| # taz.de -- Urlaub in Deutschland: Home, Schiet-Home! | |
| > Kleine Kathedralen, schlechtes Essen, überteuerte Strandkörbe: Urlaub in | |
| > Deutschland kann eine einzige Enttäuschung sein. | |
| Bild: Der Aachener Dom – eine Reise wert? Naja | |
| „Mensch, ihr seid ja schön braun!“, „Wart ihr wieder auf den Griechischen | |
| Inseln?“, fragt ein Paar das andere im Café über leere Tische hinweg. | |
| „Nö“, sagt der Mann, „wir haben Urlaub in Deutschland gemacht!“ | |
| „Dank des Klimawandels kann man sich hier ja nun auch schön braten!“, sagt | |
| seine Frau. | |
| „Also, unsereins fuhr nur durch Deutschland durch!“ | |
| „Da macht nächstes Mal ruhig Stop!“ | |
| „Haben wir, aber tutti ’ne Enttäuschung!“ | |
| Seine Frau sagt: „Aber wir hatten ohnehin keine großen Erwartungen!“ | |
| „Doch, Laura, an den [1][Aachener Dom] zum Beispiel!“ | |
| „Stimmt, da sind wir wegen der Historie extra hin, weil da angeblich Karl | |
| der Große drin liegt und dann …“ | |
| „War das so ein klitzekleines Ding!“ | |
| „Da ist ja unser Haus größer!“ | |
| „So groß kann Karl der Große nicht gewesen sein!“ | |
| „Aber was guckt ihr euch auch Aachen an? Da gibt es spannendere Städte!“ | |
| „In Köln sind wir auch ausgestiegen, ebenfalls ’ne glatte sechs!“ | |
| „Der [2][Dom da], nix als ein dunkles, dickes Ding mit negativer | |
| Ausstrahlung!“ | |
| „Ewig mussten wir googeln, um rauszufinden, ob man da irgendwo nett essen | |
| kann!“ | |
| „Und dann war der Laden da natürlich voll mit Touristen und wir hatten zu | |
| guter Letzt Burger bei Peter Pane, also dabei kann ich auch zu Hause auf | |
| die Hoheluftchaussee starren!“ | |
| „Aber was wollt ihr auch bei der Hitze in ’ner Stadt, ihr müsst an die | |
| Küste!“ | |
| „Pah, da kost’ ja jedes Sandkorn, auf das du trittst, 100 Euro Gebühr, | |
| jeder Strandkorb wird alle fünf Minuten abkassiert, Wucher by Nature ist | |
| das! Und dann die Einheimischen, da fühlt man sich pauschal unerwünscht, da | |
| ist man dann fremd im eigenen Land, so was hab ich auf Rhodos nie erlebt!“ | |
| „Da wird man wenigstens auch behandelt wie ein zahlender Gast!“ | |
| „Selbst wenn man viel weniger zahlt!“ | |
| „Und in Deutschland musste ja erst mal die Quallen aus dem Meer sammeln, in | |
| Griechenland macht das das Personal!“ | |
| „In Deutschland muss man Pizza ins Appartement bestellen, falls man nach 21 | |
| Uhr nochmal Hunger vom ewigen Latschen durch öde Dünen oder über schnöde | |
| Deiche hat!“ | |
| „In Italien trifft man sich frühestens um 22 Uhr im Ristorante, die wissen | |
| zu leben!“ | |
| „Mensch, jetzt beruhigt euch, ihr kennt doch gar nicht alles, was ist mit | |
| Rügen?“ | |
| „Ich mach doch keinen Urlaub mit ’nem Nazi auf dem Handtuch nebenan!“ | |
| „Kennt ihr Sylt?“ | |
| „Sylt, nö, da trifft man dann den Lindner oder andere [3][rattige Reiche], | |
| fast noch schlimmer als ein Nazi mit Sonnenbrand!“ | |
| „Dann ist Urlaub in Deutschland wohl nix für euch, man kann ja niemanden | |
| zum Glück zwingen!“ | |
| „Wo genau wart ihr denn überhaupt, dass ihr so begeistert seid?“ | |
| „Finkenwerder!“ | |
| „Finkenwerder? Das ist doch quasi Hamburg, da kommt man doch mit dem HVV | |
| hin!“ | |
| „Eben, und is’ trotzdem Tapetenwechsel, vor allem: klimatechnisch gesehen | |
| ganz weit vorn!“ | |
| „Dann können wir ja nächstes Mal einfach die Häuser tauschen!“ | |
| „Warum nicht? So ein Perspektivwechsel kann selbst im eigenen Viertel | |
| erneuernd auf die eigene Energie wirken!“ | |
| „Laut Prognosen können wir uns nächsten Sommer sowieso nichts anderes mehr | |
| leisten!“ | |
| 29 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jasmin Ramadan | |
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