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# taz.de -- Kriegsverbrechen in der Ukraine: Systematisch verschleppt
> Tausende Kinder werden von der Ukraine nach Russland gebracht. Dort
> sollen sie zu Russ:innen umerzogen werden.
Bild: Erst nach zwei Monaten konnte die Ukrainerin Olga Lopatkina ihre Adoptivk…
Kiew AP | Seit mehr als einer Woche hat Olga Lopatkina nichts von ihren
Pflegekindern gehört. Diese waren in der südukrainischen Stadt Mariupol in
einem Bunker eingeschlossen. Eigentlich wollten die sechs dort Ferien
machen, doch die russische Besatzung veränderte alles. Lopatkina wurde
Opfer eines möglichen russischen Kriegsverbrechens: Dabei werden
ukrainische Waisenkinder [1][aus ihrer Heimat verschleppt], um zu Russinnen
und Russen erzogen zu werden.
[2][Recherchen der Nachrichtenagentur AP] zeigen, dass dies bereits in
großem Umfang passiert. Tausende ukrainische Mädchen und Jungen sind aus
Kellern zerbombter Städte wie Mariupol und aus Kinderheimen in
Separatistengebieten im Donbass mitgenommen worden. Dazu zählen Kinder,
deren Eltern bei russischen Angriffen getötet wurden, Kinder aus
Einrichtungen oder aus Pflegefamilien.
Russland erklärt, dass diese Kinder keine Eltern und keine
Erziehungsberechtigten hätten, oder dass kein Kontakt zu diesen hergestellt
werden könne. Die Kinder wurden aber unfreiwillig nach Russland oder in
russisch besetzte Gebiete gebracht.
AP stützt sich auf Dutzende Interviews mit Eltern, Kindern und Jugendlichen
sowie Behördenvertretern in der Ukraine und in Russland. Auch russische
Dokumente, Angaben russischer Staatsmedien, E-Mails und Briefe dienten als
Quelle. „Das ist keine Sache, die spontan auf dem Schlachtfeld passiert“,
sagt [3][Stephen Rapp], ein ehemaliger US-Sonderbotschafter für
Kriegsverbrechensfragen, der die Ukraine bei der Strafverfolgung berät.
„Akt der Großzügigkeit“
Im russischen Recht ist die Adoption ausländischer Kinder eigentlich
untersagt. Putin unterzeichnete im Mai jedoch ein Dekret, das eine
schnellere Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft für ukrainische
Kinder ohne elterliche Fürsorge vorsieht. Geeignete russische Familien zur
Aufnahme der Kinder sind derweil in einem Register geführt, und die
Behörden bieten umfangreiche finanzielle Unterstützung an. Adoptionen
werden als Akt der Großzügigkeit dargestellt, das Staatsfernsehen zeigt die
Zeremonien der Passübergabe an ukrainische Kinder.
Wie viele Jungen und Mädchen bereits aus der Ukraine nach Russland gebracht
wurden, ist schwer zu sagen. Nach ukrainischen Angaben sind es schon fast
8.000. Aus Russland kommen keine aktuellen Zahlen, bereits im März hatte
die russische Ombudsfrau für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, aber von
1.000 ukrainischen Kindern gesprochen. Lwova-Belowa selbst hat einen
Teenager aus Mariupol aufgenommen. Ihr Büro verwies AP bei der Bitte um
Stellungnahme auf eine Antwort Lwova-Belowas, die eine staatliche
Nachrichtenagentur zitiert hatte – nämlich, dass Russland „den Kindern
hilft, ihr Recht auf ein Leben unter einem friedlichen Himmel zu wahren und
glücklich zu sein“.
Bei ihren Recherchen besuchten die AP-Journalisten unter anderem ein Lager
nahe der russischen Küstenstadt Taganrog, wo Hunderte ukrainische
Waisenkinder untergebracht waren. Eine Pflegemutter aus der Region Moskau
sagte ihnen, der Sozialdienst habe sie gebeten, ukrainische Kinder
aufzunehmen. Zu ihren zuvor bereits sechs russischen Pflegekindern habe sie
dann noch drei aus Mariupol aufgenommen. Inzwischen hätten sie alle die
russische Staatsbürgerschaft.
Im Krieg verloren
Auch die Kinder von Olga Lopatkina kauerten tagelang in einem Keller in
ihrem Ferienort bei Mariupol. Der 17 Jahre alte Timofej kümmerte sich um
seine jüngeren Geschwister, von denen drei chronisch krank oder wegen
Behinderungen eingeschränkt sind. Als in der ganzen Stadt der Strom
ausfiel, verloren sie den Kontakt zu ihrer Mutter.
Einem Arzt aus Mariupol gelang es, sie zu evakuieren – nur um dann von
prorussischen Kräften an einem Kontrollpunkt zurückgewiesen zu werden. Die
Kinder und Jugendlichen landeten in einem Krankenhaus in der
Separatistenrepublik Donezk. Bis Timofey seine Mutter endlich erreichte,
war die schon aus der Ukraine geflohen: Olga Lopatkina hatte ihre
18-jährige leibliche Tochter Rada nach Frankreich in Sicherheit gebracht.
Verzweifelt wandten sich Lopatkina und ihr Mann dann an russische und
ukrainische Behörden und baten Aktivisten um Hilfe, ihre Kinder
zurückzubekommen. Als die Behörden in Donezk Lopatkina erklärten, sie dürfe
die Kinder holen, müsse dafür aber über Russland einreisen, fürchtete die
Mutter eine Falle und lehnte ab. Derweil wurde Timofej gesagt, ein Gericht
werde seinen Pflegeeltern die Vormundschaft entziehen und die Geschwister
würden zu neuen Familien in Russland gebracht. Dann endlich schafften Olga
Lopatkina und ihre Unterstützer den Durchbruch: Die Donezker Behörden
ließen zu, dass ein Vermittler die Kinder abholen dürfe. In Frankreich kam
die Familie schließlich wieder zusammen.
16 Oct 2022
## LINKS
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5849294
[2] https://apnews.com/7493cb22c9086c6293c1ac7986d85ef6
[3] https://www.bsg.ox.ac.uk/people/stephen-rapp
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