# taz.de -- Selenski mit Guterres und Erdoğan: Dreiergipfel in Lwiw | |
> Der ukrainische Präsident trifft den UN-Generalsekretär und den | |
> türkischen Präsidenten. Letzterer will sich selbst in Szene setzen. | |
Bild: Proteste gegen Russland: Menschen in Lwiw demonstrieren anlässlich des G… | |
Die Inszenierung war einigermaßen außergewöhnlich. Der ukrainische | |
Präsident Wolodimir Selenski reiste persönlich aus Kiew an, als im | |
westukrainischen Lwiw am Mittwoch UN-Generalsekretär António Guterres und | |
am Donnerstag der türkische Präsident Tayyip Erdoğan zu einem Gipfeltreffen | |
im Potocki-Palast eintrafen. Gewöhnlich reist Selenski seinen angereisten | |
Staatsgästen nicht entgegen, merkten Beobachter an. Aber bei diesem Gipfel | |
ging es zumindest laut türkischen Berichten um nicht weniger als eine neue | |
diplomatische Initiative zur Beendigung des nunmehr fast sechs Monate | |
währenden russischen Angriffskrieges. | |
„Erdoğan ist mit einem Friedensplan gekommen, den Russland bereits | |
akzeptiert hat“, schrieb auf Twitter ein Journalist der unabhängigen | |
Zeitung Kyiv Post. Einem türkischen Bericht zufolge wollte Erdoğan Selenski | |
vorschlagen, ein Gipfeltreffen zwischen ihm und Russlands Präsident | |
Wladimir Putin zu organisieren. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. | |
Berichten zufolge ging es bei den Gesprächen in Lwiw in erster Linie um | |
eine Evaluierung und Ausweitung des Istanbuler Abkommens vom 22. Juli, als | |
die Ukraine und Russland mit der UN und der Türkei die ungehinderte | |
Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte über das russisch kontrollierte | |
Schwarze Meer vereinbart hatten. Von der UNO wünscht sich die Ukraine noch | |
mehr Initiativen, i[1][nsbesondere im Zusammenhang mit dem russisch | |
besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine,] dem größten | |
Europas. „Besondere Aufmerksamkeit galt der Atomerpressung Russlands beim | |
Kernkraftwerk Saporischschja“, hieß es in einer am Donnerstag | |
veröffentlichten Mitteilung des ukrainischen Präsidentenbüros. | |
Die UN hat bereits eine unabhängige Untersuchung des AKW durch die | |
Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verlangt. Russland will dieser nur | |
zustimmen, wenn die Inspekteure über russisch kontrolliertes Gebiet | |
anreisen und nicht die Kriegsfront überqueren; die Ukraine besteht auf | |
einer Anreise über Kiew und ukrainisches Regierungsgebiet, da das AKW zur | |
Ukraine gehört. | |
## Russland argwöhnt über Gefahren in Saporischschja | |
„Die UN muss die Sicherheit dieses strategischen Objektes gewährleisten, | |
seine Entmilitarisierung und seine vollständige Befreiung von russischen | |
Truppen“, erklärte das ukrainische Präsidentenamt nach Selenskis Treffen | |
mit Guterres und Erdoğan am Donnerstagnachmittag. Man habe auch „illegale | |
Zwangsdeportationen“ von Ukrainern nach Russland angesprochenen sowie das | |
Schicksal ukrainischer Kriegsgefangener in Russland. | |
Russland wies derweil erneut die Forderung zurück, die von russischen | |
Truppen besetzte Umgebung des Atomkraftwerks zu entmilitarisieren. Dies sei | |
unannehmbar, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Moskau, Iwan | |
Netschajew. Aus Moskau wurde zugleich ein Nervenkrieg um das besetzte AKW | |
geschürt: Die Ukraine bereite im Zusammenhang mit dem Guterres-Besuch am | |
Donnerstag oder Freitag eine „Provokation“ im Atomkraftwerk vor, die zu | |
einem „menschengemachten Atomunglück“ führen könnten, behauptete am Morg… | |
das Verteidigungsministerium in Moskau. | |
Radioaktives Material könnte bis nach Deutschland, Polen und die Slowakei | |
gelangen, wenn es zu einem Unfall kommen sollte, hieß es weiter. Man sei | |
daher gezwungen, „Maßnahmen“ zu ergreifen. Nähere Details wurden nicht | |
genannt. Erfahrungsgemäß wirft Russland seinen Gegnern gerne | |
„Provokationen“ vor, bevor es selbst genau die angeprangerte Aktion oder | |
eine ähnliche unternimmt. | |
Guterres wollte noch am Donnerstagabend aus Lwiw nach Odessa weiterreisen, | |
der wichtigste der drei ukrainischen Häfen, aus denen ukrainische | |
Getreideschiffe auslaufen dürfen. Noch in der Nacht zu Mittwoch hatte | |
Russland erneut Luftangriffe im Umfeld von Odessa geflogen. Am Donnerstag | |
folgten russische Angriffe auf die südukrainische Stadt Mykolajiw, bei | |
denen ein Wohnhaus stark beschädigt wurde. | |
In der Nacht zu Donnerstag gab es heftigen russischen Beschuss in der | |
zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw im Nordosten des Landes. 12 | |
Menschen starben und 20 wurden verletzt, als ein dreistöckiges Wohnhaus | |
zerstört wurde, meldeten ukrainische Medien. Am Mittwochabend waren bei | |
einem Raketenangriff auf Charkiw sechs Menschen getötet worden. (mit rtr, | |
afp, dpa) | |
Erdoğan | |
18 Aug 2022 | |
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Dominic Johnson | |
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