgemein | |
genannt wird, [2][eine lange Vorgeschichte]. Immerhin Jarasch nimmt Bezug | |
darauf, als sie sagt: „Wir sehen schon an den Schildern, welchen langen | |
Atem man haben muss.“ | |
Das Schild, das sie meint, trägt Stefan Gammelien, der sich seit vielen | |
Jahren in der ADFC-Ortsgruppe und beim Netzwerk Fahrradfreundliches | |
Tempelhof-Schöneberg engagiert. „Gefordert vom Kinder- und Jugendparlament | |
sei 2008“, steht darauf. Damals hatte dieses Gremium die dringende | |
Forderung nach sicherer Radinfrastruktur auf dem T-Damm erhoben, nachdem | |
eine 14-jährige Radfahrerin von einem Lkw totgefahren worden war. | |
Auf Google Streetview, wo die Zeit bekanntlich im Jahr 2010 stehen | |
geblieben ist, lässt sich noch sehen, wie Autos damals – und tatsächlich | |
bis vor Kurzem – den T-Damm dominierten. Für Fahrräder gab es keinen | |
sicheren Raum, auch nicht oberhalb der Bordsteinkante neben dem Gehweg. | |
Stattdessen säumten Kfz-Parkplätze die vielbefahrene Straße, und vor ihrer | |
Abschaffung fürchteten sich die Bezirkspolitik so sehr, dass bis 2017 erst | |
einmal gar nichts passierte. | |
Dann – fünf Jahre ist das nun her – [3][sammelten Rad-Bewegte | |
Unterschriften für einen EinwohnerInnenantrag]. Der verlangte geschützte | |
Radstreifen zumindest im Rahmen eines Verkehrsversuchs und wurde | |
schließlich auch vom Bezirksparlament angenommen. Was darauf folgte, war | |
eine – zum Glück nicht ganz – unendliche Geschichte des Hin und Hers | |
zwischen Bezirk und Senat, von Beteiligungsworkshops, Planungen und | |
Umplanungen und immer wieder Demonstrationen, mit denen die besagte | |
Zivilgesellschaft drängelte. | |
## Keine Fackeln und Mistgabeln | |
Beschleunigt und endgültig vom Charakter eines „Versuchs“ befreit wurde das | |
Ganze dann aber durch die unerwartete Anordnung temporärer Busspuren Anfang | |
2021 – die BVG musste dringend die U-Bahn unter dem Damm sanieren. Seitdem | |
gibt es am T-Damm keine Straßenparkplätze mehr. | |
Und obwohl die CDU im Vorfeld verbal den Aufstand geprobt hatte, erschienen | |
am Ende keine BürgerInnen mit Fackeln und Mistgabeln vor dem Rathaus. In | |
Tempelhof wird jetzt offenbar recht problemlos in Parkhäusern und in den | |
Seitenstraßen geparkt, was im Übrigen seit Kurzem gebührenflichtig ist. | |
Während Stadträtin und Senatorin gutgelaunt ein rotes Bändchen in Stücke | |
schneiden, diese als Schleifen um die Fahrradlenker binden und eine Runde | |
drehen, ist die Meinung der AktvistInnen gespalten: Einerseits monieren | |
sie, dass der Prozess so lange gedauert hat und die Breite der Radstreifen | |
nun nach ihrer Auslegung nicht mehr dem Mobilitätsgesetz entspreche – ein | |
Lastenrad darauf zu überholen, sei praktisch unmöglich. Andererseits sind | |
sie froh, dass ihr Engagement am Ende etwas bewegt hat. | |
Von Alt-Tempelhof im Norden bis zur Ullsteinstraße im Süden soll die | |
geschützte Radverkehrsanlage führen. Tatsächlich ist der letzte Teil noch | |
unfertig, weil die Brücke über den Teltowkanal mit dem darinliegenden | |
U-Bahnhof saniert wird. Und auch weiter oben gibt es Abschnitte, an denen | |
weder Poller noch die kleinen „Leitboys“ in den Asphalt geschraubt wurden, | |
um Autos auf Abstand zu halten. Saskia Ellenbeck erklärt das: „Es gibt im | |
Moment Lieferschwierigkeiten bei den Leitboys.“ | |
Wäre ja auch gelacht, wenn am Ende mal alles reibungslos liefe. | |
21 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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