# taz.de -- Streit um Pagode in Berlin: Buddhisten droht Räumung | |
> Der Bezirk Lichtenberg will eine Pagode abreißen lassen. Anfang 2023 muss | |
> die vietnamesisch-buddhistische Gemeine das Gebäude verlassen. | |
Bild: Gläubige in der Pagode in Hohenschönhausen | |
Erstmals seit dem Mauerfall soll in Berlin ein Gotteshaus auf Betreiben | |
einer Behörde schließen. 1961 mussten die evangelische Versöhnungskirche in | |
der Bernauer Straße in Mitte sowie die katholische Kapelle Staaken | |
schließen, weil sie zu dicht an der Mauer standen; 1985 beziehungsweise | |
1987 wurden sie abgerissen. Im aktuellen Fall stört den Bezirk Lichtenberg | |
die Nähe eines Gotteshauses zu Gewerbebetrieben. Allerdings handelt es sich | |
nicht um eine christliche Kirche, sondern um eine | |
vietnamesisch-buddhistische Pagode. | |
Bis zum 7. Januar 2023 muss die rund 200 Mitglieder zählende | |
Pho-Da-Pagodengemeinde in der Marzahner Straße in Hohenschönhausen ihre | |
Arbeit vor Ort einstellen. Sonst droht ein Bußgeld von 5.000 Euro – oder | |
eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Mönch, der mit Genehmigung des | |
Auswärtigen Amtes in der Pagode seinen Dienst verrichtet. | |
Doch damit nicht genug. Sollte die Gemeinde eine 2016 ohne Genehmigung | |
erfolgte Erweiterung der Pagodengebäude bis zu diesem Zeitpunkt nicht | |
abreißen, will der Bezirk damit ein Unternehmen beauftragen und die Kosten | |
von voraussichtlich rund 15.000 Euro der Gemeinde in Rechnung stellen. So | |
steht es in einem Behördenschreiben, das der taz vorliegt. Anliegen des | |
Bauamtes ist dem Schreiben zufolge die „Sicherung“ des Standortes „für | |
produktionsgeprägte Nutzungen“. | |
Der Konflikt zwischen Buddhisten und Bezirk schwelt offiziell seit 2018. | |
Damals entdeckte das Lichtenberger Bauamt bei einer Kontrolle die Pagode, | |
die 2006 in das Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes in Hohenschönhausen | |
eingezogen war und 2016 das Gebäude erweitertet hatte. Zumindest einigen | |
Bezirkspolitikern war die Thematik schon deutlich länger bekannt: 2006 | |
hatte die damalige Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) dort einer | |
Feier beigewohnt. | |
Postwendend verfügte das Bauamt 2018 die Schließung der Pagode. Auf | |
öffentlichen Druck hin hat es deren Betrieb jedoch bisher stets für jeweils | |
weitere sechs Monate geduldet und die Gemeinde im Gegenzug aufgefordert | |
umzuziehen. Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) hatte der Gemeinde zudem Hilfe | |
bei der Suche nach einem Ersatzstandort angeboten. | |
Der ganze Streit hätte wohl verhindert werden können. Als die Pagode in die | |
einstige Pförtnerloge zog, stellte die Gemeinde keinen Bauantrag, weil sie | |
keine Umbauten vorgenommen hatte. Dass sie beim Bauamt eine | |
planungsrechtliche Umwidmung hätte beantragen müssen, wusste die Gemeinde | |
angeblich nicht. Diese Genehmigung hätte sie im Jahr 2006, als es in der | |
Gegend noch viel Leerstand gab, problemlos bekommen. | |
## Ersatzort? Suche aussichtslos | |
Seit 2019 ist sie nun auf der Suche nach einem Ersatzstandort, was wegen | |
des generell schwierigen Immobilienmarktes in Berlin bisher gescheitert | |
ist. Derzeit befindet sich die Gemeinde nach Angaben ihres Mitgliedes Doan | |
Hai in Kaufverhandlungen mit einem Grundstückseigner: Der Kaufpreis sei | |
aber zu hoch; zudem sei unklar, ob das Bauamt eine Pagode am jetzigen | |
Standort genehmigen würde. | |
Die Gemeinde ist die zweitgrößte vietnamesisch-buddhistische Gemeinde in | |
Berlin. Sie wird vor allem von älteren einstigen Vertragsarbeitern besucht, | |
die oft kurz vor dem Rentenalter sind. Eine Spezialisierung der Gemeinde | |
ist eine professionelle Begleitung im Trauerfall, für viele ältere | |
Vietnamesen ein sehr wichtiges Angebot. | |
## „Hier kann ich zur Ruhe kommen“ | |
[1][My Ha Phan,] eine Gastronomin, die die Gemeinde regelmäßig besucht, | |
sagte der taz: „Hier kann ich zur Ruhe kommen, wenn ich im Beruf Stress | |
habe. Ich möchte in keine andere Gemeinde wechseln, weil ich hier | |
menschlich verwurzelt bin.“ Zudem schätze sie, dass der Mönch „an das | |
Gemeinwohl denkt und nicht so materiell eingestellt ist wie viele andere | |
buddhistische Mönche“. Er unterstütze Ukraineflüchtlinge, Hochwasseropfer | |
und Obdachlose, statt Spendengelder für repräsentative Zwecke zu erbitten, | |
berichtet sie. | |
Würde statt einer buddhistischen Pagode eine christliche Kirche oder eine | |
jüdische Synagoge an dem Ort stehen, könnte der Bezirk sie nicht | |
vertreiben. Denn diese Einrichtungen genießen im Baurecht ein | |
Religionsprivileg. Baustadtrat Hönicke schiebt darum die Schuld für die | |
Auseinandersetzung dem Gesetzgeber zu. Anders als christliche und jüdische | |
Gotteshäuser gelten Pagoden, so Hönicke, im Baurecht nicht als religiöse, | |
sondern als kulturelle Einrichtungen. „Ich finde hier auch nicht die | |
Gleichheit der Religionen wieder. Das muss endlich vom Gesetzgeber geändert | |
werden.“ Bis dahin könne das Bauamt aber nur nach geltendem Recht handeln. | |
Max Müller forscht an der Freien Universität zum religiösen Leben der | |
Vietnamesen in Berlin und begleitet die Gemeinde schon länger in ihrem | |
Kampf um ihre Pagode. Damit diese auch über den 7. Januar 2023 Gläubigen | |
offen steht, hat er vor wenigen Tagen [2][eine Petition im Internet] für | |
ihren Erhalt gestartet. Bislang unterstützen rund 200 Menschen das | |
Anliegen. | |
11 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Vietnamesische-Community-in-Berlin/!5673486 | |
[2] https://www.openpetition.de/petition/statistik/petition-zum-erhalt-eines-vi… | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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