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# taz.de -- Arte-Doku über Ján Kuciak: Die Banalität des Mafiösen
> Matt Sarnecki hat eine Doku über den ermordeten slowakischen Journalisten
> Kuciak gedreht. Diese gewährt tiefe Blicke in ein korruptes System.
Bild: Die Eltern des ermordeten Investigativjournalisten Ján Kuciak
Erst sieht es aus wie eine nachgestellte Spielszene à la „Aktenzeichen XY …
“. Später im Film zeigt sich, dass es Polizeibilder sind, Polizisten haben
sie gemacht, während sie [1][Ján Kuciak] und Martina Kušnírová überwachte…
So unheimlich überträgt sich auf die Wahrnehmungsebene des Zuschauers, was
die Menschen in der Slowakei seit dem Mord an dem investigativen
Journalisten Kuciak und seiner Verlobten Kušnírová im Februar 2018
schrittweise erfuhren beziehungsweise durch Massenproteste selbst mit
aufdeckten: Dass sie nämlich in der slowakischen Republik in einem System
lebten, in dem eben nicht nur Kriminelle wie der mutmaßliche Auftraggeber
der Mordtaten, Marián Kočner, einiges zu sagen hatten; sondern in einem, wo
Regierung, Justiz und Polizei [2][an der Spitze eines alptraumhaften
Mafiastaates] standen, und zwar gleichzeitig mit einer Art
Wirtschaftswunder, von dem die meisten Slowakinnen und Slowaken
profitierten.
Auch wenn der Film durchaus deprimierend mit einem vorläufigen Freispruch
für Kočner im September 2020 endet, so macht es doch hoffnungsvoll, zu
sehen, welch bedeutende Veränderungen Gesellschaften erzwingen können, in
denen lang anhaltende Massendemonstrationen überhaupt möglich sind, ohne
dass die Protagonisten verschleppt und gefoltert werden: In Belarus und
Russland sind ebensolche Versuche der Demokratisierung an der brutalen
Repression gescheitert.
„Tödliche Recherchen – Der Mord an Ján Kuciak“ heißt der Dokumentarfil…
osteuropaerfahrenen US-Regisseurs Matt Sarnecki, der noch bis zum 22.
November in der Arte-Mediathek zu sehen ist. Sarnecki unterstreicht in
einem Interview den Schock, den die Ermordung des für das Onlineportal
Aktuality arbeitenden Journalisten in der Slowakei ausgelöst hat: „Ich
glaube, alle waren ein bisschen naiv. Niemand hätte gedacht, dass so etwas
passieren könnte. Niemand dachte, dass es über Einschüchterungen
hinausgehen würde, niemand dachte, dass die Ermordung eines Journalisten
wegen seiner Arbeit mitten in der EU stattfinden könnte.“
## Härteres Vorgehen der EU
Eben die Rolle dieser EU sieht der Soziologe Michal Vašečka im Film „nicht
sehr optimistisch“. Die EU müsse viel härter vorgehen gegen Staaten wie die
Slowakei, wo inzwischen Ermittlungen gegen Ex-Premier Robert Fico, seinen
Innenminister und den Polizeipräsidenten wegen der Bildung einer
kriminellen Vereinigung laufen. Wer würde da nicht an die slowakischen
Nachbarländer Polen und Ungarn denken?
Der Film bringt alle Protagonisten vor die Kamera, lebt nicht zuletzt von
geleaktem Polizeimaterial. Mit den Einzelheiten der mühsamen Recherchen Ján
Kuciaks zu den Großbetrügereien Kočners hält Sarnecki den Fluss seines
außergewöhnlichen Dokumentarfilms nicht auf. Er zeigt einfach Kočners
wütende Reaktion auf Kuciaks mit detailliertem Hintergrundwissen gefütterte
Fragen bei einer Pressekonferenz und spielt die Tonspur seines
anschließenden Drohanrufs bei Kuciak ab. Selten kam man der Banalität des
Mafiösen so nah wie in diesem Film: unbedingt ansehen.
29 Aug 2022
## LINKS
[1] /Nach-Mord-an-slowakischem-Journalisten/!5735266
[2] /Machtmissbrauch-in-der-Slowakei/!5850085
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Ján Kuciak
Mafia
Ján Kuciak
Anschlag
Slowakei
Ján Kuciak
Ján Kuciak
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