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# taz.de -- Emmanuel Macron in Algier: Versöhnliche Worte und Erdgas
> Emmanuel Macron nutzte seinen Besuch in Algerien, um die seit dem Ende
> des Kolonialkriegs 1962 komplizierten Beziehungen zu glätten.
Bild: Geschenke für den Gast: Macron in einem Plattenladen
Paris taz | Eine gemischte Kommission von Historikern aus Frankreich und
Algerien soll Zugang zu den Archiven erhalten, um die Geschichte des
Kolonialismus und des Kriegs (1954-1962) aufzuarbeiten, um so zur
Versöhnung der beiden Völker beizutragen. Das ist vielleicht das
nennenswerteste Ergebnis eines dreitägigen Besuchs des französischen
Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Algerien, wo er von seinem
[1][Amtskollegen Abdelmadschid Tebboune] betont freundlich empfangen worden
ist.
Alles beim Treffen war dazu angetan, nach etlichen Verstimmungen der
Vergangenheit den Eindruck einer freundschaftlichen Herzlichkeit zu
vermitteln. Die „Erneuerung und Vertiefung einer auf die Zukunft
ausgerichteten Partnerschaft“ war laut der französischen Präsidentschaft
das erklärte Ziel des Besuchs. Macron setzt dabei nicht nur auf die
offiziellen Kontakte, sondern vor allem auf die kulturelle, technologische
und wirtschaftliche Kooperation. Wie sehr er dabei vor allem auf die Jugend
setzt, sollte der Besuch eines legendären Rai-Musikstudios und einer
Breakdance-Vorführung in Oran vor seiner Heimreise am Samstag
verdeutlichen.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien sind seit 1962, seit der
Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonie jenseits des Mittelmeers, immer
gespannt geblieben. [2][Der geringste Faux-pas von der einen oder anderen
Seite reicht], um Verstimmungen auszulösen, die dann oft während mehreren
Jahren das Klima zwischen den beiden Staaten vergiften, die trotz allem
durch die Geschichte des Kolonialismus und des nationalen
Befreiungskrieges, heute aber auch durch die Immigration verbunden sind.
Die große Gemeinschaft der in Frankreich lebenden und mehrheitlich
integrierten Algerier*innen schafft indes neue bilaterale Konflikte:
Weil die algerischen Behörden nur wenigen der von Frankreich abgeschobenen
illegalen Einwanderer die nötigen Rückreisepapiere ausstellen, hat Paris
(wie für Marokko und Tunesien auch) die Zahl der ausgestellten Visa mehr
als halbiert, um so Druck zu machen. Macron versprach Erleichterungen, ohne
sich aber auf Zahlen oder Quoten festzulegen.
## Patriotisch gefärbte Empörung
Im letzten Oktober hatte Macron in einem Interview erklärt, das
„politisch-militärische System“ in Algier lebe von einer „Rente der
Erinnerung“, und etwas provokativ die Frage gestellt, ob vor der (sehr
blutigen) Kolonisierung durch Frankreich 1830 Algerien überhaupt schon eine
Nation gewesen sei. Damit löste er selbst bis in Oppositionskreise und in
der für demokratische Rechte demonstrierenden Jugend (Hirak) patriotisch
gefärbte Empörung aus. Ein wenig ähnlich wie früher Nicolas Sarkozy, der
die „positiven Aspekte“ des Kolonialismus unterstreichen wollte.
Das soll nun passé, vergessen und vergeben sein: „Um sich versöhnen zu
können, muss man sich zuerst streiten“, meinte Macron nun in Algier
großmütig vor der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung zur Besieglung
ihrer Partnerschaft mit Tebboune. Denn der Besuch sollte ja nicht nur der
Aufarbeitung der konfliktreichen Geschichte dienen, sondern auch der
Zukunft im Dienst gemeinsamer kultureller, politischer und wirtschaftlicher
Interessen. Macron träumt wie schon seine Vorgänger von einer umfassenden
Partnerschaft der Staaten rund um das Mittelmeer.
Er denkt aber zunächst an die Gegenwart und kam diesbezüglich mit einer
langen Liste von Wünschen. War womöglich [3][das algerische Erdgas das
Hauptanliegen]? „N'importe quoi!“ („Quatsch!“), meinte dazu Macron mit
scheinbarem Desinteresse. Frankreich beziehe ja nur etwa 8 Prozent seiner
Gasimporte aus Algerien.
## Moskau seit jeher ein wichtiger Partner
Mit diplomatischer Vorsicht musste er auch andere Dossiers anpacken: Da
Moskau seit jeher ein wichtiger Partner des Regimes von Algier ist, konnte
die französische Diplomatie kaum erwarten, dass Algerien im Ukrainekrieg
klar Stellung gegen Putins Invasion beziehen würde. Immerhin hofft Macron,
dass sein Besuch die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen
dschihadistische Terrormilizen in Mali, Libyen und Syrien verstärken
konnte.
27 Aug 2022
## LINKS
[1] /Wahl-in-Algerien/!5779460
[2] /Spannungen-zwischen-Algier-und-Paris/!5801294
[3] /Wege-aus-der-Energiekrise/!5865745
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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