# taz.de -- Opfer der deutschen Migrationspolitik: Tödliche Folgen der Abschot… | |
> Geflüchtete werden besonders oft Opfer von Übergriffen und Polizeigewalt. | |
> Eine Berliner Initiative dokumentiert solche Fälle seit fast 30 Jahren. | |
Bild: Eine Demonstration in Berlin erinnert an Menschen, die in Polizeigewahrsa… | |
BERLIN taz | Immer wieder werden Geflüchtete in Deutschland [1][bei | |
Polizeieinsätzen verletzt oder getötet]. Das dokumentiert die in Berlin | |
ansässige „Antirassistische Initiative“ seit 1993 jedes Jahr im Report | |
„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“. Dessen | |
[2][neueste, 29. Ausgabe ist nun erschienen]. Sie umfasst viele Fälle, die | |
entweder nie besonders bekannt wurden oder längst vergessen sind. | |
Demnach ereignete sich ein gravierender Fall mit tödlichen Folgen am 3. | |
Oktober 2021 im niedersächsischen Harsefeld im Landkreis Stade: Vier | |
Polizeibeamt*innen [3][feuerten dreizehnmal auf Kamal Ibrahim.] | |
Der Mann aus dem Sudan war in einer psychischen Notsituation. Deshalb | |
hatten dessen Mitbewohner:innen dreimal die Polizei gerufen. Ibrahim | |
selbst war beim zweiten Besuch freiwillig mit den Beamt:innen | |
mitgegangen, um eine Eskalation zu verhindern – wurde aber wenig später | |
zurück in die Unterkunft geschickt. Beim dritten Einsatz hatte Ibrahim ein | |
Messer in der Hand; die Polizist*innen fühlten sich bedroht und griffen | |
zur Waffe. | |
Die Staatsanwaltschaft Stade stellte die Ermittlungen gegen die | |
Polizist*innen ein. Die Begründung: „Rechtlich sind alle Schüsse für | |
die angegriffenen Polizeibeamten als Notwehr und für einen aus der | |
angrenzenden Küche schießenden Polizeibeamten als sogenannte Nothilfe | |
gerechtfertigt gewesen.“ Einige Tage nach dem Tod von Ibrahim | |
demonstrierten in Stade rund 100 Menschen und forderten „Black Lives still | |
Matter“. Heute erinnern sich nur noch wenige an den Fall. Auch deshalb | |
beschreibt ihn die neue Ausgabe der Dokumentation noch einmal ausführlich. | |
## Behörden verstecken sich hinter Datenschutz | |
Neben Polizeigewalt umfasst sie aber auch Suizide sowie Fälle, in denen | |
Schutzsuchende etwa beim Grenzübertritt körperlich zu Schaden gekommen | |
sind. Ein solches Ereignis war 1993 auch der Auslöser für die seitdem | |
andauernde Dokumentation, erklärt Elke Schmidt, die das Projekt damals mit | |
einer Mitstreiterin startete. | |
Damals hatte sich der Onkel eines verschwundenen tamilischen Flüchtlings an | |
die ARI gewandt. Die Initiative forschte nach und fand heraus, dass der | |
Mann mit acht anderen tamilischen Flüchtlingen beim Grenzübertritt von | |
Polen nach Deutschland in der Neiße ertrunken war. | |
Seitdem sammelt die Gruppe in wechselnder Zusammensetzung Nachrichten über | |
Todesfälle, Misshandlungen und Gewalt, die in direktem Zusammenhang mit der | |
deutschen Flüchtlingspolitik stehen. Elke Schmidt verweist im Gespräch mit | |
der taz auf die umfangreiche Recherchearbeit, die hinter der alljährlichen | |
Dokumention steckt: „Zeitungen müssen ausgewertet, Anwält*innen und | |
Behörden angefragt werden.“ | |
In den letzten Jahren argumentierten die Behörden oft mit Datenschutz, wenn | |
sie Auskünfte verweigern, so die Beobachtung von Schmidt. Trotzdem ist die | |
aktuelle Ausgabe der Dokumentation besonders umfangreich. | |
Eigentlich hegt Elke Schmidt schon seit dem ersten Bericht von 1993 die | |
Hoffnung, dass ihre Arbeit irgendwann überflüssig wird, wenn es keine | |
Flüchtlingspolitik mit tödlichen Folgen mehr gibt. Aber solange das nicht | |
passiert, werde sie mit ihren Mitstreiter*innen die Dokumentationsarbeit | |
fortsetzen, stellt sie klar. Die Sichtung für die nächste Ausgabe habe | |
schon begonnen. | |
10 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Polizeigewalt-und-Rassismus/!t5008089 | |
[2] https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/publications/GESAMT-DOKU_29_Auflag… | |
[3] /Tod-eines-Gefluechteten-in-Harsefeld/!5829550 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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