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# taz.de -- Raketenfehlstart in Südkorea: „Ich dachte, es wäre Krieg“
> In Gangneung wurde ein fehlgeschlagener Raketenstart zunächst geheim
> gehalten. Gerade deshalb löste er bei Anwohnern dort Panik aus.
Bild: Nächtliches Feuer bei Gangnueng nach dem gescheitertern Raketenstart
Peking taz | Es war ein furchteinflößender Anblick: Nur Stunden, nachdem
Nordkorea eine [1][Mittelstreckenrakete über Japan abgefeuert] hatte,
entdeckten die Anwohner der südkoreanischen Ostküstenstadt Gangneung einen
orange leuchtenden Flugkörper über dem Nachthimmel ihrer Stadt. Wenig
später loderten riesige Flammen von der nahegelegenen Militärbasis auf. Was
war bloß geschehen?
Bis zum Morgengrauen tasteten die Südkoreaner im Dunkeln. Die
Fernsehnachrichten erwähnten den Vorfall nicht, auch die Webseiten der
großen Zeitungen blieben stumm. Das mehrstündige Informationsvakuum wurde
schlussendlich auf den sozialen Medien mit wilden Spekulationen gefüllt:
„Ich dachte, es wäre Krieg“, kommentierte etwa ein Südkoreaner. Andere
Bewohner in Gangneung verließen fluchtartig ihre Wohnungen – aus Angst, es
handele sich um einen Angriff Nordkoreas, das schließlich nur 100 Kilometer
entfernt liegt.
Erst nach rund neun Stunden schaffte das südkoreanische Militär Klarheit:
Ein Raketenstart der eigenen Streitkräfte in der Nacht auf Mittwoch sei
schief gelaufen, hieß es. Der Flugkörper der Kurzstreckenrakete habe zwar
einen Sprengkopf mit sich geführt, dieser sei allerdings nicht explodiert.
Niemand sei bei den Ereignissen zu Schaden gekommen.
Doch der Vorfall kommt zu einem äußerst delikaten Zeitpunkt. Die Spannungen
auf der koreanischen Halbinsel sind derzeit so hoch wie seit Jahren nicht
mehr. Am Dienstag feuerte Nordkorea eine Rakete ab, die für mehr
Aufmerksamkeit sorgte als die anderen in den Tagen zuvor.
## Südkoreas Rakete ging quasi nach hinten los
Denn die Mittelstreckenrakete flog nicht nur so weit wie keine andere
nordkoreanische Rakete zuvor, sondern auch erstmals seit über fünf Jahren
wieder über die japanische Inselkette hinweg. Dort löste sie in zwei
nördlichen Regionen sogar einen seltenen Raketenalarm aus.
Südkorea antwortete umgehend, indem es über einer unbewohnten Insel im
Gelben Meer demonstrativ zwei Präzisionsbomben abwarf. In der Nacht auf
Mittwoch folgte dann der zweite Schlag: Die gemeinsamen Streitkräfte der
Südkoreaner und US-Amerikaner feuerten vier Boden-Boden-Raketen in Richtung
Japanisches Meer (koreanisch: Ostmeer), um Nordkorea – wie es in einer
Stellungnahme hieß – vor weiteren Provokationen abzuschrecken.
Doch schreckten sie vor allem Südkoreas Bevölkerung auf. Denn der
Generalstab kehrte zunächst unter den Teppich, dass in Gangneung auch eine
fünfte Rakete abgefeuert wurde – die aus bisher unbekannten Gründen
fehlschlug.
Dass man den Vorfall fast neun Stunden verdeckt hielt, deutet auf eine
Nachrichtensperre hin, welche die Behörden über das sensible Thema verhängt
haben. Diese radikale Maßnahme wirkte jedoch kontraproduktiv, weil sie das
Vertrauen in die Armeeführung beschädigte.
## Gangneung hat schon schlechte Erfahrungen mit Nordkorea
Dabei ist es ein ironischer Wink des Schicksals, dass sich der Vorfall
ausgerechnet in Gangneung ereignet hat. Denn im eigentlich verschlafenen
Küstenort, keine anderthalb Autostunden von der verminten Demarkationslinie
entfernt, ist die Bevölkerung besonders wachsam gegenüber der Bedrohung aus
dem Norden.
Im September 1996 wurde hier ein gestrandetes U-Boot aus Nordkorea
gefunden, das die Bevölkerung in Panik versetzte. Bei der anschließenden
Fahndung nach der Besatzung kamen bei Schusswechseln mehrere Dutzend
Personen ums Leben, darunter mehrere Zivilisten.
Am Mittwoch hingegen ist immerhin niemand zu Schaden gekommen – außer ein
niedergebrannter Militärgolfplatz. Dennoch bleibt nur zu hoffen, dass die
südkoreanische Armee künftig transparenter mit ihren Fehlschlägen umgehen
wird.
Die Gelegenheit dazu wird sich möglicherweise schon bald bieten: Die USA
haben am Mittwoch erneut den nuklearbetriebenen Flugzeugträger „USS
Reagan“ in die Gewässer vor der koreanischen Ostküste entsandt. Nordkorea
wird dies zweifellos als schwerwiegende Provokation verstehen. Der Reigen
aus Raketentests und militärischem Säbelrasseln dürfte sich also auch in
den kommenden Wochen fortsetzen.
5 Oct 2022
## LINKS
[1] /Pjoengjang-zuendet-Mittelstreckenrakete/!5885893
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Nordkorea
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