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# taz.de -- Säuberungswelle in Chinas KP: Korruption und Dissens
> Hochrangige Kader werden zu drastischen Strafen wegen Korruption
> verurteilt. Eine Warnung an politische Widersacher, wenige Wochen vor dem
> Parteitag.
Bild: Sun Lijun, ehemaliger Vize-Minister für öffentliche Sicherheit, bei der…
Peking taz | Am Freitag hat die größte Säuberungswelle innerhalb des
chinesischen Machtapparats der letzten Jahre ein spektakuläres Ende
gefunden: Sun Lijun, ehemaliger Vize-Minister für öffentliche Sicherheit,
wurde zum Tode verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe für zwei
Jahre ausgesetzt und dann in lebenslange Haft umgewandelt werden soll.
Das Gericht im nordchinesischen Changchun sieht es als erwiesen an, dass
der 53-jährige Parteikader während seiner gesamten politischen Karriere
Bestechungsgelder in Höhe von nahezu 100 Millionen Euro angenommen hat. Des
Weiteren soll Sun Börsenkurse manipuliert und mehrere Schusswaffen besessen
haben.
Doch seine Causa hat darüber hinaus vor allem eine politische Dimension:
Sun wird vorgeworfen, als führender Kopf eine oppositionelle „Clique“
formiert zu haben, die sich gegen Staats- und Parteichef Xi Jinping
positioniert hat. Auch der ehemalige Justizminister Fu Zhenghua, der am
Donnerstag ebenfalls wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt
wurde, soll der politischen Seilschaft angehört haben.
Ähnlich gelagert sind zudem die Fälle der Polizeichefs von Shanghai,
Chongqing und Shanxi, die diese Woche zu langjährigen Gefängnisstrafen
verdonnert wurden. Insgesamt hat es allein diese Woche sechs führende Kader
aus dem chinesischen Sicherheitsapparat getroffen.
## Wer als korrupt am Pranger steht, entscheidet die Führung
Der Zeitpunkt der hoch orchestrierten Säuberungswelle ist natürlich kein
Zufall. Sie erfolgt nur wenige Wochen vor dem historischen 20.
Parteikongress in Peking, bei dem [1][Xi Jinping] voraussichtlich seine
dritte Amtszeit ausrufen wird – als erster Staatschef seit Mao Zedong. Denn
nach Maos Tod hatte die Führung der [2][Kommunistischen Partei]
höchstselbst die Machtdauer des Staatschefs auf zwei Legislaturperioden
beschränkt. Dass Xi mit dieser Konvention bricht und sich potenziell als
Führer auf Lebenszeit proklamiert, dürfte innerhalb des Machtapparats
erhebliche Kontroversen ausgelöst haben.
Der seit 2012 amtierende Parteichef hatte bereits bald nach seiner
Machtergreifung eine beispiellose Anti-Korruptions-Kampagne ausgerufen, die
in den letzten Jahren hunderttausende Regierungsbeamte hinter Gitter
brachte.
Dabei ging es dem 69-Jährigen einerseits darum, die tatsächlich
grassierende Korruption einzudämmen. Der Parteiapparat war damals ganz
offensichtlich moralisch verkommen: Nicht wenige lokale Regierungsvertreter
haben in jenen Tagen selbst vor ausländischen Journalisten stolz ihre
Mätressen und Golduhren zur Schau gestellt. Bei spektakulären Razzien der
letzten Jahre haben sich dementsprechend tiefe Abgründe aufgetan.
## Verhaftungen zur besten Sendezeit
Doch gleichzeitig hat Xi seine Kampagne stets auch dazu genutzt, politische
Konkurrenten mundtot zu machen. Denn Beobachter merkten bereits früh an,
dass seine engsten Verbündeten vom Korruptionskampf verschont blieben.
Zudem ist Xis Sicherheitsapparat auch konsequent gegen
Investigativjournalisten vorgegangen, die während der Nullerjahre noch
etliche korrupte Parteikader auf Lokalebene aufdecken konnten. Die
Botschaft war klar: Wer an den Pranger gestellt wird, entscheidet die
Parteiführung. Die jetzigen Urteile sind zweifelsohne auch als Warnung an
potenzielle Widersacher zu verstehen.
Die Botschaft der Säuberungswelle dürfte auch innerhalb der Bevölkerung
verfangen: Zu bester Sendezeit wurden die – mutmaßlich erzwungenen –
Geständnisse der geschassten Parteikader im Staatsfernsehen ausgestrahlt
und mit martialischen Slogans zelebriert: „Sortiert die schädlichen
Mitglieder von der Herde aus!“
23 Sep 2022
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
China
Xi Jinping
Politische Justiz
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Kolumne Fernsicht
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