# taz.de -- Boris Johnson verabschiedet sich: „Das war's, Leute“ | |
> In seiner letzten Rede als Premierminister preist Boris Johnson seine | |
> Bilanz an. Die Tories ruft er zur Einheit hinter Liz Truss auf. | |
Bild: Seine letzte Rede: Boris Johnson vor der 10 Downing Street | |
LONDON taz | Mit den Worten „This is it, folks!“ (Das war's, Leute) hat | |
sich [1][Boris Johnson] am Dienstagmorgen in gewohnt bombastischer Manier | |
vor vielen politischen Begleiter:innen der letzten Jahre und dem eng | |
aneinandergereihten Medienschwarm verabschiedet. Gemeinsam mit seiner Frau | |
Carrie trat er aus der schwarzen Tür von 10 Downing Street an ein | |
Rednerpult und erklärte, dass er in ein paar Stunden die Queen in Balmoral | |
in Schottland treffen werde, was sein Amt als Premierminister beenden | |
werde. | |
Typisch für seinen Charakter gab es wieder eine Schuldzuweisung für seinen | |
Abgang, als er ganz am Anfang von einem Stafettenrennen sprach, bei dem man | |
während des Rennens die Regeln geändert hätte. Das war ein eindeutiger Wink | |
auf das Misstrauensvotum in der konservativen Parlamentsfraktion im Juni | |
und die Rücktrittsserie in seiner Regierung einen Monat später, die | |
letztendlich zu seinem eigenen Rücktritt führten. Zu den Gründen, weshalb | |
diese Dinge geschahen, schwieg er selbstverständlich völlig. | |
Stattdessen prahlte Boris Johnson noch einmal mit seinem Wahlsieg 2019 und | |
mit dem Corona-Impfprogramm, das 70 Prozent der britischen Bevölkerung | |
innerhalb von sechs Monaten vakziniert habe. Seine Regierung habe die | |
Wirtschaft nach der Pandemie schnell wieder auf die Beine gebracht, das | |
Land stehe nun bezüglich Investitionen besser da als China und zähle mehr | |
Fintech-Unternehmen als Israel, Deutschland und Frankreich zusammen. | |
Auch der altbekannte Hinweis auf die extrem niedrige Arbeitslosigkeit | |
fehlte nicht, gemeinsam mit der Betonung der Geschwindigkeit der britischen | |
Hilfe für die Ukraine. Putin könne Brit:innen nicht erpressen, sagte | |
Johnson. | |
Dann folgte ein Mix aus Statistiken, welcher ohne Zusammenhänge im Grunde | |
bedeutungslos war, nicht zuletzt, weil er den Schaden konservativer | |
Regierungen durch Austeritätspolitik vor seiner Zeit unter den Tisch fallen | |
ließ, etwa was die Rekrutierung von Polizei und Gesundheitspersonal in | |
seiner Zeit betrifft, die vorher gerissene Lücken wieder füllte. Sein Wink | |
auf das im Bau befindliche neue Hochgeschwindigkeitsbahnnetz verbarg die | |
riesengroße Kontroverse hierzu selbst in den eigenen Reihen bezüglich der | |
immensen Kosten und Umweltbelastung des Bauprojekts HS2, das derzeit von | |
London nach Birmingham gegraben wird. | |
Richtiger hingegen war Johnsons Hinweis auf den Ausbau der Windenergie | |
unter seiner Regierung, die bald die Hälfte des britischen Energiebedarfs | |
decken wird, und den Ausbau des Glasfasernetzes für schnelles Internet von | |
7 auf 70 Prozent der Bevölkerung, oder auch, dass er durch eine Erhöhung | |
der Sozialversicherungsbeiträge die Gesundheitsversorgung und das | |
Pflegesystem verbessern wollte, ein Schritt den Liz Truss übrigens wieder | |
rückgängig machen will. Auch seine Versessenheit auf Atomkraft fehlte | |
nicht. Ein neues AKW pro Jahr sei nun geplant – nicht alle glauben, dass | |
dieser nukleare Ausbau der richtige Schritt ist. | |
## Wenn Hund und Katze sich verstehen … | |
Was ihn selbst betreffe, sagte Boris Johnson, würde er nun „wie eine Rakete | |
nach ihrem Gebrauch irgendwo im Pazifik landen“. Er werde allerdings in | |
dieser sehr schweren Zeit 100 Prozent hinter Liz Truss stehen. „Die Zeit | |
für Politik ist zu Ende, meine Freunde, es ist Zeit, sich hinter Liz Truss | |
zu stellen“, betonte der scheidende Premierminister – eine klare Kritik an | |
der Zerstrittenheit seiner Partei. | |
Die Konservativen sollten es [2][Larry, der Hauskatze von 10 Downing | |
Street], und Dilyn, Johnsons Hund, gleichtun, die oft ihre Schwierigkeiten | |
miteinander beiseiteräumten. „Wenn die es können, dann kann es auch die | |
Partei“, scherzte er und fuhr fort mit Selbstlob, wie er dem Land die | |
Kontrolle über seine Gesetzgebung wiederbrachte und Großbritannien so auf | |
den Weg des Wohlstands und der Zuversicht führte. | |
Das gesagt, unterstrich er nochmal seine Unterstützung für Liz Truss und | |
lief dann nach vielem Handschütteln und Küsschen – da waren so manche Augen | |
feucht – in Richtung eines wartenden Range Rovers. | |
Als Johnsons Frau sich noch einmal in Richtung Publikum umblickte, zog er | |
sie auf dem Weg zum Auto so unvorsichtig, dass sie in ihrem rosa Kleid um | |
ein Haar in einen Laternenpfahl geknallt wäre. Am Ende sah sie den Pfosten | |
gerade noch rechtzeitig, um auszuweichen. Mehr zu Boris Johnson hätten | |
keine Worte sagen können. | |
## Amtsübergabe im schottischen Schloss | |
Nun geht es per Flugzeug nach Balmoral. Dort wird Boris Johnson sein Amt | |
niederlegen und dann wird Liz Truss von der Queen zur Premierministerin | |
ernannt. Die beiden fliegen aus Sicherheitsgründen getrennt. | |
Balmoral ist ein Präzedenzfall. Normalerweise ernennen die Königlichen | |
Hoheiten ihre Premiers im Buckingham Palace, nur wenige Minuten Autofahrt | |
von Downing Street erklärt. Doch die 96 Jahre alte Queen leidet offiziell | |
unter „Mobilitätsproblemen“ und lud deshalb in ihre schottische Residenz. | |
Wenn Truss am Dienstag dann den Regierungsauftrag von Queen Elizabeth II | |
erhalten hat, wird sie die 15. britische Premierministerin sein, welche der | |
langlebigen Königin dient. Einst, damals noch als Studentin in der | |
liberaldemokratischen Partei, plädierte Truss öffentlich und laut für die | |
Abschaffung der britischen Monarchie. | |
Nach London zurückgekehrt, wird Truss als dritte weibliche | |
Premierministerin Großbritanniens in 10 Downing Street einziehen und dort | |
voraussichtlich am späten Nachmittag ihre erste öffentliche Rede in ihrer | |
neuen Funktion halten. | |
Danach wird [3][Liz Truss] beginnen, ihr Kabinett zu bilden. Es wird | |
gemunkelt, dass es das erste Kabinett in der Geschichte Großbritanniens | |
sein könnte, in dem keine weißen Männer in den wichtigsten Posten sitzen | |
werden. | |
6 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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