# taz.de -- Überbleibsel aus den Weltkriegen: Viel Munition bleibt im Meer | |
> 50 Millionen Euro will die Bundesregierung bis 2026 für die Räumung von | |
> Munition im Meer locker machen. Das ist ziemlich wenig. | |
Bild: Munition vom Meeresgrund: Die Bundesregierung will zumindest einen Teil a… | |
Kiel taz | Munitionsreste mit einem Gewicht von 1,6 Millionen Tonnen – so | |
viel wie 760.000 SUVs – liegen [1][auf dem Grund von Nord- und Ostsee]. Je | |
mehr die Kriegshinterlassenschaften verrotten, desto mehr wächst die Menge | |
an Schadstoffen, die durch die brüchigen Metallhüllen austreten. Das | |
Problem ist lange bekannt, ebenso wie die Lösung: so schnell wie möglich | |
[2][Munition bergen]. Die Bundestagsfraktion der Linken und der | |
SSW-Abgeordnete Stefan Seidler fragten bei der Bundesregierung nach, wie es | |
mit der Umsetzung steht. Das Ergebnis: Es tut sich etwas – aber langsam. | |
Und das Geld ist ebenfalls knapp. | |
„Die rostende Munition ist ein Risiko für die öffentliche Sicherheit, für | |
Fischerei, den Tourismus oder Bauunternehmungen im Küstenbereich“, so Jens | |
Greinert, Leiter der Arbeitsgruppe Tiefseemonitoring am Geomar | |
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Koordinator eines | |
Projekts, bei dem mehrere Organisationen bis 2024 den Meeresgrund | |
untersuchen und so die am stärksten betroffenen Gebiete ausmachen, um | |
„dieses Wissen gebündelt für Politik und Wirtschaft nutzbar zu machen und | |
Handlungsansätze für die Überwachung und die Sanierung zu erarbeiten“. 4,8 | |
Millionen Euro gibt es vom Bund für dieses Projekt. Insgesamt will die | |
Regierung in diesem und den kommenden vier Jahren rund 50 Millionen Euro | |
für ein Sofortprogramm einsetzen. | |
Klingt viel, ist aber wenig: Der Prototyp einer schwimmenden Plattform, von | |
der aus Munition geborgen und in einer „Delaborationskammer“ zerstört | |
werden kann, werde rund 90 Millionen Euro kosten, sagt Eugen Witte, | |
Sprecher der Kieler Werft Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS), die bereits | |
intensiv an der Technik arbeitet. „Wir gehen in Vorleistung“, so Witte. | |
„Wir können, wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind, innerhalb von zwei | |
Jahren eine Pilotanlage an den Start bringen.“ | |
Allerdings sind die Rahmenbedingungen bisher keineswegs geklärt. Dabei soll | |
die Plattform laut dem Zeitplan der Regierung im kommenden Jahr entstehen, | |
erste Tests könnten demnach Ende 2024 stattfinden. | |
## Keine rechtliche Verpflichtung? | |
Den gesamten Meeresgrund zu räumen, hält die Bundesregierung für unmöglich. | |
Die Maßnahmen sollen sich daher auf Sprengstoffreste in „leicht | |
zugänglicher Lage, in noch bergungsfähigem Zustand, mit hohen | |
Erfolgsaussichten“ konzentrieren. | |
Eine rechtliche Verpflichtung, den explosiven Schrott zu bergen, sieht die | |
Regierung laut ihrer Antwort allerdings nicht, weder beim Bund noch bei den | |
Bundesländern, daher „existiert auch keine finanzielle Verpflichtung“, | |
heißt es in dem Antwortschreiben. Diese Haltung habe ihn „überrascht und | |
frustriert“, sagt Stefan Seidler. Der Flensburger, der der dänischen | |
Minderheit angehört, vertritt als Einzelabgeordneter den Südschleswigschen | |
Wählerverband (SSW) in Berlin. Die Bundesregierung sei immerhin | |
„Rechtsnachfolgerin sowohl des Deutschen Kaiserreiches als auch des | |
NS-Staates und damit der Verursacher zweier Weltkriege“. | |
Immerhin bekennt sich die Regierung zum „Vorsorgeprinzip“, aus dem sich | |
„Handlungsaufträge“ ableiten lassen. Daher soll es ab dem Jahr 2026 eine | |
dauerhafte Lösung geben: Der laufende Koalitionsvertrag sieht die | |
Einrichtung eines Bund-Länder-Fonds vor, der ab 2026 die Finanzierung | |
übernimmt. Weiteres Geld könnte von der EU kommen, die im vergangenen Jahr | |
beschlossen hat, die Bergung [3][als gemeinsame Aufgabe zu behandeln]. | |
Die „weltweit erste Erprobung konzertierter Beräumung munitionsbelasteter | |
Flächen auf dem Meeresboden“ kann ein Modell für andere Kriegsregionen | |
sein. Schließlich liegen auch vor anderen Küsten alte Sprengstoffe. Und es | |
kommen täglich neue dazu – aktuell beispielsweise [4][im Schwarzen Meer], | |
in dem Russland und die Ukraine ihre Minen auslegen. | |
30 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verrottende-Weltkriegsmunition/!5774314 | |
[2] /Munitionssprengungen-in-Nord--und-Ostsee/!5831246 | |
[3] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0123_DE.pdf | |
[4] /Lebensgefahr-am-Schwarzen-Meer/!5869756 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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