# taz.de -- Klimaschutz: Ein wenig grüne Hoffnung | |
> In den USA, Australien und Brasilien ist der Klimaschutz plötzlich wieder | |
> wichtig. Was aber fehlt, sind schnelle, radikale Maßnahmen. | |
Bild: Besser schnell handeln: Ein Flugzeug verteilt rot gefärbtes Löschmittel… | |
Brauchen Sie mal eine gute Nachricht vom Klima? Bitte sehr: Das | |
„Inflations-Bekämpfungs-Gesetz“, das der [1][US-Kongress] am Freitag nach | |
Redaktionsschluss endgültig beschließen wollte, pumpt nicht nur 370 | |
Milliarden Dollar über die nächsten Jahre in die grüne Infrastruktur der | |
USA, sondern auch Hoffnung in die globalen Klimaverhandlungen. Und auch | |
anderswo scheint die Vernunft zu siegen: Die EU plant ihr ehrgeiziges | |
[2][Klimapaket]; Australien stellt sich unter dem neuen Labor-Premier | |
Anthony Albanese endlich der Realität im Treibhaus; in Brasilien könnte | |
eine Abwahl des ökofeindlichen Präsidenten Bolsonaro dem | |
[3][Amazonas-Regenwald] eine Atempause verschaffen; in Kolumbien verspricht | |
der neue Präsident Petro einen ökosozialen Kurs und weltweit fallen die | |
Preise von Sonnen- und Windkraft weiter. | |
Gute Zeichen für den Klimaschutz also. Aber werden sie ausreichen, um das | |
festgefügte fossile System ernsthaft zu erschüttern? Zumindest für die | |
Klimaverhandlungen in drei Monaten in Ägypten haben sich die Aussichten | |
verbessert. Doch in Scharm al-Scheich wird es nicht um neue Regeln gehen, | |
sondern um eine konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens: schnelle Schnitte | |
bei den CO2-Emissionen, zuerst in den Industrieländern; finanzielle und | |
technische Hilfen für die Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau | |
einer CO2-armen Infrastruktur; Unterstützung bei der Anpassung an den | |
Klimawandel und Schadensersatz für arme Länder, die nichts zur Klimakrise | |
beitragen, aber von ihr am härtesten getroffen werden. | |
Bei diesen konkreten Schritten wird das Bild schon deutlich trüber. Die ab | |
2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich haben die | |
Industriestaaten immer noch nicht geliefert; beim Schadensersatz hängen die | |
Gespräche fest; die Emissionsreduktion geht viel zu langsam und zu zaghaft. | |
In der Krise greifen die alten Mechanismen: Hohe Energiepreise gelten als | |
gefährlich, statt sie fürs Energiesparen zu nutzen; fossile Industrien wie | |
Fluggesellschaften werden als systemrelevant subventioniert, statt sie | |
entschlossen umzubauen; soziale Ungleichheiten werden zum Killerargument | |
gegen Klimaschutz, statt sie mit ökosozialer Umverteilung zu kontern; die | |
Lobbyinteressen der Fossilen und der Agrarindustrie bremsen den Umbau, | |
auch und vor allem in den wichtigen Ländern China, Indien, Indonesien, | |
Brasilien oder Südafrika, von den Ölstaaten ganz zu schweigen. | |
Unter der Oberfläche von positiven grünen Nachrichten rast der globale | |
Verbrennungsmotor also weiter. Ob es gelingt, ihn zu drosseln, hängt an | |
vielen Faktoren gleichzeitig: Machen die G7 endlich Ernst mit dem Umbau | |
ihrer Volkswirtschaften – und ziehen sie die G20 mit? Bekommen China und | |
Indien ihren irren Kohleboom mit teuren Überkapazitäten und politischer | |
Korruption in den Griff? Wie schnell sehen die Länder in Afrika, dass ihre | |
Zukunft nicht in neuen Gasfeldern, sondern in den Erneuerbaren liegt? | |
Die Bedingungen für eine grüne Revolution waren nie besser, die Zeiten nie | |
drängender. Es gibt inzwischen die Technik, das Wissen, das Bewusstsein und | |
das Kapital für eine kohlenstoffarme, gerechtere Welt. Was fehlt, ist die | |
Abschaltung und Entsorgung des fossilen Systems, das unsere Zukunft | |
verbrennt. Bisher heißt Klimapolitik in fast allen Ländern, vorsichtig | |
kleine Schritte zu machen, die niemandem wehtun. Aber um die | |
billionenschweren Industrien der fossilen Energien zu zügeln, braucht es | |
mehr Mut: Ein allgemeiner CO2-Preis für die G20 wäre ein erster Schritt. | |
Ein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot fossiler Energien wäre sinnvoll, | |
ein weltweiter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mit Kompensationen für die | |
Produzentenländer ebenso. | |
Weder reale Klimakatastrophen noch eine Pandemie mit ihren globalen | |
Konsequenzen haben solche radikalen Schritte bewirkt. | |
Klima-Schockreaktionen wie das Abreißen des Golfstroms (wie im Film „The | |
Day after Tomorrow“) sind bereits im Gange, aber bislang in Zeitlupe. Um | |
aber die Erderhitzung in der Nähe von zwei Grad zu halten, sind drastische | |
Maßnahmen auf globaler Ebene nötig. Da sind 370 Milliarden Dollar und ein | |
paar Regierungswechsel Hoffnungszeichen, aber nur ein kleiner Anfang. | |
12 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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