# taz.de -- Die Grünen bei der Niedersachsenwahl: Das Glas war schon mal voller | |
> Die Grünen konnte Umfragehöhen nicht in reale Ergebnisse ummünzen. Ihr | |
> Wille, in der Landesregierung mitzureden, ist ungebrochen. | |
Bild: Christian Meyer und Julia Willie Hamburg, Spitzenkandidaten der Grünen b… | |
HANNOVER taz | Auf der Wahlparty der Grünen wird um 18 Uhr wild | |
entschlossen gejohlt. Laut ersten Prognosen haben sie rund 14 Prozent der | |
Stimmen geholt. Das ist kein Spitzenergebnis, aber immerhin deutlich mehr | |
als beim letzten Mal. Am frühen Abend sieht es sogar so aus, als würde das | |
Ergebnis knapp für eine rot-grüne Koalition reichen. Nicht die richtige | |
Zeit zum Wundenlecken also. | |
Als die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmern, konzentriert man sich | |
stattdessen auf den politischen Gegner: hämischer Jubel für das schlechte | |
Abschneiden der CDU, Buhrufe für das zweistellige Abschneiden der AfD, die | |
bis auf wenige Sitze an die Grünen heranrückt. | |
„Vom besten Ergebnis, das wir in Niedersachsen je hatten“, spricht | |
Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg trotzdem und davon, dass die Grünen | |
nun alles daransetzen würden, in der Regierung mitzugestalten. | |
„Niedersachsen ist ja immer gut für einen Krimi“, sagt ihr Vize Christian | |
Meyer, aber dieses Mal sehe es so aus, als könne man die bräsige Groko | |
ablösen. | |
Und trotzdem: Mit ihren rund 14 Prozent haben die Grünen weniger gut | |
abgeschnitten als erhofft und erwartet. In Umfragen lagen sie kurz vor der | |
Wahl noch bei 16 Prozent, im Sommer sogar bei 20 Prozent und mehr. Dann kam | |
auf Bundesebene Robert Habecks missglückter Talkshowauftritt mit dem | |
Insolvenz-Fauxpas und [1][die vermurkste Gasumlage]. | |
Der Superstar der Grünen ging in den Sinkflug und die Umfragewerte in | |
Niedersachsen gleich mit. Dazu zerrten Debatten um [2][Atom- und | |
Kohlekraftwerke] an den Nerven.In Niedersachsen sprach man sich trotzdem | |
Mut zu: Die Umfragewerte seien so schlecht gar nicht, die Unzufriedenheit | |
mit der Ampelregierung im Bund bei den Anhängern anderer Parteien viel | |
größer, der Sinkflug nicht mehr als ein Schluckauf. | |
Tapfer hielt man an der Strategie fest, für ein rot-grünes Bündnis zu | |
werben, ohne eine Zweitstimmenkampagne zu fahren. Auch das war neu und | |
Ausdruck eines gewachsenen Selbstbewusstseins. Nur starke Grüne könnten | |
„den Turbo in der Energiewende“ garantieren, gehörte zu den | |
Lieblingsclaims. | |
Mit dem Spitzenduo aus [3][Julia Willie Hamburg] und Christian Meyer | |
glaubte man sich für alle Bereiche gewappnet: Julia Hamburg als junge Frau | |
fürs eher urbane Publikum und mit dem Blick für Familienfragen, der | |
Ex-Landwirtschaftsminister als bekennendes Landei für den ländlichen Raum | |
und die Umweltbewegung. | |
## Zerriebene zwischen den Großen | |
Am Ende lag es möglicherweise auch weniger an diesen beiden, dass die | |
Grünen unter ihren Erwartungen blieben. Sie wurden schlicht zwischen den | |
beiden Großparteien zerrieben, die das Rennen erfolgreich auf die | |
Ministerpräsidentenfrage zuspitzten. Dazu kommt: Eine massive Krise | |
produziert bei vielen nicht unbedingt Aufbruch- und Wechselstimmung. | |
Die Grünen konnten dagegen nur darauf setzen, als Koalitionspartner eben | |
trotzdem gefragt zu sein. Vor der Wahl hatten sie sich alles offengelassen: | |
Zwar liegen zwischen der niedersächsischen CDU und den niedersächsischen | |
Grünen inhaltlich Welten und persönlich eine Menge alter Verletzungen. | |
Das liegt daran, dass die Landes-CDU hier sehr konservativ ist, vor einigen | |
Jahren die grüne „Verräterin“ Elke Twesten in ihrer Fraktion aufnahm und | |
damit das erste rot-grüne Kabinett unter Weil zu Fall brachte. Seitdem | |
schenkte man sich im Landtag von Seiten beider Fraktionen nichts. | |
Kategorisch ausgeschlossen hatten die Grünen eine schwarz-grüne Koalition | |
trotzdem nicht. Man wäre ja schön blöd gewesen, damit die eigene | |
Verhandlungsposition zu schwächen. Und anderswo – in Schleswig-Holstein und | |
NRW – scheint es ja auch zu funktionieren. Nach dem Wahltag hat sich die | |
Option nun aber wohl schon rein rechnerisch erledigt. | |
Noch viel mehr hofften Hamburg und Meyer natürlich schon vorab auf eine | |
Wiederbelebung der rot-grünen Koalition. In diese Richtung schielte am | |
Sonntagabend auch die Bundespartei: Im ZDF sprach schon kurz nach 18 Uhr | |
Parteichef Omid Nouripour von einem „Auftrag, dass wir regieren“. | |
9 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Energiepreisbremse-der-Bundesregierung/!5882806 | |
[2] /Reservebetrieb-von-Atomkraftwerken/!5880550 | |
[3] /Gruene-Spitzenkandidatin-in-Niedersachsen/!5884863 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
## TAGS | |
Landtagswahl in Niedersachsen | |
Niedersachsen | |
Grüne Niedersachsen | |
GNS | |
Landtagswahl in Niedersachsen | |
Sozialpolitik | |
Landtagswahl in Niedersachsen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Niedersachsens Grünen wählen Spitzenduo: Zwei fürs Gemüt | |
Greta Garlichs und Alaa Alhamwi führen künftig Niedersachsens Grüne. Beide | |
wissen, wie sie grüne Herzen erfreuen können. | |
Grüner Nouripour zur Energiekrise: „Wir halten am Atomausstieg fest“ | |
Grünen-Co-Chef Omid Nouripour bekräftigt im taz-Interview das Festhalten | |
der Partei am Atomausstieg: „Wir werden sicher keine neuen Brennstäbe | |
bestellen.“ | |
Landtagswahl in Niedersachsen: Alte Liebe, neue Streitigkeiten | |
Im Wahlkreis Hannover-Linden zeigt sich, was Rote und Grüne eint, aber auch | |
trennt. Die Koalitionsverhandlungen werden möglicherweise nicht so einfach. |