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# taz.de -- Nachruf auf Trude Unruh: Unruhe als Lebensprinzip
> Trude Unruh war Ehrenvorsitzende der früheren Partei der Grauen Panther.
> Wie nun bekannt wurde, ist sie bereits im Herbst gestorben. Ein Nachruf.
Bild: Trude Unruh als Gründerin der Partei die Grauen Panther 1989
Bis in die frühen achtziger Jahre dominierte hierzulande das Bild von der
alten Frau eine phantasierte Figur voller Omahaftigkeit, gütig bis
enkeldauerverständig, duldsam, lieb und folgsam. Dann kam sie, die 1925 in
Essen geborene Trude Kremer, verheiratete Unruh – und dieser Ehename sollte
ihr Programm werden, als sie zunächst den Seniorenschutzbund gründete, der
schließlich dank ihrer besonderen Tatkraft schließlich zur Partei „Graue
Panther“ transformiert wurde.
Wer heute jung ist, mag mit alten Menschen, Frauen insbesondere,
freundliche Wesen sich vorstellen, vielleicht in der taz-Leserschaft in
gewisser Weise auch behütend-hippiesk, aber Unruhe war noch von anderem
Kaliber. Sie war, kaum hatte sie man drei bis vier Silben reden gehört, so
eine Mischung aus Resolutheit und autoritärem Beharren auf das, was sie als
vernünftig erkannt hat.
Trude Unruh, nach der Mittleren Reife gelernte Sekretärin beim
Krupp-Konzern, widmete in ihrer besten Zeit, und das waren die Jahre bis
1990, ihre Energie der Idee, dass es Menschen jenseits des Erwerbslebens
nicht schlecht gehen darf. Eine gute Pflege, angemessene Wohnverhältnisse,
eine vorzügliche Gesundheitsversorgung.
Was sich heutzutage wie ein Katalog an Selbstverständlichkeiten liest, war
zu ihrer Zeit neu. Dass da eine, eher im Timbre der daueranklagenden und
angebitterten Inge Meysel denn mit dem Klang der vornehmen Lil Dagover, mit
offensiver Rhetorik Besserungen, ja, konkrete Politiken einforderte, kam
für manche einer moralischen Brüskierung: Die Unruh – die treibt's aber
langsam etwas zu weit.
Die Frau aus dem Ruhrpott wusste aber immer, dass man mit Leisetreterei
kein Schrittchen weiterkommt. Der taz-Kollege Klaus-Peter Klingelschmitt
[1][beschrieb sie 1990 einmal so]: „Die politisch streng populistisch
ausgerichtete Medientigerin“, was sich darauf bezog, dass sich die „Graue
Panther“-Promi (und spätere Ehrenvorsitzende) auch hinter dem Zenit ihrer
politischen Relevanz nicht bescheidener scheinen wollte. Das war, als sie
auf einer Mitgliederversammlung – ihr allesamt Schnarchnasen ohne Pep –
ihren Unmut über die Mitgliedschaft nicht verhehlen wollte, weil diese es
nicht vermochten, irgendeinen Wahlgang mit Entschlossenheit hinter sich zu
bringen.
## Ein Deal mit den Grünen
Sie schaffte es, mit den Grünen nach der Bundestagswahl 1987 eine Art
politischen Deal auszuhandeln: Dass sie für das Programmatische zur
Altenpolitik zuständig sei – so zog sie in jenem Jahr, das für
Bundeskanzler Helmut Kohl erfolgreich sein würde, in den Bundestag ein.
Ihr politischer Weg war ansonsten von Diversität grundiert: Sie war da, wo
sie sich für ihre Anliegen (und sich) die größte Effizienz versprach. Von
1968 bis 1973 war sie Mitglied der Sozialdemokraten, in ihrer Heimat so
naheliegend wie in Bayern das CSU-Parteibuch, wechselte aber 1973 (bis
1978) zu den Liberalen. 1978 war auch sie vom nahenden ökoalternativen
Zeitgeist mitgenommen: So wurde sie 1978 Mitbegründerin der Partei Grüne
Aktion Zukunft in Nordrhein-Westfalen, 1979 dann der Grün-Alternativen
Liste. Die Grünen wussten, welche Popularität eine wie sie unter, wie es
immer schönredend hieß, SeniorInnen genießt. Die Allianz zerbrach indes
1989 mit der von Trude Unruh betriebenen Parteigründung „Die Grauen
Panther“.
So oder so: Ohne sie wäre die Idee – und die entsprechenden politischen
Programme – von einem humanen, nicht nur abgeschobenen Alter in Deutschland
nicht so in der Debatte gewesen. Unruh hat dafür alles getan – und war sich
für keine Bühne, für keinen Streit zu schade. Mit ihr lernte die Republik,
dass Alte im Zweifelsfall viele Haare auf den Zähnen haben können.
Dass Unruh selbst als unduldsam, ja, herrisch ihren AltergenossInnen
gegenüber geschildert wird, mag ein Moment von Tragik enthalten. Sie sprach
von sich und ihrer Art als „Trudismus“, und diese Haltung lebe vom
Unfrieden mit dem Kapitalismus, der die Menschenwürde nicht achte.
Wie erst jetzt bekannt wurde, ist sie – als demente Frau – bereits im
vorigen November gestorben.
2 Aug 2022
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## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Nachruf
Grüne
Senioren
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