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# taz.de -- Stoppbälle beim Tennis im Trend: Gegen die Kraftmeierei
> Im kraftvollen Spitzentennis gewinnt der Stoppball an Bedeutung. Der auch
> in Wimbledon hoch gehandelte Carlos Alcaraz ist ein Meister dieses
> Schlags.
Bild: Mit viel Ballgefühl: Carlos Alcaraz bei seinem Wimbledon-Auftritt im ver…
Aufschlag, Return, Grundlinienduell, man kennt diesen standardisierten
Ablauf als regelmäßiger Betrachter von Tennismatches. Zwei hauen sich
gegenseitig die Bälle um die Ohren, spielen links und rechts an die Linien
und irgendwann schlägt einer einen Winner oder macht einen sogenannten
unerzwungenen Fehler.
Manchmal, und in der letzten Zeit immer öfter im Spitzentennis, läuft es
aber auch ganz anders. Die zwei Spieler oder Spielerinnen beackern sich
gegenseitig in ihrer Ralley, der oder die eine holt bereits zur nächsten
krachenden Vorhand oder einem giftigen Rückhand-Slice aus und dann passiert
etwas völlig Unerwartetes. Die Ausholbewegung entpuppt sich als reine
Täuschung, als schauspielerischer Akt. Was jetzt kommt, ist die radikale
Beendigung des Gewohnten. Wie aus dem Nichts, unvorhersehbar oder schlicht
und einfach zu perfekt ausgeführt, segelt nun ein krummer Ball nur kurz
über das Netz und kommt direkt hinter ihm auf, am besten noch mit
Rückwärtsdrall. Der Stoppball ist unerreichbar für den verblüfften Gegner.
So konnte man das häufig sehen bei den Auftritten von Spaniens [1][erst
19-jährigem Wunderkind Carlos Alcaraz], der bereits auf Platz 7 der
Weltrangliste steht. Alcaraz, der auch eine monströse Vorhand hat, wird
derzeit als derjenige gefeiert, der den Stoppball zurück in das
Spitzentennis gebracht hat. Und dem vom Tennisweisen John McEnroe
bescheinigt wurde, er habe diesen Schlag auf ein bislang unbekanntes Level
gehoben.
Alcaraz, der als Sandspezialist gilt, aber auch für das eben begonnene
Rasenturnier in Wimbledon hoch gehandelt wird, ist nicht nur von der Anzahl
der Stoppbälle, die er spielt, ein Erneuerer des Tennis. Ja, er wagt den
Schlag ziemlich oft und die Quote, wie häufig er damit den direkten Punkt
macht, ist überragend hoch. Aber auch wie er ihn taktisch einsetzt, ist
innovativ.
## Mehr als nur ein Notschlag
Bislang [2][galt Roger Federer], wie eigentlich bei jedem Schlag im Tennis,
als Maßstab beim Stoppball. Wenn er ihn spielt, deutet er mit der Rückhand
einen Slice an, dann streckt er urplötzlich seinen Körper, reißt den
Schlagarm mehr nach oben als nach vorne und sein verdutzer Gegner reagiert
noch nicht mal, weil er gleich um die Vergeblichkeit weiß. Ein
Federer-Schlag halt, elegant und formvollendet. Aber selbst Federer hat
einmal gesagt, der Stoppball sei eigentlich nicht viel mehr als ein Schlag
aus der Not heraus.
Bei Alcaraz ist das anders. Der Stoppball ist kein Bonus-Schlag, sondern
selbstverständlicher Bestandteil seines Spiels. Am liebsten macht er es so:
eine harte Vorhand treibt seinen Gegner weit hinter die Grundlinie und
danach kommt der Stopp. Am liebsten auch mit der Vorhand. Vorbereitung,
Vollendung. Nicht wie bei Federer nur ein kurzer magischer Moment, sondern
dezidiert permanente Taktik.
Der Stoppball hatte viele Jahre keine große Bedeutung mehr im Tennis. Harte
Grundschläge, Power und Geschwindigkeit galten als wichtigstes Mittel für
ein modernes Spiel. Serena Williams oder Novak Djokovic kamen auch ohne
Stopps nach oben. Dass nun der Stoppball zurückkehrt, ist weniger eine
Gegenbewegung, sondern logische Konsequenz dieser Entwicklung. Die Gegner
oder Gegnerinnen werden immer aggressiver über den Platz gescheucht und
hinter die Grundlinie gedrängt. Damit wird der Weg ans Netz noch länger,
was die Chancen für einen erfolgreichen Stopp erhöht.
Alcaraz ist der spektakulärste Stoppball-Experte einer neuen
Tennisgeration. Aber er ist längst nicht der einzige. Der 18-jährige Holger
Rune aus Dänemark, der bei den letzten French Open für Aufsehen sorgte,
streut überdurchschnittlich viele Stopps ein. Und die Nummer 1 bei den
Frauen, Iga Światek aus Polen, kann auch kurz, wie sie immer wieder zeigt.
Die neue Königin dieses Schlages aber ist [3][Ons Jabeur aus Tunesien]. Zu
den jungen Wilden kann man sie nicht mehr zählen, sie wird bald 28 Jahre
alt. Aber richtig erfolgreich wurde sie erst jetzt. Trainer hätten ihr
immer auszureden versucht, ihre geliebten Stopps zu spielen, hat sie jüngst
berichtet. Irgendwann habe sie dann damit begonnen, stärker sich selbst zu
vertrauen und den Stopp wieder in ihr Spiel zu integrieren. Inzwischen ist
sie auf Platz 3 der Weltrangliste. So hoch wie noch nie zuvor in ihrer
Karriere.
27 Jun 2022
## LINKS
[1] /Tennis-Shootingstar-Carlos-Alcaraz/!5843263
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[3] /Sieg-einer-Tunesierin-und-seine-Folgen/!5850783
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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