# taz.de -- Konservative Regierung in Großbritannien: Allheilmittel Steuersenk… | |
> Die ersten Auftritte der britischen Premierministerin Truss und ihrem | |
> Kabinett sorgen für Turbulenzen an den Märkten. Das Pfund ist auf | |
> Talfahrt. | |
Bild: Premierministerin Liz Truss bei der Vorstellung eines neuen Wachstumsplan… | |
Einen fulminanten Start ab dem ersten Tag [1][versprach Liz Truss], als sie | |
am 6. September neue Premierministerin Großbritanniens wurde. Zwei Tage | |
später starb Queen Elizabeth II. und das öffentliche Leben kam zum | |
Stillstand, bis zum [2][Staatsbegräbnis] am 19. September. Umso | |
spektakulärer tritt Großbritanniens vierte konservative Premierministerin | |
in Folge seitdem bisherige konservative Gewissheiten in die Tonne und sorgt | |
für Entsetzen bis weit in die eigene Partei hinein. | |
Hauptgrund: Der Nachtragshaushalt, den Finanzminister Kwasi Kwarteng am | |
vergangenen Freitag im Unterhaus vorstellte. Offiziell lediglich ein | |
„fiskalisches Ereignis“, bewegt der sogenannte „Mini-Haushalt“ mehr als… | |
mancher ordentliche Haushaltsentwurf – vor allem auf den Finanzmärkten, die | |
seitdem das britische Pfund auf Talfahrt und die britischen Anleiherenditen | |
auf Höhenflüge schicken. | |
Kwarteng vollzog einen deutlichen neoliberalen Schwenk. Erstes Element: | |
Steuersenkungen, vor allem für Unternehmer und Gutverdiener. Der | |
Spitzensteuersatz von 45 Prozent wird abgeschafft; die Steuerprogression | |
endet jetzt mit dem bisher zweithöchsten Satz von 40 Prozent. Die für | |
nächstes Jahr geplante Anhebung des Unternehmensteuersatzes von 19 auf 25 | |
Prozent wird ausgesetzt. Die aus der EU-Ära geerbte Bonusobergrenze für | |
Banker wird abgeschafft. Weiter wird die für 2024 geplante Senkung des | |
Eingangstarifs von 20 auf 19 Prozent auf 2023 vorgezogen und die erst vor | |
einem Jahr beschlossene Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig | |
gemacht. | |
Zweites Element: Anreize für Investitionen. Dazu gehören erweiterte | |
Abschreibungsmöglichkeiten, die Vereinfachung des Planungsrechts und die | |
Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Landesweit sollen 38 | |
„Investitionszonen“ entstehen, in denen zahlreiche Vorgaben wegfallen und | |
weder Gewerbesteuern noch Sozialversicherungsbeiträge anfallen. | |
## Mehr Ausgaben, weniger Steuern | |
„Einen neuen Zugang für eine neue Ära“ nannte Kwarteng sein Maßnahmenpak… | |
und erklärte, er wolle den bisherigen „Teufelskreis der Stagnation“ in | |
einen „segensreichen Kreis des Wachstums“ verwandeln – ganz so, als käme… | |
frisch an die Macht. Dabei war er selbst Wirtschaftsminister in der | |
Regierung Boris Johnson. Er zerpflückt vor allem das Werk seines | |
Vorvorgängers Rishi Sunak, der im Sommer den parteiinternen Wahlkampf um | |
Johnsons Nachfolge gegen Liz Truss verlor, die Steuersenkungen versprach, | |
während er Haushaltsdisziplin anmahnte. Übernommen hat Kwarteng lediglich | |
Sunaks Entlastungspaket für Energieverbraucher mit Unterstützungsmaßnahmen | |
von 60 Milliarden Pfund. | |
Mehr Ausgaben, weniger Steuern – damit droht eine rapide Zunahme der | |
Kreditaufnahme der britischen Regierung. Noch während Kwartengs Rede im | |
Parlament am Freitag schossen die Zinserwartungen der Anleger in die Höhe. | |
Da die britische Zentralbank zögert, sackte am Montag, dem ersten vollen | |
Geschäftstag danach, das Pfund auf den Märkten zeitweise ab wie ein Stein. | |
Es hat sich etwas erholt, aber nun steht die Erwartung kräftiger | |
Zinserhöhungen im Raum, was wiederum die Ausgaben für den Schuldendienst | |
erhöht. | |
Die Aufregung über Kwartengs Pläne ist etwas übertrieben. Sein | |
spektakuläres Paket besteht tatsächlich bloß aus Ankündigungen, die erst | |
noch in kommende Haushaltsentwürfe einzuarbeiten sind. Das erklärt auch die | |
gelassene Reaktion der Zentralbank, die zu einzelnen Maßnahmen jetzt | |
„Konsultationen“ ankündigt. Eine reguläre Haushaltserklärung ist erst En… | |
November fällig. | |
Aber Truss wollte wohl ein Zeichen setzen, bevor sie sich kommende Woche | |
beim Jahresparteitag der Konservativen bewähren muss. Manche ihrer Anhänger | |
begrüßen ihre Risikofreude und jubeln, dass endlich was passiert. Andere | |
dürften dem Urteil des Economist zustimmen: „Kwartengs Wunsch nach | |
Wachstumsförderung ist löblich, aber sein Plan wird ökonomisch nicht | |
funktionieren und dürfte politisch nach hinten losgehen.“ | |
27 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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