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# taz.de -- Wiederaufbau der Garnisonkirche: Wackeliger Kompromiss
> Der Konflikt um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche scheint
> doch nicht beigelegt. Verlierer könnten die Kreativen in der
> Nachbarschaft sein.
Bild: Von der vermeintlich glorreichen Vergangenheit ist noch nicht viel zu seh…
Potsdam taz | Gut ein halbes Jahr, nachdem ein Kompromiss im Potsdamer
Dauerkonflikt um den Wiederaufbau der Garnisonkirche gefunden schien, gerät
die Einigung ins Wanken. Befürworter des originalgetreuen Wiederaufbaus
verweigern Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) die Gefolgschaft. Im
schlimmsten Fall könnte von der Idee kaum etwas übrig bleiben. Dabei fehlt
dem umstrittenen Sakralbau weiterhin eine auskömmliche Finanzierung. Die
Leidtragenden könnten am Ende die Kreativen aus der Nachbarschaft sein.
Im Dezember hatte Schubert mit der Stiftung für den Wiederaufbau als
Eigentümerin des Grundstücks und den Nutzern des benachbarten Kreativhauses
einen Kompromiss ausgehandelt. Das Ergebnis verkündete er gemeinsam mit dem
Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung, Altbischof Wolfgang Huber. Statt des
Kirchenschiffes sollte ein sogenanntes Haus der Demokratie mit einem neuen
Plenarsaal für die Stadtverordneten und weiteren öffentlichen Nutzungen
entstehen.
Das [1][Kreativhaus in einem alten Verwaltungsgebäude eines Rechenzentrums]
aus der DDR-Zeit sollte nicht – wie bis dahin eigentlich geplant –
abgerissen, sondern weitgehend erhalten werden. Das Grundstück wollte die
Stadt von der Stiftung, der sie es vor Jahrzehnten geschenkt hatte,
zurückpachten.
Den Plan setzte Oberbürgermeister Schubert anschließend in der
Stadtverordnetenversammlung in einer Kampfabstimmung durch. Das künftige
Ensemble soll „deutlich den Bruch mit der architektonischen Sprache und
Geschichte“ von Turm und Rechenzentrum ausstrahlen, heißt es im
Beschlusstext. Nun wird erst mal eine Machbarkeitsstudie erstellt und
anschließend ein Architektenwettbewerb.
Doch die Reaktion ließ nur etwas auf sich warten. Es brodelte in der
Fördergesellschaft, sozusagen dem Ultra-Fanclub der Wiederaufbaustiftung,
die auch einen Sitz im 15-köpfigen Kuratorium der Wiederaufbaustiftung hat.
Ihr Vorsitzender Matthias Dombert hatte nämlich den Kompromiss mit Schubert
ausgehandelt und verteidigt.
## „Wagemut und Gottvertrauen“
Im Frühjahr kam es zum Umsturz. Der neue Vorstand erhebt nun wieder
Maximalforderungen und träumt auch vom Wiederaufbau des Kirchenschiffs.
„Wir werden deutschlandweit für den Wiederaufbau mit Wagemut und
Gottvertrauen werben und rufen die ökumenische Christenheit auf, uns beim
Wiederaufbau der Garnisonkirche zur Ehre Gottes tatkräftig zu
unterstützen“, so der Verein.
Bisher flossen die Spenden allerdings nur spärlich. Der Großteil des rund
41 Millionen Euro teuren Turmbaus wird schon aus Steuergeldern finanziert.
Vor allem die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), der mit
dem Regierungswechsel Claudia Roth (Grüne) nachfolgte, hatte Zuschüsse in
Millionenhöhe für das „Projekt von nationaler Bedeutung“ durchgesetzt.
Dennoch steht die Stiftung finanziell auf dünnem Eis. Deshalb soll nun die
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz eine Million
Euro zuschießen, um den Betrieb für dieses und nächstes Jahr zu sichern.
Unterdessen ist immerhin der Rohbau des Turms fertig. Auf 57 Metern Höhe
soll eine Aussichtsplattform entstehen. Die Stiftung plant Eröffnung und
Inbetriebnahme Anfang 2024. Der Bau der 23 Meter hohen Turmhaube aus Holz
und einer Metallkonstruktion muss noch ausgeschrieben werden. Doch auch
dafür ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Denn nach einem kritischen
Bericht des Bundesrechnungshofes hatte Roth eine weitere Förderung in Höhe
von 4,5 Millionen Euro auf Eis gelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Kürzlich ging mit dem Kommunikationsvorstand Wieland Eschenburg auch ein
führender Kopf der Stiftung selbst auf Distanz zum Kompromiss. In einem
[2][Interview mit den Potsdamer Neuesten Nachrichten] sagte Eschenburg, für
ihn sei dies kein Kompromiss, sondern nur ein „Vorschlag“, über den man nun
sprechen müsse. Den Erhalt des Rechenzentrums lehnte Eschenburg ab.
## Die Uhr tickt
Für die Nutzer des Rechenzentrums tickt die Uhr. Rund 200 Künstler und
Kreative nutzen den Bau. Ende 2023 endet die Nutzungserlaubnis der
Bauaufsicht. Außerdem steht das Gebäude teilweise auf dem Grundstück der
Wiederaufbaustiftung. Der Druck für eine Lösung dürfte wachsen. Denn der
eigentlich von der Stadt als Ersatz vorgesehene Bau eines Kreativquartiers
in der Nachbarschaft verzögert sich. Zwar ist im Mai die Baugenehmigung
erteilt worden. Doch die Investoren rechnen mit einer Fertigstellung des
ersten Bauabschnitts erst im dritten Quartal 2024.
Geplant sind dort sieben Gebäude mit Büros, Ateliers, Läden,
Musikproberäumen, Cafés, Restaurants und Apartments mit insgesamt 25.000
Quadratmetern Mietfläche, zwei Drittel davon für die Kreativwirtschaft. Das
Grundstück hatte die Stadt vergünstigt abgegeben und im Gegenzug niedrigere
Mieten vereinbart.
Und nach längerer Pause hat das Thema Garnisonkirche nun auch wieder
Demonstrant*innen mobilisiert. In der vergangenen Woche versammelten
sich rund 80 von ihnen auf dem Luisenplatz in der Potsdamer Innenstadt und
zogen dann zur Baustelle des Garnisonkirchturms in der Breiten Straße
weiter. Sie forderten einen Baustopp für den Kirchturm. „Mit der
Demonstration mahnen wir die Evangelische Kirche, endlich Verantwortung für
das gescheiterte Garnisonkirchenprojekt zu übernehmen“, hieß es.
Anlass war ein Prozess vor dem Potsdamer Amtsgericht. Drei Angeklagten aus
Potsdam wurde die Störung der Religionsausübung und einem Angeklagten zudem
Hausfriedensbruch vorgeworfen. Sie sollen am 29. Oktober 2017 einen
Gottesdienst auf dem Areal der Baustelle des Garnisonkirchturms gestört
haben. Doch die Sache löste sich zwei Tage später auf: Das Gericht stellte
das Verfahren mangels öffentlichen Interesses ein.
14 Jun 2022
## LINKS
[1] /Rechenzentrum-in-Potsdam/!5789879
[2] https://www.pnn.de/potsdam/vorstand-der-stiftung-garnisonkirche-im-intervie…
## AUTOREN
Marco Zschieck
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