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# taz.de -- Serena Williams' Sexismusvorwurf: Compton Girl
> In den USA wird immer noch über die Schimpftiraden von Serena Williams
> diskutiert. Um die Tennis-Ikone zu verstehen, muss man tiefer gehen.
Bild: Serena Williams hat sich unter schwierigen Bedingungen in den Tennis-Olym…
Das Finale der Frauen im Tennis bei den US Open ist längst gespielt, doch
die Diskussionen darüber, was dort genau geschehen ist und wer sich nun
grobes Fehlverhalten vorzuwerfen habe, gehen weiter, nicht zuletzt, weil
Serena Williams nach ihrem [1][verlorenen Match gegen Naomi Osaka] aus
Japan die ganz große Frage aufwarf: Wie sexistisch geht es bei den US Open
und im Profitennis allgemein zu?
Es gibt kaum eine amerikanische Talkshow, die nicht noch einmal die
kontroversen Szenen dieses zweiten Satzes diskutiert hätte, in denen sich
Williams mit dem portugiesischen Schiedsrichter Carlos Ramos Wortgefechte
liefert. Auch zig aktive und ehemalige Tennisprofis von Andy Roddick bis
Martina Navratilova haben sich zu Wort gemeldet. Die Meinungen gehen dabei
auseinander. Die einen sagen, Williams sei selbst schuld, dass sie sich
drei Verwarnungen des Schiedsrichters eingefangen hat, die in der Folge
regelkonform zu einem Spielabzug führten, was einer Vorentscheidung in dem
Match gleich kam. Die anderen finden, Carlos Ramos habe seinen Job gemacht
wie ein Buchhalter und nicht wie jemand, der für einen möglichst
reibungslosen Ablauf eines solchen Finales sorgen sollte.
Was genau passiert ist: Williams bekommt eine Verwarnung wegen Coachings.
Williams sagt daraufhin zum Schiedsrichter, sie sei keine Betrügerin und
sei nicht gecoacht worden. Später zerhackt sie nach einem Spielverlust
ihren Schläger – zweite Verwarnung und folgerichtig Verlust eines Punktes.
Williams kriegt sich kaum mehr ein, wird von ihren Emotionen sichtbar
zerrieben. An der Seite sitzt ein Schiedsrichter, der sich gegen sie
verschworen zu haben scheint. Sie sollte nun nach vorne blicken, einfach
weiter machen, aber sie kann nicht loslassen. Sie nennt Ramos einen Dieb,
der ihr einen Punkt gestohlen habe. Der spricht daraufhin die dritte
Verwarnung aus.
Noch auf dem Platz sagt Williams, das, was ihr widerfahren ist, könne einem
Mann so nie passieren, und sie habe erlebt, wie Männer davongekommen seien,
die sich weit mehr geleistet hätten. Ist es also tatsächlich Sexismus, was
ihr da widerfahren ist? Über Sexismus im Tennis wird schon lange
diskutiert. Letztes Jahr lief im Kino der Film „Battle of the Sexes“, der
nachstellte, wie Billie Jean King in den Siebzigern für Gleichberechtigung
im Tennis kämpfte und erreichte, dass in ihrem Sport Frauen gleich hohe
Siegprämien bekommen wie Männer. Frauen haben im Tennis längst mehr
erreicht als in den meisten anderen Sportarten. Aber der Sexismus ist damit
noch nicht verschwunden.
## Shirt ausziehen – zunächst nur für Männer
In ihrem Erstrundenmatch – auch bei diesen US Open – bekam die französische
Tennisspielerin [2][Alizé Cornet eine Verwarnung] dafür, auf dem Platz ihr
T-Shirt ausgezogen zu haben, das sie versehentlich verkehrt herum angezogen
hatte. Wegen der Hitze beim Turnier wechselten die Männer zigfach ihre
Shirts, waren dauernd mit freiem Oberkörper zu sehen. Bei einer Frau aber
ist das gleich ein Problem? Später entschuldigte man sich bei Cornet und
änderte die Regel sofort. Doch das Gefühl, als Frau anders behandelt zu
werden als die Männer, bestärken derartige Ereignisse wohl eher.
Um zu verstehen, warum Serena Williams derart emotional auf dem Platz
reagiert hat, muss man sich auch ansehen, wo sie herkommt und wer sie
inzwischen ist. Sie und ihre Schwester Venus haben das Tennis-Establishment
aufgemischt wie vor ihnen wohl nur John McEnroe und Andre Agassi, der eine
als der ewig böse Junge, der andere als Paradiesvogel. Zwei Mädchen aus dem
Brennpunktviertel Compton bei Los Angeles dominieren den weißen Sport. Sie
sind schwarz und tragen auf dem Platz teilweise exzentrische Klamotten.
Das gefällt nicht jedem Traditionalisten. Bei den US Open 2004 spielt
Williams im Halbfinale gegen das weiße All-American-Girl Jennifer Capriati.
Sie wird konfrontiert mit ein paar dubiosen Schiedsrichterentscheidungen
und verliert das Match. Damals hieß es, hier sei Rassismus mit im Spiel
gewesen. Auch an dieses Match mag sich Williams am letzten Wochenende
erinnert haben, als sie noch auf dem Platz meinte, vermeintliche
Ungerechtigkeiten gebe es immer ihr gegenüber.
Williams hat sich seit dem Match gegen Capriati zur wohl größten
Tennisspielerin aller Zeiten hochgearbeitet. Im August letzten Jahres war
sie noch hochschwanger und nackt auf dem Cover der Vanity Fair abgebildet,
nun stand sie kurz vor ihrem 37. Geburtstag erneut in einem
Grand-Slam-Finale. In der HBO-Doku „Being Serena“ kann man den Weg dorthin
nochmals verfolgen. Williams ist eine Ikone. Sie trat in einem Video von
Beyoncé auf, macht sich für Black Lives Matter stark und steht für
Frauenrechte ein.
Und dann muss sie sich von McEnroe sagen lassen, dass sie in der
Weltrangliste der Männer gerade mal auf Platz 700 stünde. Man will ihr das
Leben weiter schwer machen. Vielleicht war es das, was sie erzürnte. Dieses
Gefühl mag ihr Verhalten nicht entschuldigen, möglicherweise aber erklären.
13 Sep 2018
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## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Sexismus
Serena Williams
Tennis
US Open
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