# taz.de -- Garnisonkirche: Potsdamer Kirchturmpolitik | |
> Im Schatten des Wiederaufbaus des Garnisonkirchen-Turms könnte es eine | |
> Lösung für das ehemalige Rechenzentrum geben. Dafür wäre ein Kompromiss | |
> nötig. | |
Bild: Weitere Entwicklung des Areals sei damit nur im Einvernehmen mit der Stif… | |
POTSDAM taz | Im Konflikt um den umstrittenen Wiederaufbau der | |
Garnisonkirche bahnen sich wichtige Entscheidungen an. Wahrscheinlich noch | |
vor einer Sitzung des Kuratoriums der Wiederaufbaustiftung im Herbst wird | |
sich zeigen, ob ein Kompromiss möglich wird. Dabei geht es vor allem um | |
zwei Fragen: Kann sich die Stiftung damit abfinden, [1][nur den Turm | |
aufzubauen und auf das Kirchenschiff zu verzichten?] Und wie geht es mit | |
dem benachbarten Kreativhaus „Rechenzentrum“ weiter, das teilweise auf dem | |
Grundstück der Stiftung steht? | |
Am dringlichsten ist letztere Frage. Denn die Nutzungserlaubnis für das | |
Verwaltungsgebäude aus der DDR-Zeit läuft Ende 2023 ab. Eigentlich sollten | |
die rund 220 Künstler und Kreativen dann in einen benachbarten Neubau | |
umziehen können, doch der wird wegen Bauverzögerungen frühestens ein Jahr | |
später fertig. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) strebt nun eine | |
Entscheidung der Stadtverordneten darüber an, ob sie einen Teil- oder | |
Gesamterhalt des Gebäudes wollen. | |
Anlass der jüngsten Diskussion ist die Vorstellung eines neuen | |
Rechtsgutachtens. Das hatte Schubert in Auftrag gegeben, um zu klären, wie | |
mit den Grundstücken im Umfeld des Turms der Garnisonkirche verfahren | |
werden kann. Laut einem Ende vergangenen Jahres mit Vertretern des | |
Rechenzentrums und der Stiftung Garnisonkirche vorgestellten Kompromiss | |
sollte auf der Fläche des Kirchenschiffes ein „Haus der Demokratie“ mit | |
einem neuen Plenarsaal für die Stadtverordnetenversammlung errichtet | |
werden. Dazu sollte dort noch Ausstellungsfläche für das Potsdam Museum | |
geschaffen werden. | |
## Einigung scheint fraglich | |
Nun bescheinigt das Gutachten, dass dafür eine Änderung der Satzung der | |
Garnisonkirchenstiftung nötig sei. Sonst könne die Stadt nicht wie geplant | |
das Grundstück in Erbpacht übernehmen. Eine weitere Entwicklung des Areals | |
sei damit nur im Einvernehmen mit der Stiftung möglich, sagte Schubert. | |
Wenn keine verbindliche Einigung zwischen Stadt und Stiftung zustande | |
komme, drohe eine unbefriedigende städtebauliche Situation mit dem neuen | |
Garnisonkirchturm, einem sanierungsbedürftigen Gebäude aus DDR-Zeiten | |
unmittelbar daneben und einer Freifläche. | |
[2][Doch dass es zu einer Einigung kommt, scheint derzeit fraglich.] In der | |
Stiftung haben inzwischen wieder die Hardliner Oberwasser. So musste | |
beispielsweise der Vorsitzende der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau | |
abtreten und wurde durch eine Gegnerin des Kompromisses abgelöst. Sie hat | |
auch einen Stimme im 15-köpfigen Kuratorium. Für einen originalgetreuen | |
Wiederaufbau und gegen den Erhalt des Rechenzentrums hatte sich auch der | |
Kommunikationsvorstand der Stiftung, Wieland Eschenburg, ausgesprochen. | |
Zudem hat Altbischof Wolfgang Huber, der den Kompromiss mitgetragen hatte, | |
im August seinen Abschied angekündigt. Er werde sich im Umfeld seines 80. | |
Geburtstags von einer Reihe ehrenamtlicher Aufgaben zurückzuziehen. Der | |
ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte das | |
Stiftungskuratorium viele Jahre geleitet. | |
## Turmeröffnung in 2024 | |
Mit 57 Metern ist der Turm aktuell so hoch wie das Hotel Mercure. Für die | |
kompletten 88 Meter fehlt noch die Turmhaube mit der Wetterfahne. Die | |
Eröffnung des Turmes ist für das erste Halbjahr 2024 anvisiert. Mit | |
Eintrittsgeldern für die Aussichtsplattform will die klamme Stiftung Geld | |
verdienen. Der Garnisonkirchturm wird seit 2017 gebaut. Mehr als die Hälfte | |
der deutlich über 40 Millionen Euro liegenden Baukosten werden vom Bund | |
finanziert. Die Förderung eines Sakralbaus aus Mitteln der | |
Kulturstaatsministerin ist in Deutschland einzigartig. Die Kosten für den | |
Bau eines Kirchenschiffs wurden auf bis zu 100 Millionen Euro geschätzt. | |
Das Original der preußischen Militärkirche, vor dem sich Hitler und | |
Hindenburg anlässlich der Reichstagseröffnung 1933 die Hände schüttelten, | |
ist bei einem alliierten Bombenangriff im April 1945 zerstört worden. Die | |
Reste des Turms ließ die SED 1968 sprengen. | |
Für die Nutzer:innen des Rechenzentrums hat das Gutachten allerdings | |
auch einen günstigen Aspekt zu bieten. Einen Abriss des im | |
Stiftungseigentum befindlichen Teils des DDR-Gebäudes zu verlangen, ist der | |
Stiftung laut Gutachten nämlich nur möglich, wenn sie das Kirchenschiff | |
tatsächlich bauen kann und will. „Geboten wäre also, den Teil des | |
Grundstücks des Kirchenschiffs, auf dem das Rechenzentrum steht, der Stadt | |
zurückzugeben, um den für die Hunderte Nutzer:innen unerträglichen | |
Dauerschwebezustand endlich zu beenden“, so die Nutzer:innen. | |
Stiftungsvertreter hätten selbst deutlich gemacht, dass man finanziell in | |
absehbarer Zeit nicht in der Lage sein werde, ein Kirchenschiff zu | |
errichten – für welches das Rechenzentrum weichen müsste. | |
8 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Umstrittene-Garnisonkirche-in-Potsdam/!5829448 | |
[2] /Streit-um-Garnisonkirche/!5622950 | |
## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
## TAGS | |
Garnisonkirche | |
Rekonstruktion | |
Potsdam | |
Potsdam | |
Architektur | |
Garnisonkirche | |
Garnisonkirche | |
Potsdam | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um Garnisonkirche in Potsdam: Appell fürs Rechenzentrum | |
Mehr als 100 Unterzeichner*innen fordern ein Nebeneinander von | |
Garnisonkirche und dem abrissbedrohten Kunsthaus. Darüber entscheiden muss | |
die Stadt. | |
Ausstellung über Bauen mit Bestand: Wider den Abriss | |
Warum plattmachen und neu bauen trotz immenser Emissionen? Das | |
Architekturmuseum in Frankfurt zeigt, wie viel besser Bauen mit Bestand | |
ist. | |
Streit um Garnisonkirche: In Potsdam bleibt es eisig | |
Ein Kompromissvorschlag zum Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche steht | |
auf der Kippe. Es geht auch um Arbeitsplätze für Künstler*innen. | |
Wiederaufbau der Garnisonkirche: Wackeliger Kompromiss | |
Der Konflikt um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche scheint doch | |
nicht beigelegt. Verlierer könnten die Kreativen in der Nachbarschaft sein. | |
Rechenzentrum in Potsdam: Für den Erhalt der DDR-Architektur | |
Weniger DDR, mehr Preußen: Gegen diese Umwandlung Potsdams richtet sich die | |
aktuelle Debatte um den Abriss des Rechenzentrums. |