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# taz.de -- Protest im Irak: Sadr-Anhänger im Präsidentenpalast
> Im Irak rief der schiitische Prediger und Politiker zu zivilem Ungehorsam
> auf. Kurz zuvor hatte er seinen Rückzug aus der Politik erklärt.
Bild: Anhänger des schiitischen Geistlichen Al-Sadr schwimmen während eines P…
Kairo taz | Im Irak eskaliert eine seit Monaten andauernde Krise: In Bagdad
überschlagen sich die Ereignisse. Militante Anhänger des schiitischen
Predigers Muktada Sadr haben sich in der Nacht vom Montag zu Dienstag
schwere Kämpfe mit Iran-treuen Milizen geliefert. Videos in den sozialen
Medien sollen Feuergefechte sowie den [1][Einsatz von Raketenwerfern]
zeigen. Mindestens elf Menschen sollen getötet, 160 verletzt worden sein.
Die Kämpfe halten weiter an.
Sadr-Anhänger hatten am Montagnachmittag begonnen, den Präsidentenpalast
innerhalb der Grünen Sicherheitszone – in der viele staatliche
Institutionen sowie internationale Botschaften ihren Sitz haben – in der
Hauptstadt Bagdad zu stürmen. Sie forderten Neuwahlen.
Auch nahe der niederländischen Botschaft sollen am Montag Schüsse gefallen
sein. Der niederländische Außenminister [2][gab auf Twitter] bekannt, dass
die Mitarbeiter der Botschaft evakuiert wurden und nun aus der deutschen
Botschaft in Bagdad weiterarbeiten.
In den sozialen Medien kursierten Videos von Sadr-Anhängern innerhalb der
schmucken Räume des Palastes und sogar im dortigen Swimmingpool, während
sie Slogans zur Unterstützung ihres Idols rufen. Auch außerhalb Bagdads
stürmten Anhänger des politisch aktiven Klerikers Gebäude der
Provinzverwaltungen.
## Hintergrund ist ein inner-schiitischer Streit
Der schiitische Politiker hatte seine Anhänger zu einer Kampagne des
zivilen Ungehorsams aufgerufen und sie aufgefordert, aus allen Landesteilen
nach Bagdad zu kommen – ein Aufruf, der am Nachmittag über die Lautsprecher
von Moscheen weiterverbreitet wurde, die Sadr nahestehen. Die
Sicherheitskräfte schickten daraufhin Verstärkung in die Grüne Zone und
verkündeten eine am Nachmittag beginnende Ausgangssperre. Die Anhänger
Sadrs ignorierten diese, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Begonnen haben die Unruhen mit der Ankündigung Sadrs, sich vollkommen aus
der Politik zurückzuziehen. „Ich habe beschlossen, mich nicht mehr in
politische Dinge einzumischen und erkläre hiermit meinen endgültigen
Rücktritt und die Schließung aller Institutionen, die mit unsrer
politischen Bewegung in Verbindung stehen“, hatte er am Mittag erklärt.
Einige religiöse sadristische Institutionen sollten aber weiter geöffnet
bleiben.
Es ist nicht das erste Mal, dass Sadr seinen Rückzug aus der Politik
verkündet, um nur kurz darauf wieder seine Anhänger für tagespolitische
Ereignisse zu mobilisieren.
Hintergrund ist ein seit Monaten [3][andauernder innerschiitischer] Streit
zwischen Sadrs Partei und einer pro-iranischen Parteienallianz. Sadrs
Partei hatte bei den Parlamentswahlen im Oktober die meisten Sitze
gewonnen, es aber nicht geschafft, eine regierungsfähige Allianz zu formen.
Daraufhin hatte Sadr seine Abgeordneten aus dem Parlament abgezogen. Anfang
August forderte er dann die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen, um eine
neue funktionierende Regierung zu formen.
## Wer dominiert den Irak?
Seit zehn Monaten wird der Irak [4][von der alten Regierung kommissarisch]
regiert und ist politisch gelähmt. Am Dienstag hätte das Oberste Gericht in
Bagdad eigentlich über die verfassungsmäßige Rechtlichkeit der
Parlamentsauflösung und der Ausrufung von Neuwahlen entscheiden sollen.
Im Kern geht es darum, wer die Schiiten, die die Mehrheit der Bevölkerung
des Landes darstellen, dominiert: die pro-iranischen Parteien oder Muktada
Sadr, der sich in letzter Zeit zunehmend vom Einfluss des Iran auf die
Politik im Irak distanziert hat? Unklar ist, was der verkündete Rückzug
Sadrs aus der Politik nun für diesen Streit bedeutet und wie weit Sadr
bereit ist, die Lage auf der Straße weiter zu eskalieren.
Sadr spielt, wie so oft, eine Doppelrolle in der irakischen Politik.
Einerseits hat er eine Partei, die die meisten Stimmen bei den letzten
Wahlen gewonnen hat. Andererseits gibt er sich als Opposition und kann
seine Anhänger mit einem Fingerschnipsen mobilisieren und sie auch wieder
nach Hause schicken. Im Moment scheint der wohl einflussreichste Politiker
des Irak vor allem auf die zweite Karte zu setzen.
Mitarbeit: Lisa Schneider
30 Aug 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/Tammuz_Intel/status/1564477901160022016?s=20&t=o1Kx…
[2] https://twitter.com/WBHoekstra/status/1564371562513457152?s=20&t=C_w6DC…
[3] /Schiiten-im-Irak/!5871973
[4] /Irakische-Parlamentswahl/!5807764
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Irak
Bagdad
Muktada al-Sadr
Schwerpunkt Iran
Irak
Dokumentarfilm
Jesiden
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