Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Karriereende von Serena Williams: Die Größte geht
> Serena Williams beendet ihre 27-jährige Laufbahn. Nicht nur im angeblich
> weißen Sport hat die Afroamerikanerin alles erreicht. Eine Hommage.
Bild: Serena Williams mit Tochter nach dem Finalsiegin Auckland 2020
Die Welt des Tennissports, aus der sich Serena Williams nun zurückziehen
wird, ist nicht mehr die Welt, in die sie eingetreten ist. Das liegt zu
einem großen Teil an Serena selbst und an ihrer Schwester Venus. Und es ist
nicht nur darin begründet, dass die beiden nicht weiß sind. Frauen sind
mittlerweile insgesamt körperlich fitter und leistungsfähiger. Serena hat
eine Marke gesetzt, an der niemand mehr vorbeikommt. Die heute 40-Jährige
ist seit 37 Jahren in ihrem Sport, 27 Jahre lang war sie Profi. Nicht immer
war sie hier willkommen, doch jetzt wird sie respektiert. Niemand
bestreitet mehr ihr Können oder ihre Größe, [1][Serena hat das Frauentennis
verändert.]
Ich gehöre noch zu einer älteren Generation, die die Williams-Sisters nicht
singulär betrachtet und die sich nicht fragt, ob sie es ohne ihre Schwester
Venus geschafft hätte. „Alles, was ich getan habe“, sagt Serena selbst,
„tat ich wegen Venus“. Die ältere Schwester half ihr oft nach kritischen
Pressekommentaren und wenn sich manchmal freundliche und meist
unfreundliche Sportfreunde zu Wort meldeten. Die Schwestern berichteten von
Umkleidekabinen, in denen niemand so aussah wie sie. Von den Blicken
anderer Spielerinnen, die wahrscheinlich noch nie jemanden wie sie gekannt
hatten. Und von einigen Gegnerinnen, die neidisch waren, weil die
Williams-Sisters so viel Aufmerksamkeit bekamen. Venus spielte als
Juniorin 63 Turniere und hat kein einziges verloren, Serena gewann von 52
Turnieren 50.
Venus Ebony Star Williams.Serena Jameka Williams. Beide wurden von ihren
Eltern, Richard und Oracene Williams, dazu erzogen, eine positive
Einstellung und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein zu entwickeln, wie
es Champions in allen Sportarten auszeichnet. Voller Selbstvertrauen traten
die Schwestern im Alter von 11 und 12 Jahren in eine überwiegend weiße
Tenniswelt ein, die sie keineswegs sofort aufnahm, sondern zunächst
abwartete, ob die zwei wirklich etwas draufhaben.
Als die Schwestern im Alter von 11 und 12 Jahren interviewt wurden,
kicherten sie noch, aber sie wollten unbedingt spielen, und vor allem
wollten sie gewinnen. Wenn sie von Reportern auf ihr Selbstvertrauen
angesprochen wurden, schimpfte Richard, sie hätten nicht begriffen, dass
sie Kinder seien und sagten, was sie fühlten. „Sie hat Ihnen doch schon
gesagt, was sie denkt. Jetzt lassen Sie es“, sagte er zu einem Reporter,
der Venus immer wieder fragte, woher sie dieses Selbstbewusstsein nahm, all
ihre Gegnerinnen schlagen zu können.
## Bösartige Gerüchte
Eine große Schwester zu haben, bedeutete für Serena, dass sie nicht allein
in diese Welt gehen musste. Serenas ersten Grand-Slam-Titel erkämpte sie
sich 1999 bei den US Open gegen Martina Hingis, die die gesamte Energie bei
ihrem harten Halbfinalsieg über Venus gelassen hatte. Übrigens, das
Damendoppel am nächsten Tag gewannen die beiden Schwestern.
[2][Dieses Zusammenspiel von Venus und Serena] ließ Gerüchte aufkommen, der
Vater spiele die Töchter manipulativ gegeneinander aus. 2001, beim Turnier
in Indian Wells, spitzte sich das zu. Serena und Venus sollten im
Halbfinale gegeneinander antreten, doch Venus meldete sich nur wenige
Minuten vor dem Spiel wegen einer Knieverletzung ab.
Als Richard und Venus den Court betraten, um sich Serenas Finale
anzuschauen, wurden sie mit Buhrufen und Beschimpfungen empfangen. Serena
berichtete, sie habe nach ihrem Sieg noch lange in der Umkleidekabine
geweint. Die folgenden 14 Jahre boykottierten die Williams-Sisters Indian
Wells. Das brachte ihnen Kritik ein. Andere schwarze Sportler, etwa der
Wimbledonsieger Arthur Ashe oder der Baseballstar Jackie Robinson, hätten
doch viel mehr einstecken müssen.
Ich verfolge den Tennissport seit meiner Kindheit, als jedes schwarze Kind
in Amerika wusste, [3][wer Althea Gibson war.] 1958 gewann sie als erste
Afroamerikanerin einen Grand-Slam-Titel. Ich sah sie spielen, wusste aber
nicht, welche Demütigungen und Erniedrigungen sie ertragen musste: Man warf
sie aus dem Speisesaal des Country Clubs in Forest Hills hinaus, wo sie
gerade das Turnier gewonnen hatte.
## Präsenter Rassismus
Ich aber sah nur eine schöne Frau, die aussah wie die Menschen in meiner
Welt, und die sich mit einer außergewöhnlichen Anmut bewegte. Was ich nicht
wusste, war, dass sie sich früh schon zurückzog und dass sie beinah selbst
ihrem Leben ein Ende gesetzt hätte, weil sie nicht wusste, wie sie ihren
Lebensunterhalt bestreiten sollte.
Wie präsent der Rassismus im weißen Sport Tennis war, wurde mir so richtig
erst in den späten Sechzigerjahren bewusst, als Arthur Ashe seine ersten
Erfolge feierte und 1968 die US Open gewann. Als der junge Ashe an
Juniorenmeisterschaften teilnehmen wollte, wurde er zunächst abgelehnt.
Seine Trainer, die seine Teilnahme durchsetzten, warnten den bescheidenen
Ashe: Eine falsche Bewegung, ein Wutausbruch, ein Kritisieren einer
Schiedsrichterentscheidung – alles könnte zu seinem Ausschluss führen.
Entscheidungen gegen sich und für seine weißen Gegner müsse er immer
respektieren.
Erst viele Jahre später räumte Ashe ein, dass er solche Vorstellungen, was
guter Sportsgeist sei, als etwas zu arg empfunden hatte und dass er „24
Stunden am Tag gegen den Rassismus ankämpfte“, weil er wusste, dass es
etwas gab, das er „umgehen“ musste. Es waren nicht nur Weiße, die gegen ihn
standen, sondern auch die Erwartungen vieler Schwarzer.
Serena Williams hat häufig davon berichtet, wie ihre Eltern sie und ihre
Schwester früh auf den Umgang mit Rassismus vorbereitet hatten. Sie
brachten ihnen bei, dass „wir mit verschiedenen Dingen konfrontiert werden,
mit denen andere Menschen nicht konfrontiert werden“. Das sei für sie in
Ordnung gewesen, „weil wir wussten, dass wir darauf vorbereitet waren. Wir
waren auf alles vorbereitet, was auf uns zukam.“ Sie sagte auch: „Ich
musste die Leute zwingen, mich wegen meines Spiels zu sehen, und mein Spiel
sprechen lassen.“
## Unbedingter Siegeswunsch
[4][Trotzdem erlebte sie Momente, in denen sie von der Ungerechtigkeit, die
sie erlebte, schlicht überfordert war.] „Bei Gott, ich schwöre, dass ich
dir einen dieser verdammten Bälle in den Hals schiebe“, schrie sie eine
Linienrichterin an, als diese höchst fragwürdig einen Fußfehler
ausgerechnet in einer entscheidenden Phase eines Spiels glaubte erkennen zu
müssen. Ihre Reaktion, so erklärte Williams später, hatte mit Rassismus zu
tun und der Tatsache, dass von Frauen nicht erwartet wird, dass sie so für
sich selbst einstehen, wie Männer es tun.
Vor kurzem habe ich mir Serenas US-Open-Match gegen Hingis von 1999 noch
einmal angesehen. Sie war da ganz ruhig, hoch konzentiert, sogar noch nach
einer Serie von Fehlern. Sogar beim erneuten Anschauen, 23 Jahre danach,
machte mich das nervös, obwohl ich doch wusste, dass Serena damals
gewonnen hatte. Ich habe diese Nervosität immer wieder erlebt, wenn ich sie
live spielen sah: andauernd wieder Deuce, Einstand. Ständig diese Fehler,
wenn sie gerade dabei war, ein Spiel oder einen Satzball zu gewinnen. Immer
wieder am Rande einer Niederlage zu stehen, um sich dann wie durch ein
Wunder zu befreien. Dieser unbedingte Wunsch zu gewinnen, brachte in Serena
eine Wildheit zum Vorschein. Dann schlug sie plötzlich ein Ass nach dem
anderen. Serena und Venus führten Aufschläge mit bis zu 190
Stundenkilometern ins Frauentennis ein. In solchen Momenten schaute die
Welt voller Ehrfurcht zu. Serena war schlicht nicht berechenbar.
Zu Beginn der Karriere der Wiliams-Sisters war es keinesfalls ungewöhnlich,
dass Fernsehkommentatoren ihre „Kraft“ und „Athletik“ gegen die
„Intelligenz“ anderer Spielerinnen in Stellung brachten. Als könne man
nicht zugleich athletisch und intelligent sein. Ständig wurde Serenas
Körperlichkeit in den Mittelpunkt gerückt, eine Maskulinität bei ihr wurde
suggeriert, und manchmal wurde ihr Körper offen rassistisch sexualisiert
und mit tierischen Charakteristika kommentiert.
Es mangelt nicht an Ironie, dass heute keine Frau mehr Profitennis spielen
kann, ohne sich dem extrem harten Training zu unterziehen, die das
kraftvolle Spiel der Williams-Sisters ausmachen.
Zu Serenas unnachahmlichem Stil gehörten anfangs auch die Perlen, die sie
sich als Teenager in ihre Zöpfe geflochten hatte und für die sie viel
Kritik einstecken musste. Ihren Style werden wir schmerzlich vermissen: die
gewagten Farben und Schnitte ihrer Outfits, von Bodysuits bis hin zu Tutus.
Manchmal passten sie, manchmal nicht, aber bei aller Härte, mit denen sie
auf dem Tenniscourt kämpfte, signalisierten diese Outfits immer viel Lust
und Freude.
Unabhängig von der Debatte, wer nun „Greatest Athlete of all Times“ ist,
ist Serena eine Frau, die mit ihrer Schwester tatsächlich davon überzeugt
war, die Beste zu sein, wenn sie spielte. Die sich nicht schämte, dies laut
zu sagen. Und die es mehr als einmal auch bewiesen hat. Gemeinsam brachten
die Williams-Sisters dem Tennis ein größeres und auch diverseres Publikum,
sie sorgten für höhere Werbeeinnahmen und größere und gerechtere
Preisgelder für Spielerinnen. Es dürfte interessant sein zu sehen, ob sich
zukünftige Spielerinnen mit ihnen messen können.
Nachdem ich mir unzählige Videos angesehen habe, ist das Bild von Serena,
das mir im Gedächtnis bleibt, das einer 11-Jährigen, die 1992 auf die
Frage, wem sie nacheifern wolle, geantwortet hat: „Ich denke, es wäre
schön, wenn die Leute so sein wollen wie ich.“
Aus dem Englischen von Martin Krauss
27 Aug 2022
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!1089921&s=frauentennis+williams&SuchRahmen=Print/
[2] /Die-Williams-Schwestern-bei-den-US-Open/!5176838
[3] /Biografie-ueber-schwarze-Tennisspielerin/!5801431
[4] /Serena-Williams-Sexismusvorwurf/!5533558
## AUTOREN
Brenda Wilson
## TAGS
Serena Williams
Tennis
Karriere
Podcast
Wimbledon
Podcast
Tennis
Tennis
Schwerpunkt Rassismus
Tennis
## ARTIKEL ZUM THEMA
„New York Times“-Podcast „The Interview“: Geplänkel mit Tiefgang
Die „New York Times“ überzeugt mit ihrem neuen Gesprächspodcast auch ohne
Innovationen – mit Gästinnen wie Anne Hathaway oder Serena Williams.
Ältere Tennisprofis: Advantage Alter
Venus Williams, 43, will nach ihrem Aus in Wimbledon nicht ans Karriereende
denken. Die Ü30-Fraktion im Profitennis wird immer erfolgreicher.
Spotify-Podcast „Archetype“: Wer nur mit Millionärinnen spricht
In „Archetypes“ lädt Meghan Markle prominente Frauen zum Gespräch über
misogyne Stereotype ein. Eine differenzierte Betrachtung bleibt aus.
Tennis-Überraschung bei den US Open: „Unglaublicher Moment“
Tennis-Underdog Frances Tiafoe bezwingt bei den US Open Altmeister Rafael
Nadal. Der Flüchtlingssohn ist die neue Hoffnung im amerikanischen Tennis.
Stoppbälle beim Tennis im Trend: Gegen die Kraftmeierei
Im kraftvollen Spitzentennis gewinnt der Stoppball an Bedeutung. Der auch
in Wimbledon hoch gehandelte Carlos Alcaraz ist ein Meister dieses Schlags.
Serena Williams' Sexismusvorwurf: Compton Girl
In den USA wird immer noch über die Schimpftiraden von Serena Williams
diskutiert. Um die Tennis-Ikone zu verstehen, muss man tiefer gehen.
Frauen-Finale der Australian Open: Die wahre Nummer Eins
Im Finale der Williams-Schwestern holt sich Serena ihren 23.
Grand-Slam-Titel. Außerdem verdrängt sie Angelique Kerber von Platz eins
der Tennis-Weltrangliste.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.