# taz.de -- Nachhaltige Stadtentwicklung: Reden hilft – oder doch nicht? | |
> Wie nachhaltig ist das Konzept der innerstädtischen Nachverdichtung | |
> wirklich? Bei einer Anhörung im Bauausschuss gingen die Meinungen | |
> auseinander. | |
Bild: Ohne Grün wäre hier das meiste grau (Symbolbild) | |
BERLIN taz | Vor Kurzem erst [1][hatte das „Berliner Bündnis Nachhaltige | |
Stadtentwicklung“ (BBNS)] zusammen [2][mit den Umweltverbänden BUND und | |
Nabu Alarm geschlagen]: Die bauliche Nachverdichtung der Stadt führe immer | |
öfter dazu, dass wertvolle grüne Räume wie baumbestandene Innenhöfe oder | |
MieterInnengärten vernichtet würden. Aus historischen Gründen betreffe das | |
in erster Linie die locker bebauten Wohnviertel aus DDR-Zeiten im Osten der | |
Stadt, wo das geltende Baurecht es gerade den landeseigenen Gesellschaften | |
ermögliche, Wohnungen ohne Bebauungsplan („B-Plan“) zu errichten. | |
Einen Brandbrief verschickte das Bündnis an Bausenator Andreas Geisel | |
(SPD), nun konnte es bei einer Anhörung im Bauausschuss des | |
Abgeordnetenhauses am Montag den ParlamentarierInnen seine Forderung nach | |
einem Baumoratorium präsentieren. Allein im letzten Jahr habe man zehn | |
Fälle begleitet, bei denen AnwohnerInnen wertvolles Grün verloren hätten, | |
sagte Sprecherin Freya Beheschti – und es gehe schon weiter: „Eine Woche | |
nach Beginn der Fällsaison am 1. Oktober wurden in Hellersdorf die ersten | |
Bäume abgesägt.“ Trotz Klimanotstands sei „kein Konzept für eine | |
klimaresiliente und gesunde Stadt“ erkennbar, und vor allem finde keine | |
angemessene Bürgerbeteiligung statt. | |
Stadt- und Raumplaner Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik | |
merkte an, dass Nachverdichtung gut fürs Klima sein könne, weil An- oder | |
Ausbauten im Bestand Ressourcen beim Bau selbst oder bei der verkehrlichen | |
Erschließung sparten. Gehe man es richtig an, könnten solche Maßnahmen | |
sogar als Hebel zur Verbesserung eines Wohnumfelds dienen. Gleichzeitig | |
warnte Bunzel vor einer Überforderung der vorhandenen sozialen oder grünen | |
Infrastruktur. Aber auch ohne B-Plan habe die Politik die Möglichkeit, mit | |
[3][Instrumenten wie der „Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme“] stärkeren | |
Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen. | |
Den harten Hund gab der für Bauen und Wohnen zuständige Staatssekretär | |
Christian Gaebler (SPD): Angesichts der aktuellen Bevölkerungsprognose, | |
nach der Berlin 2040 an der Vier-Millionen-Marke kratzt, könne man einfach | |
„nicht sagen: Wartet mal, wir müssen jetzt überall B-Pläne machen.“ Die | |
Zeit für solche langwierigen Prozesse gebe es angesichts der herrschenden | |
Wohnungsnot nicht, so Gaebler, der nicht nur auf den Zuzug ukrainischer | |
Geflüchteter verwies, sondern auch auf Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, | |
die schon seit 2015 in Gemeinschaftsunterkünften leben müssten. | |
Sicherlich werde manchmal im Vorfeld zu wenig über Bauprojekte diskutiert, | |
räumte Gaebler ein – aber es gebe ja auch positive Beispiele. Als solches | |
führt er das Nachverdichtungs-Vorhaben der „Stadt und Land“ an der | |
Treptower Orionstraße an: Dort habe das Bezirkamt nach Protesten der | |
AnwohnerInnen eine Vereinbarung mit der Wohnungsbaugesellschaft getroffen, | |
wie die geplanten rund 100 Wohnungen umfeldverträglicher errichtet werden | |
könnten. | |
## Deal am Ende geplatzt | |
Für die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg ein willkommenes Stichwort. Sie | |
verwies nämlich auf das frustrierende Ende dieser hoffnungsvollen | |
Entwicklung: [4][Die Stadt und Land verkündete am Ende], einen zuvor mit | |
dem Bezirk ausgehandelten Grundstückstausch doch nicht wahrzunehmen und die | |
ursprünglichen Pläne zu verwirklichen – alles andere sei angesichts der | |
rasant steigenden Baukosten nicht wirtschaftlich. | |
An Daniel Sprenger vom Vorstand der Architektenkammer Berlin, einen | |
weiteren geladenen Experten, richtete Gennburg die Frage, ob nicht die | |
Grundfesten der A100 zwischen Neukölln und Treptow ein gutes Fundament für | |
geschätzt 10.000 neue Wohnungen hergäben. Sprenger wollte dies offenbar | |
nicht als Entweder-Oder verstehen, er verwies auf Autobahnüberbauungen wie | |
den schon legendären Komplex an der Schlangenbader Straße in Wilmersdorf. | |
Solche Kombinationslösungen könnten auch eine Zukunft haben, würden aber | |
nie die entscheidene Rolle spielen, denn: „Das ist und bleibt teuer.“ | |
Der Architekt äußerte dann noch einen sehr naheliegenden Wunsch: | |
Rot-Grün-Rot solle endlich die [5][vom gleichfarbigen Vorgängersenat | |
erarbeitete Charta Stadtgrün] verabschieden. Die anspruchsvolle politische | |
Selbstverpflichtung, die die Erhaltungswürdigkeit von Grünflächen deutlich | |
hochstufen würde, war im letzten Wahlkampf von der SPD torpediert worden | |
und verstaubt seitdem im Abgeordnetenhaus. | |
Update 12.10.: Laut Claudia Leistner (Grüne), für Umwelt zuständige | |
Stadträtin im Bezirk Treptow-Köpenick, konnte der zuerst gescheiterte Deal | |
zwischen der Stadt und Land und dem Bezirk „nach langen Verhandlungen“ mit | |
den Senatsverwaltungen für Finanzen und Satdtwentwicklung doch noch | |
gerettet werden. „Der Innenhof wird nicht bebaut“, so Leistner, der | |
Flächentausch komme zustande, alle rechtlichen Fragen seien geklärt. | |
11 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nachhaltigestadtentwicklung.berlin/ | |
[2] /Kritik-an-der-Baupolitik-des-Senats/!5880329 | |
[3] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadtern… | |
[4] https://www.stadtundland.de/Bauen/Neubau/Treptow-Koepenick/in-planung/am-pl… | |
[5] /Buendnis-fuer-Stadtgruen-Charta/!5812302 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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