# taz.de -- Forderung nach „kulturellem Sinneserbe“: Weltkulturerbe Dönerg… | |
> Ein Kulturerbe Status für Landgeräusch und -geruch soll in Brandenburg | |
> Klagen unterbinden. Dabei hätte die Idee hätte auch für Berlin Potenzial. | |
Bild: Statt mit Gülle werden Berlins Grünflächen noch traditionell mit Müll… | |
Frische Luft, himmlische Ruhe, eine innige Verbindung mit der Natur. Es | |
sind romantische Vorstellungen wie diese, die so manche | |
Stadtbewohner:innen dazu bewegen, aufs Land zu ziehen. Blöd nur, wenn | |
dann statt der erhofften Ruhe morgens um fünf der Nachbarshahn kräht und | |
nicht nur frische Frühlingsluft, sondern auch ein beißender Güllegeruch in | |
die Nase strömt. | |
Zustände, die so manchen Landneuling dazu bewegen, ihre Nachbarn zu | |
verklagen. Die im Brandenburger Landtag vertretene Fraktion der Freien | |
Wähler sieht in den – häufig wohl von zugezogenen Stadtbewohner:innen | |
angestrebten – Klagen eine Gefahr für die ländliche Dorfkultur | |
Brandenburgs. Schließlich sind Hühner, Schafe und Enten in vielen Dörfern | |
immer noch ein häufiger Anblick. | |
„Unabhängig vom Ausgang dieser Klagen werden Menschen eingeschüchtert“, | |
erklärt der Pressesprecher der Freien Wähler, Robert Soyka, der taz, „sie | |
schaffen dann aufgrund ihrer neuen Nachbarn ihre Tiere ab.“ | |
In einem [1][am vergangen Freitag im Landtag eingebrachten Antrag] fordert | |
die Fraktion deshalb „Ortsübliche Gerüche und Geräusche des Landlebens“ … | |
„kulturelles Sinneserbe“ unter besonderen Schutz zu stellen. Konkret soll | |
eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes erwirkt werden, die solche | |
Klagen erheblich erschweren würde. „Das Ziel ist es, unsinnige Prozesse zu | |
vermeiden, gegen Dinge, die in Brandenburger Dörfern völlig üblich sind“, | |
erläutert Soyka weiter. | |
## Sensorisches Kulturerbe nach französischem Vorbild | |
Neu ist die Idee nicht. Bereits im Juli initiierte die bayrische | |
Schwesterpartei erfolgreich eine ähnliche Bundesratsinitiative. Deren | |
Vorbild wiederum ist ein im vergangenen Januar in Frankreich beschlossenes | |
Gesetz, welches das „sensorische Kulturerbe“ des Landlebens gegen | |
klagewütige Pariser:innen schützen soll. | |
Welche Gerüche und Geräusche besonders schützenswert sind, soll laut dem | |
Antrag der Freien Wähler jeweils regional festgelegt werden. Spätestens an | |
dieser Stelle sollten auch Berliner:innen aufhorchen: Ließe sich ein | |
„kulturelles Sinneserbe“ nicht auch für die Hauptstadt festlegen? | |
Anstatt gegen Hähne und Gülle [2][wird hier gerne gegen Bars und Klubs | |
geklagt], die sich zufälligerweise in dem Haus befinden, in dem man gerade | |
eine Eigentumswohnung gekauft hat. Ganz zu schweigen von den [3][unzähligen | |
Open-Air-Veranstaltungen, die aufgrund des Lärmschutzes gar nicht erst | |
stattfinden können.] | |
Und auch die wunderbaren Gerüche Berlins sollten dringend bewahrt werden: | |
Der allgegenwärtige Dönergeruch, herumwabernde Graswolken im Görli, | |
Hundehaufen am Kanal und die einzigartig abgestandende Luft, die einem aus | |
U-Bahn-Schächten entgegenweht. Was wäre Berlin ohne sie? | |
8 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bvb-fw-fraktion.de/2022/09/07/sinneserbe-bewahren-charakter-uns… | |
[2] /Berliner-Clubs/!5635895 | |
[3] /Konflikt-um-Draussenstadt-Projekt/!5781864 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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Charlotte Roche | |
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