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# taz.de -- Atommülllager in der Schweiz: Ziemlich nah dran
> Die Schweiz will ihren Atommüll in unmittelbarer Nähe der deutschen
> Grenze lagern. Vor einigen Jahren war das Gebiet noch als ungeeignet
> eingestuft worden.
Bild: Im Gebiet Nördlich Lägern im Stadeler Haberstal in der Schweiz soll ein…
Bern dpa | Die Entscheidung der Schweiz für den Standort ihres
Atommüll-Endlagers nahe der baden-württembergischen Ortschaft Hohentengen
ist auf beiden Seiten der Grenze skeptisch aufgenommen worden. Das Gebiet
Nördlich Lägern war vor einigen Jahren als eher nicht geeignet eingestuft
worden, wurde nun aber doch unter den drei verbliebenen Standorten
ausgewählt, wie die [1][Nationale Genossenschaft für die Lagerung
radioaktiver Abfälle (Nagra)] mitteilte. Genauer erläutern will die Nagra
dies am Montag.
Der Bürgermeister von Hohentengen, Martin Benz, will den
Entscheidungsträgern sehr genau „auf den Zahn fühlen“, wie er der Deutsch…
Presse-Agentur sagte. „Sie müssen sehr gut begründen, warum ein
zurückgestellter Standort plötzlich zum präferierten Standort wird“, sagte
er. Die Grenze ist dort teilweise nur wenige hundert Meter entfernt. Den
Bewohnern sei klar, dass der radioaktive Müll vorhanden ist und entsorgt
werden muss, sagte Benz. Auch sie seien für die Lagerung am sichersten Ort.
„Aber diese Fragen müssen beantwortet werden: Was gibt es für
Störfallszenarien und wie ist man darauf vorbereitet?“
Die sozialdemokratische Schweizer Politikerin Astrid Andermatt sprach von
einer schockierenden Vorstellung. Sie engagierte sich jahrelang in dem
Verein „Nördlich Lägern ohne Tiefenlager“. „Die Nagra hat offenbar mitt…
im Verfahren die Kriterien anders gewertet“, sagte Andermatt der Zeitung
Der Landbote. „Das wirkt unseriös.“
Das Bundesumweltministerium bezeichnete die Entscheidung der Schweiz am
Samstagabend als Belastung für die betroffenen Gemeinden. Die grenznahe
Lage „stellt sowohl in der Errichtungsphase als auch beim Betrieb des
Endlagers für diese und umliegende Gemeinden eine große Belastung dar“,
sagte Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im
Bundesumweltministerium und Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg,
auf Anfrage. „Ich setze mich bei der Schweiz dafür ein, dass die bisherige
gute Einbindung der deutschen Nachbarn fortgesetzt wird.“ In Deutschland
steht [2][die Entscheidung für einen Endlager-Standort für hoch
radioaktiven Atommüll] frühestens 2031 an.
## Atomenergie in der Schweiz läuft langfristig aus
Auch die beiden anderen Schweizer Standorte, die zuletzt noch zur Auswahl
standen, liegen sehr nah an der deutschen Grenze. Jura Ost liegt südöstlich
von Bad Säckingen, Zürich Nordost westlich von Jestetten. Das liegt daran,
dass sich dort im Untergrund Opalinuston befindet, der sich für die sichere
Einlagerung radioaktiver Abfälle gut eignet. Die Abfälle sollen in mehreren
hundert Metern Tiefe eingebettet werden. „Die benötigte Einschlusszeit
beträgt bei hochaktiven Abfällen etwa 200.000 Jahre und bei schwach- und
mittelaktiven Abfällen rund 30.000 Jahre“, heißt es auf der Webseite der
Nagra.
Konkret geht es um etwa 9.300 Kubikmeter hoch radioaktive Abfälle und
72.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Sie stammen aus
den einst fünf Schweizer Atomkraftwerken sowie aus Medizin und Industrie.
Vier Atomkraftwerke laufen noch. Sie dürfen betrieben werden, solange ihre
Sicherheit gewährleistet ist, sollen aber nicht ersetzt werden. Das kann
bis in die 2040er Jahre gehen. Für den Bau des Endlagers ist ein langes
Genehmigungsverfahren vorgesehen. Wenn alles glattgeht, könnte er 2031
beginnen. Die mehrjährige Einlagerung begänne dann etwa 2050.
## Lagerung bis zu einer Million Jahre
Hoch radioaktiver Atommüll – vor allem verbrauchte Brennelemente aus
Atomkraftwerken – sollte einigen Experten zufolge in Endlagern aufbewahrt
werden, die für bis zu einer Million Jahre sicherstellen, dass Mensch und
Umwelt vor der gefährlichen radioaktiven Strahlung geschützt bleiben.
Deswegen kommen nur bestimmte geologisch geeignete Orte – oft tief unter
der Erde – infrage.
In Deutschland wird seit Jahrzehnten nach einem möglichen Standort gesucht.
Während die Atomenergie lange Zeit eine große Rolle für die Stromversorgung
spielte, wurde das problematische Thema der Entsorgung nicht gelöst. Die
Brennelemente [3][landen derzeit in Zwischenlagern], die sich meist an den
Standorten der Atomkraftwerke befinden.
Das Verfahren in Deutschland wurde 2013 noch mal von vorn begonnen und soll
bis 2031 abgeschlossen sein, ab 2050 könnte dann mit der Lagerung begonnen
werden. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung hatte vor
kurzem angemahnt, dass die Endlagersuche diesem Zeitplan hinterherhinke.
Noch gibt es keine engere Auswahl von Standorten, sodass die betroffenen
Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden könnten. Ein Endlager für
weniger stark radioaktiven Abfall soll 2027 im Schacht Konrad im
niedersächsischen Salzgitter in Betrieb gehen.
11 Sep 2022
## LINKS
[1] https://nagra.ch/nagra-schlaegt-noerdlich-laegern-vor/
[2] /Fachkonferenz-sucht-Atommuellendlager/!5721723
[3] /Gutachten-zu-geplantem-Bau/!5862577
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